Selbstbewusst, aber demütig
Eishockey Am Samstag beginnt für die Nationalmannschaft mit dem Spiel gegen Großbritannien die WM. Trotz der 2:5-Niederlage im Test gegen die USA herrscht bei den Allgäuern Zuversicht
Mannheim/Kempten Die ohnehin schon lange Eishockey-Saison geht am Wochenende mit dem Beginn der Weltmeisterschaft in eine spannende Verlängerung. Nach der 2:5-Testspiel-Niederlage der deutschen Nationalmannschaft gegen Amerika haben wir die Allgäuer Aspekte herausgearbeitet:
● Eisenschmid voller Vorfreude Es waren gemischte Gefühle, über die der einzige Allgäuer Nationalspieler Markus Eisenschmid in den Katakomben der Mannheimer SAP-Arena nach der Niederlage gegen Amerika sprach. Klar, den Führungstreffer gegen die Eishockey-Großmacht USA zu erzielen, noch dazu in seinem zweiten „Wohnzimmer“und vor seinen Mannheimer Fans, sei ein „großer emotionaler Moment“für ihn gewesen. Aber so richtig freuen durfte er sich ja nicht. Denn es wurde ein 2:5 einer neu zusammengewürfelten Mannschaft, die ihr erstes und gleichzeitig letztes Testspiel vor der WM bestritt. Und vor sich die Reise ins Ungewisse. Am Mittwochmorgen ging die Reise los ins slowakische Kosice, wo alle Vorrundenspiele der Deutschen stattfinden werden.
Der 24-jährige Eisenschmid kehrte dennoch das Positive nach vorne: „Wichtig war, dass wir im Angriff Ideen hatten, dass wir Chancen kreiert haben und dass wir früh zwei Tore gemacht haben. Am Rest können wir arbeiten.“Der frisch gebackene Meister der Adler Mannheim blickt voller Vorfreude auf die WM. „Wir müssen von Anfang an konzentriert sein und dürfen die Briten nicht unterschätzen.“Er selbst war dabei, als die DEB-Auswahl nach dem überraschenden Erfolg bei Olympia im letzten Jahr mit einer Niederlage gegen die vermeintlich schwächeren Dänen ins WM-Turnier gestartet ist. „Das darf uns nicht noch mal passieren“, sagt Eisenschmid. „Unser Ziel ist es, so lange wie möglich im Turnier zu bleiben.“
● Greiss sagt ab, Endras bleibt unberücksichtigt Nicht in der Slowakei dabei ist der Füssener Thomas Greiss. Der 33-jährige Torhüter war am vergangenen Freitag mit den New York Islanders aus den Playoffs um den Stanley Cup ausgeschieden und unterrichtete bereits am Wochenende die DEB-Führung, dass er wegen einer Schulterverletzung nicht zur WM kommen könne. Bundestrainer Toni Söderholm nahm es nüchtern zur Kenntnis: „Natürlich möchte ich grundsätzlich immer die allerbesten Spieler in meiner Mannschaft haben. Aber wie lange können wir jetzt traurig darüber sein, dass ein Spieler nicht dabei ist“, fragte er rhetorisch und gab sich gleich selbst die Antwort: „Wir müssen nach vorne schauen.“
Als Ersatz käme jetzt lediglich der Rosenheimer Philipp Grubauer (27) infrage. Doch der stehe mit den Colorado Avalanche gerade vor dem siebten und entscheidenden Playoff-Spiel. Kein Thema mehr war die Nicht-Berücksichtigung des Sonthofers Dennis Endras (33), der maßgeblichen Erfolg am deutschen Meistertitel der Mannheimer Adler hatte.
Nicht einmal die Journalisten aus Mannheim wollten Söderholm danach fragen. Zu oft wurde hinter vorgehaltener Hand schon davon gesprochen, dass Endras seinen Zenit inzwischen überschritten habe – und Söderholm mit Mathias Niederberger (26/Düsseldorf), Niklas Treutle (28/Nürnberg) und Dustin Strahlmeier (26/Schwenningen) lieber auf jüngere, aber doch „ähnlich gute“Torhüter zurückgreife. Endras bekommt übrigens auch in Mannheim in der neuen Saison jüngere Konkurrenz: Die Adler verpflichteten den dreimaligen Champions-League-Sieger und Weltmeister von 2013, den Schweden Johan Gustafsson, vom Meister Frölunda HC.
