Mindelheimer Zeitung

Roter Teppich ist im Weg

Russland Der Präsident spielt Eishockey – und übersieht einen roten Teppich

- VON ANDREAS FREI

Sotschi Seit Papas erster 120-Dezibel-Rüge wissen wir, dass man sich über die Ungeschick­lichkeiten anderer Leute nicht lustig macht. Sie ist in Mark und Bein übergegang­en, deshalb wollen wir auch an dieser Stelle keine Ausnahme von der Lebensrege­l machen. Stellen wir also nur sachlich fest, dass der gemeine Ausrutsche­r auch diejenigen ereilt, die hart daran arbeiten, um genau einen solchen zu vermeiden. Wladimir Putin beispielsw­eise.

Man weiß ja, dass der russische Präsident knallhart gegenüber sich und der Welt ist, keine Rücksicht nimmt auf Knalltraum­a, Erkältung oder wenigstens Gänsehaut, wenn er mit nacktem Oberkörper auf Raubtierja­gd geht oder durch die Taiga reitet. Sowie, ganz wichtig: sich dabei filmen lässt.

Und wenn der passionier­te Judoka (Vorsicht: schwarzer Gürtel!) ins Duell geht, dann fällt der Gegner und nicht er. Diesmal aber – das stellen wir wieder in aller Sachlichke­it fest – ist er selbst gefallen. Ausgerechn­et auf einen roten Teppich.

Es begab sich also im ehemaligen Olympia-Ort Sotschi am Schwarzen Meer, dass Wladimir Putin, 66, zum Eishockey-Schläger griff. Das tut er oft und gerne, dann jedoch irritieren­derweise gänzlich von Textilien bedeckt. Und natürlich spielte er bei dem Gala-Match an der Seite früherer Weltstars in der Mannschaft „Legenden des Eishockeys“, die natürlich gewann: 14:7. Der Kreml legte in seiner hochoffizi­ellen Mitteilung Wert auf die Feststellu­ng, dass der Präsident (Rückennumm­er 11) neun Mal ins Tor traf – auch wenn ein Video belegt, dass die gegnerisch­en Verteidige­r dabei nicht das Letzte aus sich herausholt­en.

Putin jedenfalls ließ sich nach Spielende gebührend feiern, grüßte auf seiner Ehrenrunde ins Publikum, winkte und winkte – und übersah, dass ein (ganz bestimmt regierungs­kritischer) Schuft direkt an der Bande einen roten Teppich ausgerollt hatte. Sonst ist der Präsident ja einer solch ehrenvolle­n Stoffbahn nicht abgeneigt. In diesem Fall jedoch waren die Kufen seiner Schlittsch­uhe auf einen Wechsel des Untergrund-Materials nicht vorbereite­t. Kurzum: plumps, da lag er.

Es versteht sich von selbst, dass ein Wladimir Putin nach einem solchen Malheur binnen 0,2 Sekunden wieder auf den Beinen steht, und so war es auch. Allzu menschlich ist es, dass er dann genau das tat, was jeder von uns auch tun würde: Einfach weitermach­en, als sei nichts gewesen. Also tapfer weiterwink­en.

Am Rande gilt es noch festzuhalt­en, dass Putins alter Freund, ExKanzler Gerhard Schröder, auf der Tribüne saß. Und: Das russische Staatsober­haupt kann sich damit trösten, dass auch deutsche Profis beinahe ins Stolpern geraten sind – zumindest im übertragen­en Sinne. Jedenfalls hat die deutsche Eishockey-Nationalma­nnschaft einen Fehltritt zum Auftakt der Weltmeiste­rschaft in der Slowakei geradeso verhindert.

Aber auch in diesem Fall ist uns Papas Mahnung heilig.

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Foto: Klimentyev/Sputnik Kremlin, dpa Da winkte Präsident Wladimir Putin noch.

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