Mindelheimer Zeitung

Das Ende der Vertuschun­g?

Vatikan Der Papst verpflicht­et alle Geistliche­n dazu, Fälle von sexuellem Missbrauch in der Kirche zu melden. Sein Gesetz wendet sich auch gegen Bischöfe, die sich vor die Täter stellen

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

Rom Ob es der große Durchbruch im Kampf gegen sexuellen Missbrauch in der katholisch­en Kirche ist, bleibt abzuwarten. Papst Franziskus will, dass Kleriker künftig von Ihresgleic­hen angezeigt werden müssen, sollten sie sich eines sexuellen Missbrauch­s schuldig machen. Ein entspreche­ndes Gesetz, in dem eine Meldepflic­ht für Geistliche festgeschr­ieben ist, erließ Papst Franziskus bereits in dieser Woche.

Das neue Regelwerk, mit dem der Papst offenbar die frühere Kultur der Vertuschun­g zu durchbrech­en versucht, soll ab 1. Juni gelten. Es ist „ad experiment­um“zunächst auf drei Jahre angelegt. Unter den umfangreic­hen Maßnahmen sticht besonders die Meldepflic­ht für Geistliche ins Auge, da der Papst damit ausdrückli­ch im Kirchenrec­ht festschrei­bt, dass die Verheimlic­hung von Missbrauch­sfällen sowie die früher vielfach praktizier­te Versetzung der Täter in andere Pfarreien nicht länger geduldet werden kann. In den Diözesen sollen innerhalb des kommenden Jahres regelrecht­e Meldesyste­me eingericht­et werden. Zudem sollen diejenigen, die Missbrauch­sfälle melden, durch das Gesetz geschützt werden. Meldungen stellten „keine Verletzung des Amtsgeheim­nisses“dar. Denjenigen, die eine Meldung erstatten, könne „kein Schweigege­bot auferlegt werden“.

In dem Regelwerk ist außerdem die Überprüfun­g von Bischöfen vorgesehen, die zivile, kirchenrec­htliche oder strafrecht­liche Untersuchu­ngen von sexuellem Missbrauch „zu beeinfluss­en oder zu umgehen“versuchen. Damit könnte sich eine wichtige Gesetzeslü­cke schließen. Bislang gab es in der katholisch­en Kirche keine effektive Handhabe gegen Bischöfe, die Missbrauch­staten vertuschte­n. In vielen Fällen war aber genau das das Problem: Anstatt sich auf die Seite der Opfer zu stellen, war es üblich, dass kirchliche Vorgesetzt­e sich schützend vor ihre straffälli­g gewordenen Priester stellten und das Ansehen der Institutio­n allem voranstell­ten. Im Gesetz heißt es nun auch, kirchliche Stellen seien verpflicht­et, staatliche Strafverfo­lger in ihrer Arbeit zu unterstütz­en.

Fortan sind nicht nur Vorgesetzt­e, sondern Kleriker jeder Art in der katholisch­en Kirche zur Anzeige sexuellen Missbrauch­s bei der zuständige­n kirchliche­n Autorität verpflicht­et. Dasselbe soll für Fälle gelten, in denen Missbrauch­sfälle vertuscht wurden und Täter gedeckt werden. Auch dies muss dem Gesetz zufolge gemeldet werden. Das gilt in allen Diözesen weltweit.

Eine besondere Rolle kommt dabei den Metropolit­an-Erzbischöf­en zu. Bei ihnen müssen die Taten angezeigt werden, die Bischöfe müssen ihrerseits die Anzeigen und den Stand der Voruntersu­chungen regelmäßig an den Vatikan weiterleit­en. Diese Erzbischöf­e werden damit zur zentralen Stelle. In Deutschlan­d sind folgende Diözesen Sitze solcher Metropolit-Erzbischöf­e: Köln, München, Hamburg, Berlin, Paderborn, Bamberg und Freiburg. Bei ihren Untersuchu­ngen können sich diese Bischöfe künftig auch von Fachleuten helfen lassen, darunter können auch Nicht-Kleriker sein.

Dieses Vorgehen entspricht in etwa einem Vorschlag, den die USBischöfe im Rahmen des Gipfeltref­fens Ende Februar im Vatikan gemacht hatten. Das Treffen war von Opferverbä­nden kritisiert worden, die ein konsequent­es Durchgreif­en der Kirchenlei­tung gegen Missbrauch­stäter im Klerus, aber vor allem auch gegen innerkirch­liche Vertuschun­g von Missbrauch­sfällen gefordert hatten.

Auch externe Experten sollen bei der Aufklärung helfen

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Foto: Alessandra Tarantino, dpa Papst Franziskus hat ein Gesetz erlassen, um den sexuellen Missbrauch in der Kirche zu bekämpfen.

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