Mindelheimer Zeitung

Selbstbewu­sst, aber demütig

Eishockey Am Samstag beginnt für die Nationalma­nnschaft mit dem Spiel gegen Großbritan­nien die WM. Trotz der 2:5-Niederlage im Test gegen die USA herrscht bei den Allgäuern Zuversicht

- VON THOMAS WEISS

Mannheim/Kempten Die ohnehin schon lange Eishockey-Saison geht am Wochenende mit dem Beginn der Weltmeiste­rschaft in eine spannende Verlängeru­ng. Nach der 2:5-Testspiel-Niederlage der deutschen Nationalma­nnschaft gegen Amerika haben wir die Allgäuer Aspekte herausgear­beitet:

● Eisenschmi­d voller Vorfreude Es waren gemischte Gefühle, über die der einzige Allgäuer Nationalsp­ieler Markus Eisenschmi­d in den Katakomben der Mannheimer SAP-Arena nach der Niederlage gegen Amerika sprach. Klar, den Führungstr­effer gegen die Eishockey-Großmacht USA zu erzielen, noch dazu in seinem zweiten „Wohnzimmer“und vor seinen Mannheimer Fans, sei ein „großer emotionale­r Moment“für ihn gewesen. Aber so richtig freuen durfte er sich ja nicht. Denn es wurde ein 2:5 einer neu zusammenge­würfelten Mannschaft, die ihr erstes und gleichzeit­ig letztes Testspiel vor der WM bestritt. Und vor sich die Reise ins Ungewisse. Am Mittwochmo­rgen ging die Reise los ins slowakisch­e Kosice, wo alle Vorrundens­piele der Deutschen stattfinde­n werden.

Der 24-jährige Eisenschmi­d kehrte dennoch das Positive nach vorne: „Wichtig war, dass wir im Angriff Ideen hatten, dass wir Chancen kreiert haben und dass wir früh zwei Tore gemacht haben. Am Rest können wir arbeiten.“Der frisch gebackene Meister der Adler Mannheim blickt voller Vorfreude auf die WM. „Wir müssen von Anfang an konzentrie­rt sein und dürfen die Briten nicht unterschät­zen.“Er selbst war dabei, als die DEB-Auswahl nach dem überrasche­nden Erfolg bei Olympia im letzten Jahr mit einer Niederlage gegen die vermeintli­ch schwächere­n Dänen ins WM-Turnier gestartet ist. „Das darf uns nicht noch mal passieren“, sagt Eisenschmi­d. „Unser Ziel ist es, so lange wie möglich im Turnier zu bleiben.“

● Greiss sagt ab, Endras bleibt unberücksi­chtigt Nicht in der Slowakei dabei ist der Füssener Thomas Greiss. Der 33-jährige Torhüter war am vergangene­n Freitag mit den New York Islanders aus den Playoffs um den Stanley Cup ausgeschie­den und unterricht­ete bereits am Wochenende die DEB-Führung, dass er wegen einer Schulterve­rletzung nicht zur WM kommen könne. Bundestrai­ner Toni Söderholm nahm es nüchtern zur Kenntnis: „Natürlich möchte ich grundsätzl­ich immer die allerbeste­n Spieler in meiner Mannschaft haben. Aber wie lange können wir jetzt traurig darüber sein, dass ein Spieler nicht dabei ist“, fragte er rhetorisch und gab sich gleich selbst die Antwort: „Wir müssen nach vorne schauen.“

Als Ersatz käme jetzt lediglich der Rosenheime­r Philipp Grubauer (27) infrage. Doch der stehe mit den Colorado Avalanche gerade vor dem siebten und entscheide­nden Playoff-Spiel. Kein Thema mehr war die Nicht-Berücksich­tigung des Sonthofers Dennis Endras (33), der maßgeblich­en Erfolg am deutschen Meistertit­el der Mannheimer Adler hatte.

Nicht einmal die Journalist­en aus Mannheim wollten Söderholm danach fragen. Zu oft wurde hinter vorgehalte­ner Hand schon davon gesprochen, dass Endras seinen Zenit inzwischen überschrit­ten habe – und Söderholm mit Mathias Niederberg­er (26/Düsseldorf), Niklas Treutle (28/Nürnberg) und Dustin Strahlmeie­r (26/Schwenning­en) lieber auf jüngere, aber doch „ähnlich gute“Torhüter zurückgrei­fe. Endras bekommt übrigens auch in Mannheim in der neuen Saison jüngere Konkurrenz: Die Adler verpflicht­eten den dreimalige­n Champions-League-Sieger und Weltmeiste­r von 2013, den Schweden Johan Gustafsson, vom Meister Frölunda HC.

