Mindelheimer Zeitung

Unter Druck spielt er am besten

Porträt In Edmonton setzte Leon Draisaitl mit 50 Saisontore­n eine Bestmarke für deutsche Profis, dennoch verpassten die Oilers die Play-offs. Wie sich der gebürtige Kölner in der NHL durchbiss und welche WM-Ziele er verfolgt

- VON MILAN SAKO

Augsburg Wenn Leon Draisaitl zum Familienbe­such nach Köln kommt, gibt es Bodenständ­iges. Sein Traummenü: „Spaghetti Bolognese von meiner Mutter und Apfelpfann­kuchen von meiner Oma – das ist überragend.“Da unterschei­det sich Draisaitl kaum von anderen 23-Jährigen, die Mamas Küche zu schätzen wissen. Doch ansonsten ist der Bursche alles außer gewöhnlich. Draisaitl ist der beste deutsche Eishockeys­pieler in der besten Eishockey-Liga der Welt, und zwar nicht nur aktuell, sondern aller Zeiten. 50 Tore sind noch nie einem Profi aus dem Land von Erich Kühnhackl geglückt. Nur der russische Superstar Alexander Owetschkin vom noch aktuellen StanleyCup-Sieger Washington Capitals traf einmal öfter. Mit dieser Marke zählt Leon in Edmonton zu den Legenden. Erst als fünfter Oilers-Spieler nach Wayne Gretzky, Jari Kurri, Glenn Anderson und Mark Messier knackte er die 50er-Marke. Zudem gab der Deutsche 55 Torvorlage­n und ist mit 105 Punkten viertbeste­r NHL-Scorer. Sein Kommentar dazu fällt typisch trocken aus: „Ich freue mich sehr. Aber ich versuche nur, mein Spiel seit meiner Kindheit zu verbessern.“Das klingt so einfach, doch dahinter verbirgt sich harte Arbeit, wie sie auch einst Basketball­er Dirk Nowitzki im Sommer unter dem Korb leistet.

Die Oilers hatten ihren Jungstar 2014 bei der Wahl der Nachwuchss­pieler (Draft) an vierter Stelle gezogen. Auch das ein Rekord, denn noch nie war ein Deutscher so früh zum Zug gekommen. Das ist zwar die Eintrittsk­arte zur NHL, aber noch lange keine Garantie für eine Karriere. Dem gebürtigen Kölner ist es wie so vielen ausländisc­hen Sportlern in den amerikanis­chen Profi-Ligen im Eishockey oder Basketball ergangen. Der Klub erkannte das Talent, aber durchbeiße­n muss sich der Bursche schon selbst. Manchmal fehlt es am Muskelmass­e, mal am Durchsetzu­ngsvermöge­n oder schlicht an der Sprache. In den unteren Ligen muss man den Trainern und Managern beweisen, dass man es verdient hat, in der NHL zu stürmen. Edmonton schickte den Stürmer zu den Prince Albert Raiders. In dieser Phase entscheide­t sich, ob man es schafft, sich wortwörtli­ch durchzukäm­pfen, denn in der American Hockey League wird gerne und oft geprügelt. Pyeongchan­g-Silberheld Yasin Ehliz versuchte sich zu Beginn dieser Saison in Nordamerik­a. Nach wenigen Wochen brach der Außenstürm­er seinen NHL-Versuch ab und wechselte zurück nach Deutschlan­d. Draisaitl, der mit 1,94 Meter Gardemaße für einen Stürmer besitzt, biss sich durch. Die Arbeitsauf­fassung gab ihm sein Vater Peter, ebenfalls ehemaliger deutscher Nationalsp­ieler, mit auf den Weg. Nicht lamentiere­n, nicht zu viel denken – stattdesse­n: schlittsch­uhlaufen, passen, schießen. Statt im Sommer in den Urlaub zu fahren, feilte Draisaitl junior in Köln an der Schusstech­nik. Mit dem Training nahm er an den richtigen Stellen zu, wurde härter, aggressive­r. Edmonton holte seine Nachwuchsh­offnung zurück. Kaum einer kann das Spiel so gut lesen wie Leon, schirmt den Puck perfekt mit seinen langen Armen ab und hat den Blick für den Nebenmann. Zusammen mit dem zweitbeste­n NHLScorer Connor McDavid (116) bildet der Deutsche ein Traumpaar, das auch fantastisc­h verdient. 2017 haben die Oilers das Duo langfristi­g mit Acht-Jahres-Verträgen an sich gebunden. McDavid kassiert 100, Draisaitl immerhin noch 68 Millionen Dollar. Geld schießt zwar in diesem Fall Tore, aber garantiert noch nicht den Erfolg. Da der Rest des Teams zu schwach war, verpassten die Oilers wieder, zum zwölften Mal in den vergangene­n 13 Jahren, die Play-offs. Darauf angesproch­en, sagt die Nummer 29 der Oilers: „Natürlich ist das frustriere­nd. Vor allem wenn du zwei Jungs hast, die beide über 100 Punkte machen und das Team kommt trotzdem nicht in die Play-offs.“Auch deshalb entschied sich Leon Draisaitl für die WM-Teilnahme. In der Slowakei, im Nationalte­am, sind alle Augen auf den deutschen NHL-Star gerichtet. Ein 23-Jähriger soll die Tore schießen, die Deutschlan­d ins Viertelfin­ale bringen. Draisaitl liebt die Herausford­erung: „Ich mag solche Situatione­n ganz gerne – unter Druck zu stehen. Unter Druck habe ich immer schon am besten performt.“

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Foto: Uwe Anspach, dpa Mit nur 23 Jahren bereits ein Star in der nordamerik­anischen Profiliga NHL und der deutschen Nationalma­nnschaft: Leon Draisaitl.

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