Mindelheimer Zeitung

Die perfekte Welle kommt bestimmt

Frankreich Biarritz ist chic, cool und nicht nur ein Surfer-Paradies – das Hinterland noch immer ein Geheimtipp

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Die Küsten sind rau wie an der Ostsee und die Wellen spektakulä­r wie in Portugal, die Stadt Biarritz präsentier­t sich fast so glamourös wie Paris – viele Vergleiche drängen sich auf und doch ist der Südwesten Frankreich­s auf seine Weise einzigarti­g. Die Region les Landes gilt für ihre Naturschau­spiele als Geheimtipp, das Baskenland dank der Gastfreund­lichkeit und des guten Essens.

Bevor die Bootstour durch den „französisc­hen Amazonas“losgeht, erlaubt sich Ruderer Didier noch einen Scherz. „Keine Sorge – es gibt hier viel weniger Krokodile, seit die Haifische da sind!“Nachdem er seine Gäste auf diese Weise „beruhigt“oder zumindest auf seinen Humor eingestell­t hat, lässt er sie seine Barke besteigen, um sie durch den Weiher von Léon und über den Fluss Huchet zu schippern, vorbei an Mangroven, Reihern und Enten.

Eine solche Fahrt gehört zu den Highlights der Landes, jener Gegend im Südwesten Frankreich­s, die für ihre eindrucksv­olle Natur bekannt ist. Für die 106 Kilometer feinen, hellen Sandstrand, den wilden Atlantik und die Dünen, für ihre Seen, Flüsse und Pinien. Hier befindet sich das größte zusammenhä­ngende Waldgebiet Westeuropa­s, seit Napoleon III. im 19. Jahrhunder­t umfangreic­he Aufforstun­gen auf der einstigen Heidelands­chaft angeordnet hat. Dementspre­chend sind die Bäume relativ jung. Aber sie sind viele.

Die durch die Pflanzen fallende Sonne wirft Lichtspiel­e auf das Wasser, auf dem Libellen tanzen. Fasziniert­e Stille herrscht auf dem Huchet-Strom, unterbroch­en nur durch das sanfte Plätschern von Didiers Rudern. Und von seinen Erzählunge­n, über das Leben im Allgemeine­n und das seine im Besonderen, das sich sieben Monate im Jahr in den Landes abspielt: Jeden Tag rudert er von Frühjahr bis Herbst Besuchergr­uppen den Fluss entlang.

Die fünf kältesten Monate, wenn kaum Touristen kommen, reist er dann gemeinsam mit seiner Frau durch die Welt.

Er sei das Gegenteil der meisten Männer von hier, sagt der 61-Jährige, der vor 25 Jahren aus Paris in die Landes kam: „Ich bin Vegetarier und gegen die Jagd, ich mag kein Rugby und liebe Reisen.“Viele Menschen aus den Landes bleiben hingegen lieber in ihrer Heimat, der schönen Landschaft wegen und aus der Verbundenh­eit zu ihrer Kultur, zu der gute Weine und üppige Mahlzeiten gehören. Typisch für die Region sind Gänse- und Entengeric­hte, Stopfleber (Foie Gras), Fisch und Meeresfrüc­hte sowie Trüffel, nämlich die wertvolle PérigordTr­üffel.

Die Natur ist es auch, die viele Besucher in diese Region zieht. In Meeresnähe gibt es etliche Campingplä­tze. Überwiegen­d an der Küste entlang von der Bretagne bis nach Spanien führt auch der Radweg „Vélodyssée“. Alle Wasserspor­tarten werden an der Atlantikkü­ste angeboten. Wenn das Meer zu wild ist, eignen sich für einfachere Betätigung­en wie Stand-Up-Paddling auch Seen, vor allem der See von Biscarosse. An diesem Örtchen 80 Kilometer südlich von Bordeaux gelegen, springt Cédric Cetran seit seiner jüngsten Kindheit ins Wasser. Mit seiner Frau Dhélia wurde der 34-Jährige, der inzwischen eine Surfschule eröffnet hat, bereits dreimal Weltmeiste­r im Tandem-Wellenreit­en. Auf der ganzen Welt sei er schon Wellen geritten – Indonesien, Australien, Kalifornie­n. „Aber wenn die Verhältnis­se gut sind, ist es nirgends so schön wie hier. Es gibt tolle Wellen, weder Haie noch Riffe“, sagt er mit der für die Männer dieser Region typischen Heimatlieb­e.

Inzwischen machen Ortschafte­n in den Landes wie das kleine Hossegor anderen traditione­llen SurferPara­diesen wie Biarritz und Anglet diesen Ruf streitig. Sie mögen nur rund 30 Kilometer südlich gelegen sein, doch befinden sie sich im hügeligen französisc­hen Baskenland, das von den Pyrenäen umgeben und am Land durch weiße Häuser mit kräftig roten oder grünen Fensterläd­en geprägt ist. Vor allem im Hafenbad Biarritz vermengen sich traditione­ll sportliche und mondäne Atmosphäre. Es gibt nicht nur diverse Surfschule­n und Golfplätze, sondern auch ein berühmtes Casino. Hier eröffnete Coco Chanel im Jahr 1915, während anderswo der Erste Weltkrieg tobte, ihre erste Boutique.

Zum beliebten Bade- und Urlaubsort wurde Biarritz im 19. Jahrhunder­t dank Kaiserin Eugénie, die liebevolle Kindheitse­rinnerunge­n mit dem ehemaligen Fischerdor­f verband. Sie machte die Stadt zu ihrer Sommerresi­denz und lud Ihresgleic­hen ein: die Könige von Belgien und Portugal, Adlige aus Russland und Polen sowie englische Lords. Glamouröse Villen, oft im Art-Déco-Stil, zeugen von dieser Zeit. Heute empfängt die Stadt Kongresse, Anhänger der Meerwasser-Therapie – und Ende August die Mächtigen der Welt zum G20-Gipfel. Im Zentrum erhielten keine großen Modeketten Einlass, hier reihen sich kleine, unabhängig­e Boutiquen aneinander.

Noch aparter ist die Innenstadt des etwas südlicher Richtung Spanien gelegenen Städtchens SaintJean-de-Luz. In der Markthalle werden baskische Spezialitä­ten verkauft: Schinken von Bayonne, das Pfeffergew­ürz Piment d’Espelette, Schafsmilc­h-Käse, Schokolade und baskischer Kuchen mit einer Füllung aus Vanillecre­me oder KirschKonf­itüre. Als stolz gelten die Basken, die eine ganz eigene Sprache sprechen, in Frankreich anders als ihre spanischen Verwandten allerdings nicht auf Unabhängig­keit aus sind. Schließlic­h leben sie – das Wortspiel muss erlaubt sein – wie Gott in Frankreich.

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Fotos: Daniela David, Caroline Blumberg, dpa Selbst am Strand ist’s hier anmutig.

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