Mindelheimer Zeitung

„Vegan ist für Kleinkinde­r gefährlich“

Ernährung Wer keine tierischen Produkte zu sich nimmt, dem droht Vitamin-B12-Mangel. Das kann zu gravierend­en Schäden führen. Wozu Experten raten

- VON MARIA HEINRICH

Noch keine Milchzähne und nicht einmal fünf Kilogramm schwer – ein Mädchen aus Australien war mit anderthalb Jahren erst so weit entwickelt wie ein Baby im Alter von drei Monaten. Dieser Fall machte vor wenigen Tagen weltweit Schlagzeil­en. Denn das Mädchen litt unter den gravierend­en Entwicklun­gsstörunge­n, weil Mutter und Vater den Säugling streng vegan ernährt hatten. Den Eltern droht nun eine Haftstrafe, weil sie die Gesundheit des Kindes aufs Spiel gesetzt haben.

Wenn Eltern ihre Kleinkinde­r vegan ernähren, ohne sich über die Konsequenz­en zu informiere­n, sei das ein Risiko für die Gesundheit, erklärt der Augsburger Kinderarzt Martin Lang, Landesvors­itzender des Berufsverb­andes der Kinderund Jugendärzt­e. Seine Einschätzu­ng lautet: „Kinder können erhebliche Entwicklun­gsstörunge­n bekommen, besonders gefährlich ist das im Alter zwischen fünf und 21 Monaten“, sagt Lang. In dieser Zeit sollten Kleinkinde­r deshalb mindestens zweimal in der Woche Fisch oder Fleisch essen, damit sie ausreichen­d Nährstoffe aufnehmen können, empfiehlt er.

Besonders wichtig für die Entwicklun­g von Kindern sind laut Lang vor allem zwei Stoffe, die vor allem über Fisch und Fleisch aufgenomme­n werden können: Vitamin B12 benötigen Kinder für die Zellund Nervenentw­icklung. Eisen ist notwendig für den Aufbau der Körperund Blutzellen. „Gibt es nicht genug Blutzellen, kann es zu einer Blutarmut kommen. Dann wird das Gehirn in dieser wichtigen Entwicklun­gsphase nicht genügend mit Sauerstoff versorgt.“Das könne etwa dazu führen, dass Kinder, wenn sie älter sind, schlechter sprechen und sich beim Lernen schwertun.

Problemati­sch ist vor allem, dass der Nährstoffm­angel später nicht mehr wettgemach­t werden könne. Deshalb rät Lang Eltern, die darauf bestehen, ihre Kinder vegan zu ernähren, regelmäßig den Eisen- und Blutspiege­l ihres Kindes testen zu lassen. „Die meisten Mütter und Väter lenken ein, wenn ich ihnen von den Risiken erzähle. Nur wenige Eltern sind so extrem und halten an ihrer strikten Ernährung fest.“Ab und zu habe auch er in seiner Praxis Notfälle und Kinder mit Mangelersc­heinungen. „Dabei gibt es durchaus Präparate, die man begleitend einnehmen kann. Doch sie müssen richtig dosiert werden, das ist ganz wichtig.“

Dieser Einschätzu­ng schließt sich auch Ernährungs­expertin Susanne Moritz, Fachberate­rin für Lebensmitt­el und Ernährung der Verbrauche­rzentrale Bayern an. „Wir empfehlen eine vegane Ernährungs­weise für diese Altersgrup­pen nicht.“ Denn: Nach Auskunft der Deutschen Gesellscha­ft für Ernährung sei eine vegane Ernährung im gesamten Kindes- und Jugendalte­r nicht geeignet, um den Nährstoffb­edarf ausreichen­d zu decken. Das gelte genauso für Schwangers­chaft und Stillzeit.

Viele Mütter, die sich während ihrer Schwangers­chaft vegan ernähren, leiden oft selbst an einem Nährstoffu­nd Eisenmange­l, stellt Kinderarzt Martin Lang fest. „Sie geben dem Baby von Anfang diese Mängel mit. Und auch während der Stillzeit reichen die wichtigen Stoffe nicht für Mutter und Kind.“Auch Eltern, die sich vegetarisc­h ernähren, sieht Kinderarzt Lang in der Verantwort­ung. „Aber sie sind oft nicht so extrem wie Veganer und geben ihren Kindern bereitwill­iger Fisch und Fleisch. Denn das ist einfach wichtig für eine gesunde Entwicklun­g.“

Dabei ist es für Lang durchaus positiv, dass immer mehr Menschen in Deutschlan­d regelmäßig auf Fleisch verzichten. „Aber viele neigen dann zum Extremen und nehmen gesundheit­liche Probleme in Kauf.“Das sieht Ernährungs­expertin Susanne Moritz ähnlich. „Wer seine Kinder trotzdem vegan ernähren möchte, sollte sich besonders gut informiere­n und seinen Kinderarzt informiere­n.“

Auch die Gabe von Nahrungser­gänzungsmi­tteln für Veganer dürfe nur in Absprache mit dem Kinderarzt erfolgen. „Wenn die Kinder zwei Jahre alt sind, können die Eltern durchaus auf vegane Ernährung umstellen. Aber nur, wenn das profession­ell und in Begleitung mit einem Experten oder einem Ernährungs­ratgeber geschieht“, resümiert Lang.

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Foto: Maja Hitij, dpa Vegan lebende Menschen meiden Nahrungsmi­ttel tierischen Ursprungs – also beispielsw­eise auch Milch oder Eier (auf dem Foto ist Quinoa zu sehen, eine Samenart, die viel Eiweiß enthält).

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