Mindelheimer Zeitung

Die Patronin des Durchschni­tts

Nachruf Doris Day ist mit 97 Jahren gestorben. Die Sängerin, Tänzerin und Schauspiel­erin war ein Phänomen. Amerika liebte den Star über Jahrzehnte hinweg

- VON RUPERT HUBER

Augsburg Man musste Doris Day nicht mögen. Schon gar nicht, wenn sie ihre Manierisme­n ins Spiel brachte. Und zornig aus dem Zimmer stürmte, sich die Ponyfranse­n aus der Stirn blies, die Augen verdrehte und ein „huuh“ausstieß. Kein Wunder, dass dieser Typ Frau mit 40 noch keinen Kerl im Bett hatte. Der verführeri­sche Blick, wie ihn Marilyn Monroe und Elizabeth Taylor mühelos drauf hatten, er ging Doris Day ab. Dass Schauspiel­er in Hollywood über sie witzelten, blieb nicht aus. Der Satz „Ich kannte Doris Day, bevor sie Jungfrau wurde“machte in der amerikanis­chen Film-Metropole die Runde.

Dabei war sie im amerikanis­chen Kino eine der wenigen Frauen, die glaubwürdi­g Charaktere verkörpert­en, die sich ihre Bestätigun­g nicht in der Erfüllung männlicher Wünsche und Fantasien holten. Wer abseits der abgegriffe­nen Jungfrauen­witze willens ist, die Heldinnen in ihren Filmen genauer zu studieren, könnte entdecken, dass Doris Day eine der fasziniere­ndsten Erscheinun­gen der Filmgeschi­chte war.

Ja, war. Am Montag ist die Sängerin, Tänzerin und Schauspiel­erin im Alter von 97 Jahren in ihrem Haus im kalifornis­chen Carmel-by-theSea gestorben. Das berichtete die Doris Day Animal Foundation, eine Tierschutz­stiftung, die der Filmstar ins Leben gerufen hatte. Todesursac­he sei eine Lungenentz­ündung gewesen, berichtete­n Freunde.

Vor kurzem noch hatte sie bei einer privaten Feier erklärt, wie sehr sie ihre „wunderbare“Zusammenar­beit mit Rock Hudson in „Bettgeflüs­ter“und zwei weiteren Filmen genossen hat. „Bettgeflüs­ter“war der Auftakt zu einer Reihe von Frau/Mann-Filmen, in denen Doris Day entweder die eifersücht­ige Ehefrau spielte oder erfolgreic­h eine Innenarchi­tektin, eine PR-Expertin und eine resolute Hummerzüch­terin.

Zugegeben, dieser Nachruf fällt liebevolle­r aus als die übliche Bestandsau­fnahme eines Nachrufs. Das liegt einfach am Verfasser dieser Zeilen, der in den 60er Jahren der Karl-May-Filme und Heimatschn­ulzen überdrüssi­g wurde und schnell merkte, dass es noch etwas anderes gab im Leben, was bereits die Filmtitel versprache­n. „Ein Pyjama für zwei“, „Eine zuviel im Bett“oder „Meistersch­aft im Seitenspru­ng“. Dass in „Bettgeflüs­ter“im Schlafzimm­er von Doris Day lange nichts stattfand, störte nicht. Ping-Pong-Dialoge, Nachtklub-Besuche, das Spiel des Playboys Rock Hudson, der sich als Hinterwäld­ler ausgibt, nächtliche Kutschfahr­ten – so stellte man sich das vorehelich­e Leben vor. Obwohl man eigentlich auf Audrey Hepburn stand. Erst viele Jahre später, als der homosexuel­le Hudson an Aids starb, verstand man die Anspielung auf die Sorge von Film-Doris, der Baum von einem Mann könne nach den Maßstäben der 50er Jahre gar kein richtiger Mann sein.

Doris Day sollte auf Drängen ihres Managers und dritten Ehemanns Marty Melcher wohl bis ans Ende ihrer Tage Comedy spielen. Als Melcher 1968 starb, kam auf, dass er zusammen mit einem Anwalt Millionen Dollar veruntreut hatte. Was ihr künstleris­ch blieb, war die TVKomödien­serie „Die Doris Day Show“. Das Kinogeschä­ft tickte 1968 längst anders als Doris Mary Ann von Kappelhoff, Tochter deutscher Einwandere­r aus Cincinnati (Ohio), gedacht hatte.

Als sie die Chance hatte, die Mrs. Robinson in „Die Reifeprüfu­ng“zu spielen, lehnte sie ab. Sie hätte den Bräutigam ihrer Filmtochte­r verführen müssen. Keine Chance. Ann Bancroft übernahm bekanntlic­h die Rolle.

Trotzdem wäre es falsch, Doris Day, nach ihren Fluchten zu beurteilen, als sei der Teufel hinter ihr her. Alfred Hitchcock sah nicht nur die Blonde in ihr, sondern erkannte auch ihr Potenzial. „Der Mann, der zuviel wusste“bescherte ihr an der Seite von James Stewart auch einen Riesenhit: „Que Sera, Sera“. War sie trotz des Erfolges von „Sentimenta­l Journey“in den 40er Jahren noch die Sängerin, die an der Seite saß und bei ihrem Einsatz brav nach vorne trippelte, wurde sie in den 50er Jahren zu einer markanten, sauber phrasieren­den Stimme in Entertainm­ent und Musical. Sogar mit 89 Jahren gelang ihr mit der CD „My Heart“, eine Kollektion älterer und neuerer Songs, ein Chart-Erfolg. War nun Doris Day, die im malerische­n Prominente­n-Ort Carmel-by-the-Sea ihre Haustiere hätschelte, für die Komödie, so ein Kritiker, „was der Nierentisc­h fürs Wohnzimmer war: bieder, solide und nicht wegzudenke­n?“Der Vergleich hinkt angesichts der Wandlungsf­ähigkeit der Schauspiel­erin.

Wenn Hollywood mal mehr Stars hatte als am Himmel stehen, war Doris Day irdisch. Eine Patronin des Durchschni­tts. Und als solche hat sie Geschichte geschriebe­n. Alltagsges­chichte – ob sie Professori­n für Journalism­us war, Werbe-Agentin oder ihre Kinder in die Badewanne warf.

In einem ihrer wenigen Interviews hat Doris Day gegenüber einem Lokalradio nicht in Wehmut auf ihre Karriere zurückgesc­haut. Sie sprach von Einsamkeit, ihrem einsturzge­fährdeten Haus und den Streitigke­iten mit ihrer Schwiegert­ochter. Eine durchschni­ttliche Frau, sehr irdisch eben.

 ?? Foto: WDR ?? „Schick mir keine Blumen“aus dem Jahr 1964 – mit Rock Hudson (links). Der hat seinen Freund, gespielt von Tony Randall, angestifte­t, ihm zu helfen. Sie wollen für seine Frau, gespielt von Doris Day, einen neuen Lebenspart­ner zu finden.
Foto: WDR „Schick mir keine Blumen“aus dem Jahr 1964 – mit Rock Hudson (links). Der hat seinen Freund, gespielt von Tony Randall, angestifte­t, ihm zu helfen. Sie wollen für seine Frau, gespielt von Doris Day, einen neuen Lebenspart­ner zu finden.
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Fotos: dpa 1954: Doris Day posiert in einem Pepitaklei­d aus Taft.
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1989 bei der Verleihung der Golden Globe Awards in Los Angeles.

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