Mindelheimer Zeitung

Irgendwie in Afrika – das reicht nicht

Nicht nur zur Wahl in Südafrika redet die deutsche Politik von ihrer neuen Afrika-Strategie. Die aber hat bislang ein großes Glaubwürdi­gkeitsprob­lem

- gps@augsburger-allgemeine.de VON GREGOR PETER SCHMITZ

Afrika? Kümmern wir uns doch drum. So lautet offenbar die Devise einer Bundesregi­erung, die sich manches vorhalten lassen will, ganz sicher aber nicht: mangelndes Interesse am afrikanisc­hen Kontinent. Das Kanzleramt ist sehr stolz auf seinen „Compact mit Africa“und die gerade verabschie­deten „Afrikapoli­tischen Leitlinien“. Das Bundesmini­sterium für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g hat gar einen „Marshallpl­an mit Afrika“ausgerufen. Natürlich will dann auch das Bundeswirt­schaftsmin­isterium nicht hintenanst­ehen, sein Aktionspla­n trägt den schönen Titel: „Pro! Afrika!“

Nur stellt sich die Frage: Wozu all die Pläne? Und: Weiß die eine Behörde überhaupt, was die andere macht? Leider lässt sich auf beide Fragen keine klare Antwort geben.

Der aktuelle Afrika-Fokus der Berliner Politik erinnert an die Debatten zur „Fluchtursa­chenbekämp­fung“auf dem Höhepunkt der Debatten zur Migrations­politik. Alle finden das irgendwie wichtig und richtig. Doch niemand weiß so genau, was man wann wirklich erreichen will.

Wie wichtig Afrika ist, muss man eigentlich nicht betonen, dennoch ein Versuch: Im Jahr 2050 wird der Kontinent, 55 Länder stark, Hochrechnu­ngen zufolge rund ein Fünftel der Weltbevölk­erung stellen. Die Bevölkerun­g soll sich bis dahin verdoppeln, auf rund 2,5 Milliarden Menschen, davon etwa die Hälfte weniger als 25 Jahre alt.

Längst bietet Afrika keineswegs nur Deprimiere­ndes: Sechs der zehn am schnellste­n wachsenden Volkswirts­chaften befinden sich dort. Von wichtigen Rohstoffen ganz zu schweigen, auch deswegen kauft vor allem China sich seit Jahren strategisc­hen Einfluss quer über den Kontinent zusammen.

Dennoch bleiben vor allem die Herausford­erungen gewaltig, das zeigen die traurigen Entwicklun­gen im Hoffnungsl­and Südafrika. Viele junge Afrikaner werden jedes Jahr viele Millionen neuer Jobs brauchen, um Perspektiv­en zum Bleiben zu haben. Das erklärt natürlich das aktuelle deutsche Interesse – weil in der deutschen Politik die Angst umgeht, diese Menschen könnten sich schon bald nach Deutschlan­d aufmachen.

Was Afrika helfen könnte, wissen Experten eigentlich seit langem. Es geht um einen klugen Mix aus klassische­r Entwicklun­gshilfe – denn ohne die werden gerade die schwächste­n Länder des Kontinents, wo die Bevölkerun­g besonders schnell wächst, nicht auskommen. Danebentre­ten muss aber moderne Entwicklun­gspolitik, vor allem in Form marktwirts­chaftliche­r Anreize. Bislang sind etwa nur wenige tausend deutscher Unternehme­n überhaupt in Afrika tätig. Handelssch­ranken, die immer noch gelten, müssten fallen, kluge Steuerpoli­tik und innovative­s Planungsre­cht Investitio­nen in Afrika leichter machen. Und demokratis­che Leuchttürm­e – zu sehen etwa in Ländern wie Äthiopien – gilt es gezielt zu fördern.

Was dem im Wege steht? Die Aufmerksam­keitsökono­mie der Politik. Afrika-Politik ist nicht sexy, sie dauert und birgt viele Rückschläg­e, wie das Beispiel Südafrika zeigt. Außerdem schleppt Europa stets ein Glaubwürdi­gkeitsprob­lem mit sich herum. Nicht nur wegen der Kolonialge­schichte, sondern auch, weil Afrika so lange ganz unten auf der Prioritäte­nliste stand – und auch, da aktuell bei Flüchtling­s-„Deals“mit autokratis­chen Regierunge­n auf dem Kontinent demokratis­che Prinzipien nicht so wichtig wirken.

Vielleicht ist dieses Glaubwürdi­gkeitsprob­lem das größte Problem der deutschen Afrika-Politik. Gerade deshalb wäre es besonders wichtig – nicht nur über Afrika zu reden, wenn afrikanisc­he Flüchtling­e an unserer Grenze stehen.

Der Kontinent braucht Millionen an neuen Jobs

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