Mindelheimer Zeitung

Dieser Mann ist eine Marke

Steingart baut sich schwimmend­e Bühne

- VON DANIEL WIRSCHING

Fast könnte man meinen, Gabor Steingart sei ein berühmter Seefahrer. Aber bitte: Wer ab Frühjahr 2020 ein Schiff mit einer Redaktion auf der Spree im Berliner Regierungs­viertel herumschip­pern lassen will, darf a) nicht wassersche­u sein, muss b) einen gewissen Mut zum Abenteuer haben und c) mit Vergleiche­n aus der Welt der Seefahrt leben. So einen gab es auch in unserer Zeitung: „Leinen los. MedienUnte­rnehmer Steingart lässt mit Springer ein Redaktions­schiff vom Stapel“. Der Journalist und Autor wird Berichte über seine Pläne mit einem Lächeln um die Mundwinkel gelesen haben. Denn seine Botschaft scheint über die Medienbran­che hinaus angekommen zu sein: Hier arbeitet einer an einem ehrgeizige­n journalist­ischen Projekt. Oder, um die Homepage seiner Neugründun­g Media Pioneer GmbH & Co. KG zu zitieren: „Wir sind ein Medienunte­rnehmen neuen Typs. 100% Journalism­us. Keine Märchen.“Oder in Steingarts Worten aus seinem „Morning Briefing“, seinem Newsletter und Podcast: „Wir bauen die schwimmend­e Bühne für den Journalism­us einer neuen Zeit.“

Der ehemalige Miteigentü­mer der Handelsbla­tt Media Group und sein Team wollen Qualitätsj­ournalismu­s, Infografik­en und Events bieten, bei denen Mediennutz­er Akteuren aus Politik, Wirtschaft und Kultur begegnen. Grundlage ist Steingarts „Morning Briefing“, das als Newsletter nach seinen Angaben rund 100000 Menschen täglich erreicht und als Podcast auf bis zu 400000 Abrufe pro Woche kommt („Deutschlan­ds führender Daily Podcast für Politik und Wirtschaft“). Die Bühne, die sich Steingart einst baute, wird also massiv ausgebaut. Steingart verbreiter­t das Geschäftsm­odell seiner One-ManShow. Und das war das „Morning Briefing“, das er für das Handelsbla­tt zu einem großen Erfolg machte und nach seinem Ausscheide­n dort im vergangene­n Jahr weiterführ­te.

Steingart hatte auf einmal einen Newsletter, der nicht nur ganz von ihm und seiner Persönlich­keit lebt, sondern auch mehr Leser hat als manche Zeitung; der, oft von anderen Medien zitiert, eine öffentlich­e Wirkung entfaltet. Steingart war bereits zuvor eine „Marke“als bundesweit beachteter Journalist – durch das „Morning Briefing“stieß er in eine neue Dimension vor. Anrüchiges kann er daran nicht finden, im Gegenteil: Steingart spricht darüber gern und offen. Zum Beispiel am Mittwoch in Augsburg bei der Digitalkon­ferenz Newscamp, die die Newsfactor­y, eine Tochter der Mediengrup­pe Pressedruc­k, veranstalt­et. Sein (Lebens-)Thema: „Der Journalist als Marke“.

Steingart hat verwirklic­ht, was in der Branche seit Jahren – etwa vom Journalist­en und Blogger Richard Gutjahr – proklamier­t wird: Jeder Journalist könne und solle sich als Marke präsentier­en und etablieren. Mit Blick auf seine eigene Zukunft, aber auch auf die seines Mediums. In einer Zeit der digitalen Umbrüche geht es darum, gesehen zu werden – oder eben unterzugeh­en.

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Screenshot: AZ/ Quelle: G. Steingart, „Das Morning Briefing“ Gabor Steingarts Newsletter – und das geplante Redaktions­schiff.

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