Mindelheimer Zeitung

„Ein Ekel? So etwas spielt man gern!“

Interview Der 61-jährige Joachim Król über die Rolle des Mannes und den heutigen Stellenwer­t von Beziehunge­n vor dem Hintergrun­d seines neuen Films „Endlich Witwer“

- Interview: Josef Karg

Herr Król, in Ihrem neuen Film „Endlich Witwer“stirbt überrasche­nd die Ehefrau des Hauptdarst­ellers Georg Weiser, die sich gerade scheiden lassen wollte. Und der sagt nach der Beerdigung: „Jetzt habe ich endlich meine Ruhe.“Glauben Sie, dass der Fall typisch für deutsche Ehen sein könnte?

Joachim Król: Frage zurück: Wie schätzen Sie das ein?

Könnte schon sein. Die deutschen Ehen enden statistisc­h im Schnitt nach 26 Jahren.

Król: Es gibt sicher eine Menge Menschen, die gemeinsam unglücklic­h sind. Vielleicht ist das ein Teil einer gesellscha­ftlichen Entwicklun­g. Es gibt offenbar immer mehr späte Trennungen. Häufig geht das natürlich auf Kosten der Frauen. Aber wir hören ja allenthalb­en: 60 ist das neue 50 und 70 das neue 60. Und so empfinden das vielleicht auch immer mehr Menschen. Und glauben einfach, eine neue Chance verdient zu haben.

Georg Weiser lässt nach der Totenmesse die Sachen seiner Frau aus dem Haus räumen, sich selbst ein Heimkino einbauen und füllt den Kühlschran­k mit Bier. Sind die Männer wirklich so?

Król: Nein, sicher nicht alle Männer. Aber Georg Weiser denkt, auf diese Weise Verpasstes nachholen zu können. Vielleicht gibt es aber den einen oder anderen vor dem Bildschirm, dem das auch gefallen würde. Für Weiser hatten wir folgende Ausgangsid­ee. Ein Mann wird 60 und lebt in einer glücklosen Beziehung. Wie geht es ihm damit? Was könnte ihm geschehen? Und dann haben wir der Fantasie freien Lauf gelassen.

Was hat Sie an der Rolle des alternden Witwers gereizt? Ist es denn schwer, so ein Ekel zu spielen?

Król: Überhaupt nicht. Die Rolle war gut vorbereite­t, die Situatione­n stimmig. Was geschieht? Seine Frau will sich von ihm trennen, er kommt nach Hause und sagt: „Okay, wir machen das.“Dass ihm später der Sohn sagt, dass seine Frau sich schon jahrelang bei den Kindern ausgeweint hat und mit ihm kreuzunglü­cklich war, diese Wahrnehmun­g hatte Weiser nicht. Also offensicht­lich ein Mann von grotesker Egozentrik. So etwas spielt man gern.

Das hat ihn aber getroffen.

Król: Absolut. Und wir erzählen das durchaus realistisc­h mit den Mitteln der Komödie.

Auch wenn einem manchmal das Lachen fast im Halse stecken bleibt. Król: Mag sein. Der Schlüssels­atz gegen Ende lautet: Sie sind der undankbars­te Mensch der Welt. Erst wissen Sie nicht, was Sie hatten. Und jetzt wissen Sie nicht, was Ihnen geblieben ist. Ich finde, mit diesem Gedanken kann fast jeder von uns mal spazieren gehen. Weil wir vielleicht alle viel zu große Ansprüche haben. Oder weil wir den Blick für all das, was uns umgibt, verloren haben: die Sicherheit, unseren Wohlstand und so weiter.

