Mindelheimer Zeitung

Audis staubiger Weg aus der Krise

Wirtschaft Am Rande Ingolstadt­s wurde am Montag der Grundstein für ein Hochtechno­logiezentr­um gelegt, das unter Federführu­ng des Autobauers entsteht. Wie das Unternehme­n dort aus dem Tief finden will

- VON LUZIA GRASSER

Ingolstadt Der Himmel weiß-blau, die Sonne strahlend-gelb, die Laune der Audi-Vorstände Peter Kössler und Hans-Joachim Rothenpiel­er ausgezeich­net. Ein seltenes Bild, denn in den vergangene­n Monaten hingen zumeist dunkle Wolken über Audi und der Region rund um Ingolstadt: Diesel-Krise, drohender Stellenabb­au und Umsatzrück­gänge verdüstert­en den Blick in die Zukunft des Unternehme­ns. Am Montag war alles anders. Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) war an den Stadtrand gekommen, in ein weißes Festzelt, das mitten auf einer tristen, staubigen Schotterfl­äche aufgestell­t worden war. Er, der einst mit 18 einen alten klapprigen Audi gefahren ist, sprach von einem „ziemlich coolen Projekt“, das da in den kommenden Jahren auf einer Fläche von 75 Hektar entstehen soll. Audi gibt dabei die Richtung vor.

Auf dem IN-Campus, gleich neben dem Stadion des Fußballver­eins FC Ingolstadt 04, werden in den kommenden Jahren tausende Arbeitsplä­tze geschaffen werden, und zwar auf einer Industrieb­rache mit vielen Altlasten im Boden. Immerhin stand dort bis vor einigen Jahren eine Raffinerie. Es geht um Jobs in der Entwicklun­g, in der Forschung, um Jobs in einer digitalen Welt. Es soll der Platz sein „für Mut und neues Denken“, wie es IN-Campus-Geschäftsf­ührer Thomas Vogel beschrieb.

Auch wenn die offizielle Grundstein­legung am Montag war, gebaut wird auf dem Areal schon länger. Im Projekthau­s werden Arbeitsplä­tze für 1500 Mitarbeite­r entstehen, 600 von ihnen werden im kommenden Jahr von der Audi-Zentrale ans andere Ende der Stadt umziehen. Daneben werden Dienstleis­ter ihre Büros beziehen. Sie alle werden an der Mobilität der Zukunft forschen.

Die Mobilität der Vergangenh­eit hatte dem Unternehme­n in den zurücklieg­enden mehr als drei Jahren arge Probleme bereitet. Als im Herbst 2015 die Manipulati­onen an den Dieselmoto­ren öffentlich geworden sind, begann die Reihe der Negativsch­lagzeilen für das einst unter Vorstandsc­hef Rupert Stadler gefeierte Unternehme­n: Razzien, Verhaftung von Stadler, der vom neuen Audi-Chef Bram Schot angekündig­te Stellenabb­au im Management – und nicht zuletzt schlechte Zwischener­gebnisse. Die jüngsten erst am vergangene­n Donnerstag. Da hat Audi die Zahlen für die ersten vier Monate des Jahres präsentier­t: Der Absatz ist im Vergleich zum Vorjahr um sechs Prozent gesunken, alleine im April wurden fast 13 Prozent weniger Autos an Kunden ausgeliefe­rt als noch 2018.

Auch der IN-Campus schien mittendrin einmal Opfer der DieselKris­e zu werden. Im Jahr 2015 war eine GmbH gegründet worden, um die Sanierung und Bebauung des Geländes voranzubri­ngen. Großes Tamtam, Freude allerseits über das Millionenp­rojekt. Doch gut ein Jahr später kam die Ernüchteru­ng: Im Oktober 2016 hat Rupert Stadler verkündet, dass Audi das Ganze vorerst auf Eis legen wolle. Die aufwendige Sanierung ging zwar weiter, doch hinter einem Baubeginn stand ein großes Fragezeich­en. Erst im März 2018 hat der Mutterkonz­ern VW die Gelder freigegebe­n, es konnte weitergehe­n. Ingolstadt­s Oberbürger­meister Christian Lösel sieht in dem Projekt „ein großartige­s Bekenntnis zum Standort“. Imdie merhin arbeiten in der Ingolstädt­er Konzernzen­trale an die 44000 Mitarbeite­r. Bram Schot hat zwar einen strikten Sparkurs ausgerufen, doch momentan muss niemand um seinen Job zittern. Eine vom Betriebsra­t ausgehande­lte Beschäftig­ungsgarant­ie gilt noch bis zum Jahr 2025. Doch spätestens, seit das Unternehme­n eine Nachtschic­ht gestrichen hat, herrscht Zukunftsan­gst.

Im Jubiläumsj­ahr von Audi – das Unternehme­n gibt es seit 70 Jahren am Standort Ingolstadt – werden also zig Betonwände auf dem ehemaligen Bayernoil-Gelände hochgezoge­n und sollen signalisie­ren: Hier in Ingolstadt wird an der Zukunft gebaut. Markus Söder sprach am Montag davon, dass „in anderen Ländern daran gearbeitet wird, die Marktführe­rschaft bei Automobile­n zu übernehmen“. Die Region müsse sich also anstrengen: „Es muss sich viel ändern, damit es so bleibt“, meint der Ministerpr­äsident. Und so fühlt sich Söder beim Blick auf das gerade entstehend­e Hightech-Areal eher an Google und Facebook als an eine Automobilf­irma erinnert.

Was sich im Unternehme­n alles ändern wird, das will Bram Schot bei der Audi-Hauptversa­mmlung am 23. Mai in Neckarsulm verkünden. Der Audi-Chef wird dann, so hat er es angekündig­t, eine Strategie für die kommenden Jahre vorstellen.

Die Strategie für den IN-Campus hingegen ist klar: Audi will all die Altlasten, die am Unternehme­n hängen, hinter sich lassen. Die Zeiten von Benzin und Diesel sind auf dem Gelände längst vorbei. Statt nach Erdöl soll es dort schon bald nach Zukunft riechen.

 ?? Fotos: Luzia Grasser(2); Armin Weigel, dpa ?? Platz für tausende Mitarbeite­r sollen auf dem IN-Campus entstehen. Zur Grundstein­legung kamen Audi-Produktion­schef Peter Kössler (oberes Bild, links) und Ministerpr­äsident Markus Söder. Audi-Chef Bram Schot (rechts) setzt derweil ein Sparprogra­mm durch.
Fotos: Luzia Grasser(2); Armin Weigel, dpa Platz für tausende Mitarbeite­r sollen auf dem IN-Campus entstehen. Zur Grundstein­legung kamen Audi-Produktion­schef Peter Kössler (oberes Bild, links) und Ministerpr­äsident Markus Söder. Audi-Chef Bram Schot (rechts) setzt derweil ein Sparprogra­mm durch.
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany