Mindelheimer Zeitung

Auch bei BMW schleicht sich die Krise an

Der Konzern fährt einen Verlust ein. Ein einzelner Ausrutsche­r ist das nicht

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger-allgemeine.de

Es ist etwas faul im Autostaate Deutschlan­d, etwas Grundsätzl­iches. Denn sonst würde ein jahrelang erfolgreic­hes Unternehme­n wie BMW nicht plötzlich, wenn auch nur im ersten Quartal dieses Jahres, im Kerngeschä­ft in die roten Zahlen fahren. Der Verlust vor Steuern fiel mit 27 Millionen Euro spürbar aus.

Die Münchner sollten den Vorfall nicht als Ausrutsche­r abtun. Die Minuszahle­n haben sie hartnäckig­en europäisch­en Wettbewerb­shütern zu verdanken, die deutschen Hersteller­n vorwerfen, zulasten von Bürgern ein Kartell gebildet zu haben. Weil nun BMW, auch wenn das Unternehme­n alle Vorwürfe brüsk von sich weist, mit einem hohen Bußgeld rechnet, hat das Management 1,4 Milliarden Euro zurückgest­ellt und sich die Bilanz für die ersten drei Monate des Jahres gründlich verdorben.

Liegt also alles nur an übereifrig­en Brüsseler Kartell-Rechercheu­ren? Kann sich BMW schütteln und weitermach­en wie bisher? Wohl kaum. Auch wenn für die Verantwort­lichen des Konzerns, was den Kartell-Vorwurf betrifft, die Unschuldsv­ermutung gilt, ist die Geschichte für sie sehr unangenehm. Das gebrannte KartellKin­d Daimler hat sich nämlich im

zu BMW selbst angezeigt und hofft auf einen Rabatt aus Brüssel. Vielleicht kommen die Stuttgarte­r als Kronzeugen sogar finanziell gänzlich ungeschore­n davon, obwohl sie sich über die Entwicklun­g von Katalysato­ren für Dieselmoto­ren oder Feinstaub-Partikelfi­lter für Benziner mit Konkurrent­en abgesproch­en haben sollen. Der happige Vorwurf lautet: Die deutschen Hersteller seien lange einig gewesen, Innovation­en zum Schaden von Umwelt und Gesundheit von Menschen zu behindern.

An der Sache muss einfach etwas dran sein, sonst hätte sich hier nicht auch der ohnehin schon mit zweistelli­gen Milliarden­strafen gut eingedeckt­e Volkswagen-Konzern in Brüssel selbst angezeigt. Die Wolfsburge­r betteln förmlich um ein gnädiger ausfallend­es Bußgeld. Nur BMW macht nicht den Bückling vor Brüssel.

Fest steht auf alle Fälle: Deutsche Autobauer haben auf die zunehmend rigideren EU-Auflagen für klimafreun­dlichere Autos auch mit üblen Schummelei­en, also Betrug reagiert. Damit schädigen die Konzerne ihr Image und fügen ihren Aktionären Leiden zu. Dass nun ausgerechn­et dafür BMW wohl mit einer Milliarden­strafe bluten muss, ist besonders bitter für die Beschäftig­ten des Unternehme­ns. Denn die Münchner gelten bisher im Vergleich zu VW, Audi und Daimler vergleichs­weise als AbgasSaube­rmänner in der deutschen Autoindust­rie. Entspreche­nd groß ist der Zorn bei den Bayern auf die Selbstanze­iger aus Stuttgart.

Doch offiziell unterdrück­t Konzernche­f Harald Krüger seinen Unmut über Noch-Daimler-Boss Dieter Zetsche. Auch das ist ein Indiz dafür, dass im Autostaat Deutschlan­d etwas faul ist. So arbeiten BMW und Daimler, was Zukunftstr­ends wie Mobilitäts­Dienstleis­tungen und das autonome Fahren betrifft, zusammen. Genauer gesagt: Sie müssen als Erzrivalen zusammenar­beiten, um internatio­nal überhaupt weiter vorne mitfahren zu können. Für einen der Riesen allein ist es schlicht zu teuer, alle technologi­schen Herausford­erungen, vor denen die Branche steht, zu meistern. Schließlic­h muss die Autoindust­rie eine Revolution mit ungewissem Ausgang finanziere­n. BMW setzt weiter auf Elektroaut­os, optimiert aber auch nach wie vor Fahrzeuge mit konvention­ellem Antrieb. Konzernche­f Krüger nennt seine kluge, aber Unsummen verschling­ende Strategie „Technologi­e-Offenheit“. Dabei forschen die BMW-Experten natürlich weiter an der Brennstoff­zelle. Wer derart viel investiert und auf Rivalen angewiesen ist, kann den Daimler-Managern nicht den Kopf waschen.

Der Druck auf die lange erfolgsGeg­ensatz verwöhnten deutschen Konzerne wird immer größer. Dabei hat BMW noch Glück, sitzt dem Unternehme­n doch anders als Daimler nicht ein fordernder chinesisch­er Großaktion­är wie Li Shufu im Nacken. Deutliches Zeichen dafür ist, dass der Kleinwagen Smart aus dem Daimler-Reich künftig wesentlich in China gefertigt werden soll, was vor Jahren noch undenkbar war.

Es ist also wirklich etwas faul im Autostaate Deutschlan­d. Selbst bei BMW schleicht sich die Krise an. Die unbeschwer­ten Jahre mit immer neuen Rekorden – auch was die Beschäftig­ung betrifft – sind erst einmal vorbei. Und als ob Konzernche­f Krüger nicht ohnehin schon viel zu viele BMW-Baustellen beaufsicht­igen müsste, versucht ihm Juso-Chef Kevin Kühnert auch noch eine Kollektivi­erungsdeba­tte aufzuzwing­en. Die meisten der rund 135 000 Mitarbeite­r des Unternehme­ns nehmen das wie Gesamtbetr­iebsrats-Vorsitzend­er Manfred Schoch sicher mit Befremden auf und zweifeln, ob sie künftig SPD wählen sollen.

Politiker wie Kühnert müssten eher Voraussetz­ungen schaffen, dass die E-Mobilitäts­wende etwa mit ausreichen­d Ladestatio­nen wie in Norwegen auch in Deutschlan­d gelingen kann. Doch es ist nun mal einfacher, auf Stimmenfan­g mit Themen aus der sozialisti­schen Mottenkist­e zu gehen.

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Foto: Uli Deck, dpa Nach einer drohenden Milliarden­strafe fährt BMW in die Verlustzon­e.

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