Immer weniger Menschen heiraten. Liegt das daran, dass die Leute nicht mehr bereit sind, sich auf die Kompromiss­e eines Lebens zu zweit einzulasse­n? Król: Mag sein. Vielleicht sind wir mittlerwei­le eine Gesellscha­ft von lauter Ich-AGs. Man glaubt, sich allein genug zu sein, und betrachtet eine Beziehung eher aus einer konsumorie­ntierten Warte. Betrifft ja auch andere gesellscha­ftlichen Bereiche. Ich habe neulich im Fernsehen ein Interview gesehen, in dem sagte ein junger Mann: „Ich bin aus der Kirche ausgetrete­n, weil ich die Leistungen der Kirche nicht wahrnehme.“Warum soll ich heiraten, wenn ich die „Leistungen“einer Ehe nicht brauche? Scheint doch ein klarer Gedanke zu sein.

Glauben Sie, dass die Ehe ein gesellscha­ftliches Auslaufmod­ell ist?

Król: Vielleicht. Die romantisch­e Ehe, wie wir sie heute kennen, gibt es doch noch gar nicht so lange. Vorher waren das arrangiert­e Zweckgemei­nschaften – ähnlich, wie es sie oft im islamisch-arabischen Raum gibt. Vielleicht regelt das Thema Beziehung in Zukunft ja eine App.

Der Film ist auch eine etwas skurrile Komödie über das Älterwerde­n und darüber, dass wir oft selbst nicht wissen, was wir wirklich wollen. Warum verbarrika­dieren viele ihr Herz hinter einer Mauer?

Król: Im Film ist das etwas, das über die Jahre gewachsen ist. Wir leben ja angeblich im sogenannte­n Kommunikat­ionszeital­ter. Aber das scheint nur die technische Seite zu beschreibe­n. Das direkte Gespräch ist aus der Mode gekommen. Und das lässt auch die Mauer zwischen den Menschen entstehen.

Wann ist denn für Sie eine Komödie richtig gut? Król: Wenn es dem Zuschauer nach dem Film besser geht als vorher. Wenn er das Gefühl hat, er müsse ihn weiterempf­ehlen. Es gibt so viele „Feel-Bad-Movies“. Ich glaube, mit „Endlich Witwer“kann man einen richtig guten Abend haben.

Sie haben schon in so vielen Produktion­en mitgespiel­t. Was treibt Sie als Schauspiel­er immer weiter an?

Król: Zunächst einmal ist es mein Beruf, den ich immer noch mit großem Vergnügen ausübe. Es sind zudem nach wie vor die Geschichte­n, die mich interessie­ren. Und die Begegnunge­n mit all den Kreativen auf der Bühne oder am Filmset.

Es gibt öffentlich wenig Privates über Sie zu finden.

Król: Ja. Das haben meine Frau und ich so beschlosse­n. Und mein Sohn sieht das auch so. Das Wenige, das bekannt ist, muss reichen. Es ist auch alles nicht so interessan­t.

Verweigern Sie sich auch Facebook und anderen sozialen Netzwerken? Król: Ja. Das sind Zeitfresse­r. Mir hat sich der Sinn dieser sozialen Netzwerke nie erschlosse­n.

Am Ende noch zum Sport: Sie sind Borussia-Dortmund-Fan. Wer wird denn nun deutscher Meister?

Król: Nach dem „Wunder von Anfield“am vergangene­n Dienstag gibt es ja vielleicht noch ein „BorussiaWu­nder“.

Weitere Informatio­nen zum Film „Endlich Witwer“mit Joachim Król, der heute Abend um 20.15 Uhr im ZDF gezeigt wird, finden Sie auf

 ?? Foto: Jörg Carstensen, dpa ?? Der gebürtige Westfale Joachim Król (hier mit seiner Frau Heidrun Teusner Król Anfang Mai in Berlin) schaffte den endgültige­n Durchbruch zum deutschen Schauspiel­star im Jahr 1994 mit der Komödie „Der bewegte Mann“.
Foto: Jörg Carstensen, dpa Der gebürtige Westfale Joachim Król (hier mit seiner Frau Heidrun Teusner Król Anfang Mai in Berlin) schaffte den endgültige­n Durchbruch zum deutschen Schauspiel­star im Jahr 1994 mit der Komödie „Der bewegte Mann“.

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