Die Einigkeit hält nur kurz
Gipfel EU verabschiedet einstimmig einen Grundwerte-Katalog. Doch schon wenig später gibt es Irritationen um das Thema Klimapolitik
Brüssel/Sibiu Die Bundeskanzlerin fasste schon vor dem EU-Gipfeltreffen zusammen, was anschließend herauskam: „Wir alle glauben, dass gemeinsames Handeln besser ist“, sagte Angela Merkel. „Die Welt schläft nicht.“Nur wenige Minuten später hatten die 27 Staats- und Regierungschefs der Union am Donnerstag im rumänischen Sibiu (Hermannstadt) verabschiedet, was sie sich vorgenommen hatten: ein Bekenntnis zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, zu Geschlossenheit und der Bereitschaft, stets nach gemeinsamen Lösungen zu suchen.
„Wir werden“, so heißt es in der Erklärung von Sibiu, „vereint durch dick und dünn gehen.“Das Pathos ergänzten die Staatenlenker noch durch ein Programm für die Jahre bis 2024, das sich wie eine Liste bisher unerledigter Probleme liest: gemeinsames Asylrecht, Klimaschutz und Sicherung der Außengrenzen.
Eigentlich war der Gipfel als Aufbruchssignal nach dem Brexit geplant gewesen. Deshalb hatte man Premierministerin Theresa May nicht eingeladen. Hier wollte die Union, zwei Wochen vor den Europawahlen, klarmachen, dass sie sich vom ersten Abschied eines Landes nicht schwächen lassen werde. Doch durch die Verzögerungen beim Austrittsverfahren war dem Treffen der Anlass irgendwie abhandengekommen. So blieb bei dem gut fünfstündigen Gipfel auch noch genügend Zeit, um sich über andere Fragen wieder in die Haare zu bekommen.
Dazu gehörte vor allem der Klimaschutz. Paris, das über Jahre hinweg solche Spitzenbegegnungen mit einer deutsch-französischen Erklärung fast schon bestimmt hatte, legte nun einen Entwurf vor, den man mit anderen Partnern wie Belgien, den Niederlanden, Dänemark, Portugal und Spanien ausgearbeitet hatte. Zentrales Anliegen: Die EU solle bis 2050 keine klimaschädlichen Gase mehr in die Atmosphäre blasen. Staatspräsident Emmanuel Macron ging damit spürbar auf Distanz zur Kanzlerin, als er vorsichtig formulierte, er hoffe, dass auch Deutschland sich beteiligen werde. Merkel signalisierte zwar in weiten Teilen Unterstützung, schloss sich aber dem Vorstoß nicht an, weil die deutschen Ziele von denen anderer Länder abweichen würden. Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz lehnte das Konzept komplett ab, weil Frankreich nahezu ausschließlich auf Atomkraft setze.
Offene Differenzen gab es bei den anstehenden Personalfragen. Denn wenn sich die 27 Staats- und Regierungschefs zwei Tage nach den Europawahlen am 28. Mai in Brüssel wieder treffen, stehen sie vor der Frage, wen sie dem frisch gewählten EU-Parlament als neuen Kommissionspräsidenten vorschlagen. „Einen Automatismus zwischen Wahlsieg und Beförderung zum Nachfolger Jean-Claude Junckers gibt es nicht“, sagte Luxemburgs Regierungschef Xavier Bettel. Auch Macron lehnte das Spitzenkandidatenmodell offen ab. Der griechische Premierminister Alexis Tsipras erteilte dem christdemokratischen Frontmann und mutmaßlichen Wahlsieger Manfred Weber (CSU) sogar eine unmissverständliche Absage: „Wir brauchen einen Präsidenten, der die Einheit der EU und ihre fundamentalen Ideen unterstützt. Dieser Präsident ist nicht Weber. Das ist meine Position.“Tsipras ist nach dem ungarischen Premier Viktor Orban schon der zweite Regierungschef, der sich gegen Weber positionierte.
Auf Distanz ging die EU zum Iran. Teherans Ultimatum zum Atomabkommen wurde einhellig zurückgewiesen. „Wir fordern den Iran nachdrücklich auf, weiterhin vollständig seinen Verpflichtungen (...) nachzukommen und von Eskalationsschritten Abstand zu nehmen“, heißt es in einer am Donnerstag veröffentlichten Erklärung der Außenminister von Deutschland, Frankreich, Großbritannien sowie der EU-Außenbeauftragten. Die europäische Seite sei entschlossen, den legitimen Handel mit dem Iran aufrechtzuerhalten, um das Abkommen zu erhalten. Jegliche Ultimaten weise man aber zurück.