● Schaidnage­l spricht vom „Dämpfer zur rechten Zeit“Ähnlich wie Stürmer Markus Eisenschmi­d war auch Stefan Schaidnage­l, der Sportdirek­tor des Deutschen Eishockey-Bundes, hin- und hergerisse­n. Die Niederlage habe vielleicht eine heilsame Wirkung, so der 38-jährige Sonthofer, „Wir haben mit den USA bewusst einen hochkaräti­gen Gegner ausgewählt.“Sein Team habe zwar anfangs gut mitgespiel­t, „aber so abgezockte Teams wie die USA zeigen dir dann schon noch mal, was Weltniveau wirklich bedeutet.“Ein Sieg im letzten Test hätte die Brust von so manchem Spieler vielleicht zu breit werden lassen: „So wissen wir wenigstens, was wir noch zu tun haben.“Gleichwohl könne Deutschlan­d mit viel Selbstbewu­sstsein in die Slowakei fahren. „Wir hatten eine tolle Vorbereitu­ng, wir haben eine junge und starke Mannschaft, die Eishockey spielen kann. Die Betonung liegt auf spielen.“

Zu den Zielen bei der WM äußerte sich Schaidnage­l verhalten: „Wir fahren dorthin und wollen erst mal nur das erste Spiel gegen Großbritan­nien gewinnen. Alles Weitere kommt nach und nach.“In der Vorrunden-Gruppe A geht es danach gegen Dänemark, Frankreich, Gastgeber Slowakei, die USA und Finnland. Nur die ersten Vier erreichen das Viertelfin­ale. Ein Traum für Schaidnage­l wäre die frühzeitig­e Qualifikat­ion für die Olympische­n Spiele 2022 in Peking. Das werde aber über ein aufwendige­s Punktesyst­em errechnet – und erst im Laufe der WM ein Thema. Fakt ist: Eine Platzierun­g unter den Top 8 wäre die halbe Miete für das Ticket Richtung China.

● Der Sportdirek­tor zieht ein erstes positives Fazit Schaidnage­l kam 2015 als Bundestrai­ner für Ausbildung und Wissenscha­ft zum DEB, stieg im Sommer 2017 zum Sportdirek­tor auf und wurde im Januar 2019 mit der Generalver­antwortung des kompletten Verbandes betraut. Hinter Präsident Franz Reindl, der mit großer Wahrschein­lichkeit seinen Hut um die Präsidents­chaft beim Weltverban­d in den Ring wirft, ist Schaidnage­l der starke Mann im Verband. Er gibt nicht nur die sportliche Richtung vor, sondern hat als Generalsek­retär auch alle administra­tiven Aufgaben in der DEB-Zentrale in München im Auge und muss den Verband für die Zukunft weiterentw­ickeln. Der Oberallgäu­er zieht eine erste positive Zwischenbi­lanz. „Wir sind auf einem guten Weg. Die U18 und die U20 sind aufgestieg­en. Und mit dem Konzept Powerplay 2026 hat unsere Philosophi­e auch einen Namen.“

Den Olympia-Erfolg von 2018 sieht Schaidnage­l mehr als Motivation denn als Bürde: „Nachhaltig­keit definiert sich für mich durch die Aneinander­reihung von Erfolgen. Klar wollen wir irgendwann so ein schönes Ereignis wiederhole­n. Aber dafür muss der Reformkurs weitergehe­n“, fordert Schaidnage­l.

● Hörmann denkt über WM-Besuch nach Beim Thema Reform kommt Schaidnage­l unweigerli­ch auf DOSB-Präsident Alfons Hörmann zu sprechen. Der 58-jährige Sulzberger stattete der Nationalma­nnschaft am Dienstag einen Besuch in Mannheim ab. Er drücke dem Team von Toni Söderholm die Daumen, dass es fürs Viertelfin­ale reicht. Eventuell werde er sich ein WMSpiel auch vor Ort ansehen.

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Foto: Jan Huebner Der ehemalige ESVK-Spieler Markus Eisenschmi­d erzielte im Testspiel gegen die USA die 1:0-Führung für Deutschlan­d.

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