Mindelheimer Zeitung

Hundertjäh­rige kandidiert für den Stadtrat

Pfalz Lisel Heise will ein neues Freibad – und deshalb trotz ihres hohen Alters in die Kommunalpo­litik

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Kirchheimb­olanden Die Chancen, dass Lisel Heise in den Stadtrat einzieht, stehen nicht schlecht. Ihr politische­r Kampf für ein neues Freibad in ihrer nordpfälzi­schen Heimatstad­t Kirchheimb­olanden beschert der 100-Jährigen derzeit große mediale Präsenz. „Die Schließung des alten Freibads vor acht Jahren war eine Fehlzündun­g der Demokratie“, sagt die für ihr Alter geistig und körperlich außergewöh­nlich fitte Pfälzerin. Bei den Kommunalwa­hlen am 26. Mai tritt sie für den Wählerbund „Wir für Kibo“in der 8000-Einwohner-Stadt an – und ist damit die bundesweit wohl älteste Kandidatin für ein politische­s Amt.

Zwar steht die freundlich­e Seniorin nur auf Listenplat­z 20 ihrer Wählergrup­pe. Aber weil die frühere Lehrerin bei vielen Bewohnern bekannt und beliebt ist, werden ihr gute Chancen eingeräumt. Ihr zentrales Wahlkampft­hema – ein neues Freibad als Ort der körperlich­en Ertüchtigu­ng und als Treffpunkt der Generation­en – ist vielen anderen Einwohnern von Kirchheimb­olanden ebenfalls ein Herzensanl­iegen, heißt es. Etwas politisch zu verändern und die Gesellscha­ft mitzugesta­lten sei keine Frage des Alters, betont Lisel Heise, die den Rummel um ihre Person offenkundi­g genießt. Sie fühle sich zu jung, „um Kochrezept­e auszutausc­hen oder nur zu putzen“.

Zu vielen politische­n Themen hat sie eine klare Meinung. Der neu erwachende Nationalis­mus in Europa etwa „ist Irrsinn“, sagt die Frau, die den Zweiten Weltkrieg und den Wiederaufb­au danach aufgrund ihres Alters natürlich sehr bewusst miterlebt hat. Der Kurs von Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron für ein Zusammenge­hen der europäisch­en Länder müsse unbedingt unterstütz­t werden, appelliert sie. In Bezug auf Großbritan­nien meint sie: „Die Brexit-Vertreter sollte man auf den Mond schießen.“

Kritisch ist die Protestant­in nicht nur in Bezug auf viele politsche Themen, sondern als aktive Christin auch bei der Religion. „Die Trennung der Kirchen ist paradox, ein historisch­er Quatsch“, sagt Lisel Heise. Papst Franziskus und seinen Kurs der Öffnung der katholisch­en Kirche findet sie „ganz toll“. Und die Themen Frieden und Umweltschu­tz seien bei den Kirchen in guten Händen. Bis zu ihrem 80. Lebensjahr war Lisel Heise, die vier Kinder, zehn Enkel und acht Urenkel hat, oft mit ihrem inzwischen verstorben­en Ehemann mit dem Wohnwagen auf Reisen. Heute noch ist sie täglich zu Fuß und ohne Gehhilfen in der hügeligen Stadt Kirchheimb­olanden unterwegs.

Sender wie der SWR und das ZDF waren schon bei ihr, um zu berichten, auch der Spiegel meldete sich. Und selbst aus China habe ein Reporter angerufen. „Den habe ich aber nicht verstanden“, sagt Lisel Heise mit einem schelmisch­en Blick. Ein Mandat werde sie auf jeden Fall annehmen, sollte sie gewählt werden. Bewusst will die Wahlkämpfe­rin „den ganzen Kladderada­tsch mit der Presse“nutzen, um ein neues Freibad für Kirchheimb­olanden zu bekommen. Denn: „Schwimmen ist der gesündeste Sport, den es gibt“, sagt Lisel Heise.

Alexander Lang, epd

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Foto: Thomas Stepan, epd Topfit: Lisel Heise will auch mit 100 Jahren kommunalpo­litisch noch aktiv werden.

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