● Schaidnagel spricht vom „Dämpfer zur rechten Zeit“Ähnlich wie Stürmer Markus Eisenschmid war auch Stefan Schaidnagel, der Sportdirektor des Deutschen Eishockey-Bundes, hin- und hergerissen. Die Niederlage habe vielleicht eine heilsame Wirkung, so der 38-jährige Sonthofer, „Wir haben mit den USA bewusst einen hochkarätigen Gegner ausgewählt.“Sein Team habe zwar anfangs gut mitgespielt, „aber so abgezockte Teams wie die USA zeigen dir dann schon noch mal, was Weltniveau wirklich bedeutet.“Ein Sieg im letzten Test hätte die Brust von so manchem Spieler vielleicht zu breit werden lassen: „So wissen wir wenigstens, was wir noch zu tun haben.“Gleichwohl könne Deutschland mit viel Selbstbewusstsein in die Slowakei fahren. „Wir hatten eine tolle Vorbereitung, wir haben eine junge und starke Mannschaft, die Eishockey spielen kann. Die Betonung liegt auf spielen.“
Zu den Zielen bei der WM äußerte sich Schaidnagel verhalten: „Wir fahren dorthin und wollen erst mal nur das erste Spiel gegen Großbritannien gewinnen. Alles Weitere kommt nach und nach.“In der Vorrunden-Gruppe A geht es danach gegen Dänemark, Frankreich, Gastgeber Slowakei, die USA und Finnland. Nur die ersten Vier erreichen das Viertelfinale. Ein Traum für Schaidnagel wäre die frühzeitige Qualifikation für die Olympischen Spiele 2022 in Peking. Das werde aber über ein aufwendiges Punktesystem errechnet – und erst im Laufe der WM ein Thema. Fakt ist: Eine Platzierung unter den Top 8 wäre die halbe Miete für das Ticket Richtung China.
● Der Sportdirektor zieht ein erstes positives Fazit Schaidnagel kam 2015 als Bundestrainer für Ausbildung und Wissenschaft zum DEB, stieg im Sommer 2017 zum Sportdirektor auf und wurde im Januar 2019 mit der Generalverantwortung des kompletten Verbandes betraut. Hinter Präsident Franz Reindl, der mit großer Wahrscheinlichkeit seinen Hut um die Präsidentschaft beim Weltverband in den Ring wirft, ist Schaidnagel der starke Mann im Verband. Er gibt nicht nur die sportliche Richtung vor, sondern hat als Generalsekretär auch alle administrativen Aufgaben in der DEB-Zentrale in München im Auge und muss den Verband für die Zukunft weiterentwickeln. Der Oberallgäuer zieht eine erste positive Zwischenbilanz. „Wir sind auf einem guten Weg. Die U18 und die U20 sind aufgestiegen. Und mit dem Konzept Powerplay 2026 hat unsere Philosophie auch einen Namen.“
Den Olympia-Erfolg von 2018 sieht Schaidnagel mehr als Motivation denn als Bürde: „Nachhaltigkeit definiert sich für mich durch die Aneinanderreihung von Erfolgen. Klar wollen wir irgendwann so ein schönes Ereignis wiederholen. Aber dafür muss der Reformkurs weitergehen“, fordert Schaidnagel.
● Hörmann denkt über WM-Besuch nach Beim Thema Reform kommt Schaidnagel unweigerlich auf DOSB-Präsident Alfons Hörmann zu sprechen. Der 58-jährige Sulzberger stattete der Nationalmannschaft am Dienstag einen Besuch in Mannheim ab. Er drücke dem Team von Toni Söderholm die Daumen, dass es fürs Viertelfinale reicht. Eventuell werde er sich ein WMSpiel auch vor Ort ansehen.