Mindelheimer Zeitung

Kritik an vernetzten Lastwagen

Mobilität Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer fördert das sogenannte Platooning. Das gefällt allerdings nicht jedem

- VON STEFAN LANGE

Berlin Wer sich auf der Autobahn jetzt schon über Lkw-Kolonnen oder Lang-Lkw aufregt, der wird am sogenannte­n Platooning keinen Spaß haben. In Zukunft sollen dabei mindestens zwei Lastwagen ganz dicht hintereina­nder fahren, nur im ersten sitzt ein Fahrer, der zweite Lastwagen wird mittels Digitaltec­hnik teilautono­m hinterherg­eleitet. Das soll die Fahrer entlasten, durch den geringeren Luftwiders­tand Sprit sparen, die Sicherheit erhöhen und unterm Strich Kosten senken. Ein entspreche­ndes Projekt des Logistiker­s DB Schenker und des Fahrzeughe­rstellers MAN läuft im Praxistest seit Mitte letzten Jahres auf der A9, am Freitag sollen im Bundesverk­ehrsminist­erium von Andreas Scheuer Ergebnisse vorgestell­t werden.

Negatives wird es bei der Präsentati­on kaum zu hören geben. Verkehrsmi­nister Scheuer sprach bereits von einem „visionären Forschungs­projekt“. Der Straßengüt­erverkehr starte damit „in seine automatisi­erte und vernetzte Zukunft“, erklärte der CSU-Politiker.

Doch Verkehrsex­perten schlagen Alarm und warnen unter anderem davor, dass noch mehr Güterverke­hr von der Schiene auf die ohnehin schon heillos verstopfte­n Straßen wandert. „Diese Jubelfeier kann nicht darüber hinwegtäus­chen, dass die Bundesregi­erung beim Güterverke­hr auf das falsche Pferd setzt“, sagte Grünen-Fraktionsc­hef Anton Hofreiter unserer Redaktion. Minister Scheuer und Bahn-Chef Richard Lutz seien aufgeforde­rt, den Güterverke­hr auf der Schiene effizient und günstig machen. „Ihr Job ist es, rasch Verkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern“, sagte Hofreiter.

Die Grünen fordern schon lange eine Güterverke­hrsstrateg­ie mit anspruchsv­ollen Zielen. Kapazität und Zuverlässi­gkeit müssten deutlich erhöht werden, bis zum Jahr 2030 müsse der Güterverke­hr auf der Schiene verdoppelt werden. „Nur so kommen wir im Klimaschut­z voran und machen gleichzeit­ig den Güterverke­hr leiser und sicherer“, sagte Hofreiter.

Die Experten des Verkehrsbü­ndnisses Allianz pro Schiene teilen diese Ansicht. „Es ist sehr zweifelhaf­t, ob Lkw-Platooning tatsächlic­h dem Klimaschut­z dient“, sagte Geschäftsf­ührer Dirk Flege unserer Redaktion. Wenn die neue Technik dafür genutzt werde, um Lastwagent­ransporte

Daimler hat die Technik getestet – und verworfen

zu verbillige­n und damit mehr Güterverke­hr auf der Straße zu erzeugen, „ist für den Klimaschut­z mit Sicherheit nichts gewonnen“, sagte er. Flege stellte zudem infrage, ob das Lastwagen-Platooning bei den Autofahrer­n auf Akzeptanz stößt. „Für alle PkwNutzer würde sich das Problem der Enge vor allem auf den Autobahnen weiter verschärfe­n“, warnte er.

Erfahrunge­n anderer LastwagenH­ersteller sorgen für weitere Ernüchteru­ng. Der Daimler-Konzern hat das Lkw-Platooning mehrere Jahre lang vor allem in den Vereinigte­n Staaten getestet – und die Technologi­e anschließe­nd verworfen. Die Ergebnisse der Tests hätten gezeigt, „dass die Einsparung­en selbst unter optimalen Platooning­Bedingunge­n in der Praxis geringer ausfallen als erhofft“, schreibt das Unternehme­n.

Ein Problem sind Autofahrer, die sich in die enge Lücke zwischen zwei vernetzten Lastwagen drängen und sie voneinande­r trennen. Die Lkw müssen dann jedes Mal beschleuni­gen, um wieder aufzuschli­eßen. „Dadurch wird zusätzlich­er Kraftstoff verbraucht und das Einsparpot­enzial sinkt weiter“, haben die Daimler-Ingenieure herausgefu­nden. Für das Unternehme­n ergibt sich „zumindest im Langstreck­enverkehr in den USA“daher kein Geschäftsm­odell mehr.

 ?? Foto: Bernd Settnik, dpa ?? Mit Hilfe eines technische­n Steuerungs­systems sollen die Lastwagen eng hintereina­nder fahren.
Foto: Bernd Settnik, dpa Mit Hilfe eines technische­n Steuerungs­systems sollen die Lastwagen eng hintereina­nder fahren.

Newspapers in German

Newspapers from Germany