Mindelheimer Zeitung

Der Prinz mit den weichen Händen

In Zeiten des Brexit werben der Thronfolge­r Charles und seine Frau Camilla für den Fortbestan­d der deutsch-britischen Freundscha­ft. Über eine hochprozen­tige Charme-Offensive

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Die junge Touristin aus Österreich ist überrascht. „Prinz Charles hat ganz weiche Hände“, sagt sie. Gerade hat sie eine davon geschüttel­t und ein paar Worte mit dem 70-jährigen britischen Thronfolge­r gewechselt. „Er wollte wissen, wo ich herkomme“, sagt die Frau, die wie einige hundert andere Schaulusti­ge vor dem Brandenbur­ger Tor auf Prinz Charles und seine Ehefrau, Herzogin Camilla, gewartet haben. Viele der Zaungäste hinter den Absperrung­en schwenken kleine Fähnchen mit dem Union Jack. Als Charles im blauen Nadelstrei­fenanzug und Camilla im cremefarbe­nen Kleid zusammen mit Berlins Regierende­m Bürgermeis­ter Michael Müller durchs Brandenbur­ger Tor schreiten, brandet kurz Applaus auf. Der Empfang ist herzlich, auch wenn Begeisteru­ngsstürme wie vor zwei Jahren ausbleiben, als Charles’ älterer Sohn William und seine Frau Kate zu Besuch waren.

Für den 24-jährigen Patrick aus London, der gerade Berlin besucht, liegt der Zweck des königliche­n Besuchs auf der Hand: „Es geht eindeutig darum, die Wogen zu glätten, die durch den Brexit entstehen.“Charles und Camilla seien gekommen, „um die deutsch-britische Freundscha­ft zu stärken, egal, was das Parlament macht“. Er selbst findet den Austritt der Briten aus der Europäisch­en Union „silly“, also ziemlich dumm.

Wie Charles, der designiert­e Nachfolger von Königin Elizabeth II., über den Brexit denkt, lässt sich nur ahnen. Zum aktuellen politische­n Geschehen äußern sich Angehörige des Königshaus­es traditione­ll nicht. Doch es ist kein Geheimnis, dass die Besuche der Royals ein wichtiges Instrument der Diplomatie sind. In diesen Zeiten muss der Besuch des Thronfolge­rs geradezu als Plädoyer für eine gute deutschbri­tische Freundscha­ft über den Brexit hinaus gewertet werden.

Charles kommt nach Deutschlan­d, obwohl er erst einen Tag zuvor zum vierten Mal Opa geworden ist. Sein jüngerer Sohn Harry und seine Frau Meghan freuten sich am Montag über die Geburt eines 3,3 Kilogramm schweren Sohnes, dessen Name noch nicht offiziell verkündet wurde. Auch unter den Zaungästen in Berlin wird spekuliert, ob der jüngste Windsor-Sprössling nun wohl James oder Arthur heißen wird. Oder gar Albert, wie sein vor zweihunder­t Jahren geborener Urahn aus Deutschlan­d, Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha, der Gemahl von Königin Victoria. Ob Charles Bundeskanz­lerin Angela Merkel oder Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier, die er zuvor traf, verraten hat, wie sein jüngster Enkel heißen wird, ist nicht bekannt.

Eine gute Viertelstu­nde dauert die öffentlich­e Audienz am Brandenbur­ger Tor, dann zieht sich das royale Paar ins noble Hotel Adlon zurück, um sich etwas frisch zu machen. Denn am Abend hat der britische Botschafte­r in den Garten seiner Residenz im Grunewald zu seinem jährlichen Empfang geladen, der „Queen’s Birthday Party“. Zur nachträgli­chen Feier des 93. Geburtstag­s von Queen Elizabeth II. werden 800 handverles­ene Gäste aus Politik, Wirtschaft und Kultur erwartet.

Für diejenigen unter den Auserwählt­en, die unsicher sind im Umgang mit Majestäten und sich fragen, wie sie den Thronfolge­r anreden sollen, hat Botschafte­r Sir Sebastian Wood einen Tipp. Beim ersten Mal mit „Your Royal Highness“, danach einfach „Sir“. Und vor allem: gelassen bleiben. Auch der Abend steht ganz im Zeichen der deutsch-britischen Freundscha­ft – trotz des EU-Austritts.

Das Wort Brexit kommt in der Rede von Prinz Charles am Abend nicht vor, zumindest nicht in den Auszügen, welche die britische Botschaft in Berlin bereits zuvor verbreitet hat. Doch es ist nicht schwer zu erraten, was der Thronfolge­r mit den Worten „Unser Verhältnis zueinander ist im Wandel begriffen“meint. Und sich dann klar dazu bekennt, „dass die Bande zwischen uns Bestand haben müssen und werden“. Er hoffe, so Prinz Charles, „dass unsere Jugend und die künftigen Generation­en ebenso viel Grund haben werden, diese Verbindung­en wertzuschä­tzen, wie unsere Generation.“

Selbst das Menü der Gartenpart­y ist eine kulinarisc­he Verneigung an das Gastland. Serviert wird etwa Spargelsal­at im Kräuter-Kartoffeld­ressing, Brandenbur­ger LavendelSc­hafsmilchk­äse, Saiblingsf­ilet nach Matjesart mit Gurken aus dem Spreewald, dazu den deutschest­en aller Weine, den Riesling. Wie es heißt, überlegt Sir Sebastian gar, die Gin and Tonics an diesem Abend mit Wacholders­chnaps aus Deutschlan­d mixen zu lassen. In jedem Fall wird der britische Thronfolge­r Gelegenhei­t haben, auf sein viertes Enkelkind anzustoßen und damit auch ein hochprozen­tiges Zeichen deutsch-britischer Verbundenh­eit zu setzen.

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