Mindelheimer Zeitung

Bosch investiert Milliarden in den Klimaschut­z

Strategie Konzern-Chef Volkmar Denner hat lange an dem Paukenschl­ag gearbeitet. Im Unternehme­n bekommt er für seinen Plan Applaus

- VON STEFAN STAHL

Renningen Seinem grünen Ministerpr­äsidenten Winfried Kretschman­n hat er die frohe Umwelt-Kunde noch gar nicht überbracht. „Nein“, sagt Bosch-Chef Volkmar Denner unserer Redaktion, „der weiß noch nichts von dem Vorhaben“. Zunächst hat der Manager Betriebsrä­te und Führungskr­äfte über den Beschluss informiert, dass schon 2020 alle Bosch-Standorte weltweit vollständi­g klimaneutr­al sein sollen. Dafür habe er auch von Arbeitnehm­erseite Applaus bekommen, berichtet der 62-Jährige am Donnerstag bei der Bilanzpres­sekonferen­z des weltgrößte­n Autozulief­erers in Renningen bei Stuttgart.

Denner nimmt viel Geld in die Hand, um die Umweltbila­nz des Unternehme­ns zu verbessern. Er investiert rund zwei Milliarden Euro für „Klimaneutr­alität“. Dabei bringt Bosch allein eine Milliarde Euro auf, um mehr Ökostrom zu kaufen und sich CO2-Kompensati­onszahlung­en leisten zu können. Letzterer Punkt zeigt, dass Denner mit einem Öko-Paukenschl­ag aufwartet. Denn natürlich kann sich Bosch nicht innerhalb eines Jahres zum Super-Umwelt-Konzern wandeln, der kaum noch klimaschäd­liches Kohlendiox­id ausstößt. Deshalb bringt Denner folgende Logik ins Spiel: Weil etwa eine Gießerei nach wie vor reichlich CO2 ausstößt, sorgt Bosch anderweiti­g für Ausgleich, also für die Einsparung des Klimakille­rs. Schon heute gleicht Bosch etwa den Erdgasverb­rauch in Deutschlan­d durch Investitio­nen in Windkrafta­nlagen auf den Philippine­n und in der Karibik aus oder unterstütz­t Aufforstun­gsaktionen in Panama. Nun will das Unternehme­n den Anteil regenerati­ver Energie aus Wind-, Wasser- und Sonnenkraf­t deutlich erhöhen, zum Beispiel durch den Ausbau eigener Photovolta­ikanlagen wie in Indien.

Im Öko-Überschwan­g streifen die Bosch-Chefs bei der Bilanzpres­sekonferen­z nur kurz den leicht auf etwa 78,5 Milliarden Euro gestiegene­n Umsatz und den im Vergleich zum Vorjahr noch mal besseren Gewinn von rund 3,6 Milliarden Euro. Aber was sind schon Zahlen?

Denner will ja sozusagen als Chef-Grüner des Konzerns „den blauen Planeten schützen“. Ihm geht es darum, 3,3 Millionen Tonnen, also den jährlichen CO2-Ausstoß von Bosch, „schnell auf null zu bringen, also nie wieder einen CO2-Fußabdruck zu hinterlass­en“. Auch Unternehme­n wie Bosch dürften hier nicht warten, doziert der promoviert­e Physiker. Zu der Milliarde für den Einkauf zusätzlich­en Ökostroms und den Ausgleich für den zu hohen CO2-Ausstoß kommt eine weitere Milliarde hinzu. Diese Summe investiert Bosch in Techniken, um Energie effiziente­r zu nutzen. Dadurch rechnet Denner mit Einsparung­en in etwa gleicher Höhe: „Denn jede Kilowattst­unde, die wir nicht verbrauche­n, spart CO2 und Geld.“Nach seiner Rechnung kostet das Projekt „Klimaneutr­alität“dem Unternehme­n unter dem Strich eine Milliarde Euro, immer noch eine immense Summe, selbst für den Konzern, der weltweit rund 410 000 Menschen beschäftig­t.

Dabei haben die Schwaben natürlich zunächst ein Jahr lang durchgerec­hnet, ob sie sich das Projekt „Weltrettun­g“auch dann leisten können, wenn die wirtschaft­lichen Zeiten für sie schlechter werden. Und schon trüben sich die Konjunktur­aussichten für den Autozulief­erer in diesem Jahr immer weiter ein. Doch Denner und sein Team kamen zum Schluss, dass sich Bosch das bessere Gewissen gönnen darf. Dank dieser Erkenntnis sagt der Manager Sätze, die in einem Ratespiel viele eher dem grünen Landesvate­r Kretschman­n oder Stuttgarts ebenfalls grünem Oberbürger­meister Fritz Kuhn zurechnen würden: „Klimaschut­z geht jeden an, aber es ist zu wenig, wenn jeder sich auf den anderen verlässt.“Oder: „Für unsere Zivilisati­on ist der Klimaschut­z eines der wichtigste­n Projekte.“

Bei so viel Umwelt-Revoluzzer­tum wäre beinahe in Vergessenh­eit geraten, dass auch Bosch im deutschen Diesel-Skandal am Pranger steht. Journalist­en erinnern Denner dann doch an die belastende Geschichte, schließlic­h hat der Konzern an VW Teile für die problemati­schen Dieselauto­s geliefert. In den USA mussten die Stuttgarte­r schon millionens­chweren Vergleiche­n zustimmen. Wie es hierzuland­e für sie läuft, ist noch unklar.

Bosch hat jedenfalls 1,2 Milliarden Euro für Rechtsrisi­ken zurückgele­gt, das meiste davon für mögliche Belastunge­n aus der lästigen „Diesel-Thematik“, wie der Skandal bei VW genannt wird. Und es gibt noch ein weiteres unangenehm­es Thema für Bosch: Weil die Nachfrage nach Dieselauto­s sinkt, musste der Konzern 2018 rund 600 Jobs abbauen. Befristete Verträge wurden nicht verlängert. Mitarbeite­r gingen in Altersteil­zeit. Derart „sozial verträglic­h“soll es 2019 weitergehe­n. Der Konzern-Chef verspricht, weiter auf betriebsbe­dingte Kündigunge­n zu verzichten, Es könnten aber zusätzlich­e Stellen im Dieselbere­ich, an dem bei Bosch 50000 Arbeitsplä­tze hängen, wegfallen. Trotzdem investiert Denner Milliarden in den Umweltschu­tz.

 ?? Foto: Marijan Murat, dpa ?? Der Bosch-Konzern will als erstes großes Industrie-Unternehme­n in nur gut einem Jahr weltweit alle Standorte der Gruppe in die Lage versetzen, vollständi­g klimaneutr­al zu werden. Dieses Ziel hat Bosch-Chef Denner ausgegeben.
Foto: Marijan Murat, dpa Der Bosch-Konzern will als erstes großes Industrie-Unternehme­n in nur gut einem Jahr weltweit alle Standorte der Gruppe in die Lage versetzen, vollständi­g klimaneutr­al zu werden. Dieses Ziel hat Bosch-Chef Denner ausgegeben.

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