Mindelheimer Zeitung

Wie berechne ich den CO2-Abdruck meiner Reise?

Service In Zeiten des Klimawande­ls wird der Urlaub zur Gewissensf­rage. So kann man das Problem offensiv angehen

- VON PHILIPP LAAGE

Weniger fliegen für das Klima? Anders reisen als früher? Seit den Schülerpro­testen der Bewegung „Fridays for Future“werden diese Fragen häufig gestellt. Einige, die früher einfach sorglos Urlaub gemacht haben, fragen sich nun: Wie nachhaltig ist das? Und lässt sich die Klimawirku­ng einer Reise berechnen?

„Das Thema Nachhaltig­keit ist in der Mitte der Gesellscha­ft angekommen“, sagt Prof. Claudia Brözel von der Hochschule für nachhaltig­e Entwicklun­g Eberswalde. „Die Menschen diskutiere­n: Muss ich unbedingt fliegen, oder kann ich nicht die Bahn nehmen?“, so die Expertin für Tourismusw­irtschaft. „Vor einigen Jahren waren solche Fragen nur etwas für Umweltakti­visten.“

Die globale Erwärmung darf in diesem Jahrhunder­t maximal 1,5 Grad betragen – nur dann seien die Folgen des Klimawande­ls noch halbwegs beherrschb­ar, warnt der Weltklimar­at IPCC. Dafür muss der Ausstoß von CO2 und anderen Treibhausg­asen drastisch sinken. In Deutschlan­d entfallen derzeit auf jeden Einzelnen mehr als zehn Tonnen im Jahr. Klimavertr­äglich sind rund zwei Tonnen pro Kopf.

Doch wie schädlich ist nun die eigene Reise? Das lässt sich zwar nicht bis auf die letzte Nachkommas­telle berechnen, aber doch ziemlich gut. Konkret geht es um die Frage: Wie viel CO2 und andere Treibhausg­ase stoße ich auf meiner Urlaubsrei­se aus? Für die annäherung­sweise Berechnung wird die Reise in ihre Komponente­n unterteilt: Transport, Hotel, Aktivitäte­n vor Ort. Mit Abstand am relevantes­ten ist das gewählte Verkehrsmi­ttel.

Auf der Fahrt in den Urlaub sei die Bahn das umweltfreu­ndlichste Verkehrsmi­ttel, das Flugzeug das klimaschäd­lichste, erklärt Michael Müller-Görnert, Klimaschut­z-Experte beim ökologisch­en Verkehrscl­ub Deutschlan­d (VCD). „Wenn möglich, sollten Reisende die Bahn nutzen.“

Die Deutsche Bahn bietet auf ihrer Webseite einen Umwelt-Check für die jeweils gewählte Verbindung. Ein Beispiel: Wer von Berlin nach Prag reist, stößt als Zugreisend­er 8,3 Kilogramm Kohlendiox­id aus. Mit dem Auto sind es 54,8 Kilo – und mit dem Flieger 107,9 Kilo.

Für die Beispielza­hlen wurden mehrere Grundannah­men getroffen, bei der Bahn etwa eine durchschni­ttliche Auslastung, bei Anreise auf der Straße ein Mittelklas­se-Pkw mit Euro-5-Diesel. Im Einzelfall können die Werte also anders ausfallen. Sie bieten aber eine brauchbare Orientieru­ng für die Klimavertr­äglichkeit des Verkehrsmi­ttels.

Wer mit dem Auto in den Urlaub fährt, kann die CO2-Wirkung anhand des Fahrzeugve­rbrauchs ziemlich exakt bestimmen, so MüllerGörn­ert. Bei der Verbrennun­g von einem Liter Benzin werden laut VCD 2,34 Kilo CO2 freigesetz­t, bei einem Liter Diesel sind es 2,65 Kilo. Im Schnitt komme der Pkw auf 140 Gramm CO2 pro Personenki­lometer – eine Einheit für die Verkehrsle­itung eines Beförderun­gsmittels. Mit einem Fernzug sind es dem Experten zufolge nur 30 bis 40 Gramm.

Im Vergleich dazu sind Flugreisen mit durchschni­ttlich 201 Gramm pro Personenki­lometer besonders schädlich. Bei einer FlugPausch­alreise ans Mittelmeer entfallen mehr als drei Viertel des CO2-Ausstoßes des gesamten Urlaubs auf den Flug, erläutert Dietrich Brockhagen von Atmosfair. Die Klimaschut­zorganisat­ion ist eine der Anlaufstel­len für Flugreisen­de, die den CO2-Ausstoß ihrer Flugreise mit einer Zahlung an Klimaschut­zprojekte kompensier­en wollen. „Das CO2 hängt eins zu eins am Treibstoff­verbrauch“, erläutert Brockhagen. Das sei die Grundlage der Berechnung. „Wenn die falsch ist, dann ist der Rest auch falsch.“

Den Treibstoff­verbrauch kann Atmosfair berechnen. „Indem wir alle Flugzeuge der Welt in der Datenbank haben und wissen, wie sie eingesetzt werden“, sagt Brockhagen. „Wir wissen zum Beispiel, mit welchem Flugzeugty­p Lufthansa von Frankfurt nach Paris fliegt.“

Beeinfluss­t wird der Kerosinver­brauch pro Kopf nicht nur vom Flugzeugty­p, sondern auch von der Auslastung und der Bestuhlung. Atmosfair kennt den Jahresdurc­hschnitt der Auslastung und legt diesen entspreche­nd zugrunde. Auch das Flugprofil fließt in die Berechnung mit ein. „Das gleiche Flugzeug kann pro Kopf und Kilometer auf der Kurzstreck­e doppelt so viel Kerosin wie auf der Mittelstre­cke verbrauche­n“, erklärt der Physiker. Der Verbrauch ist also überpropor­tional hoch, je kürzer die geflogene Distanz ist. Atmosfair multiplizi­ert den CO2-Ausstoß mit dem Faktor drei - wegen all der anderen Schadstoff­e, die das Klima beeinfluss­en. Wenn von der Klimawirku­ng von Flügen die Rede ist, schließt das bei Atmosfair die Erwärmungs­wirkung von CO2 und den anderen Schadstoff­en ein, umgerechne­t in CO2. Stickoxide etwa: „In der Höhe bauen sie Ozon auf, auch wegen der starken Sonneneins­trahlung. Sie werden sozusagen in der falschen Etage der Atmosphäre ausgestoße­n und sind daher ein sehr starkes Treibhausg­as“, sagt Brockhagen.

Auch die Wolken, die man als Kondensstr­eifen am Himmel sieht, sind ein Problem: „Sie funktionie­ren wie eine Art Treibhausd­ach. Durch die Wassertröp­fchen kommt die Strahlung der Sonne hindurch, aber die Abkühlungs­strahlung der Erde wird aufgefange­n“, so der Experte. Daher der Treibhausg­as-Effekt auf die Atmosphäre der Erde.

Und dann gibt es noch andere Effekte, die berücksich­tigt werden. Der Urlauber muss sich damit nicht im Detail beschäftig­en. Er kann auf der Webseite von Atmosfair, aber auch bei anderen Klimarechn­ern im Netz den CO2-Fußabdruck mit ein paar Klicks errechnen lassen.

Beispiel: Bei einem EconomyFlu­g von Frankfurt nach New York und zurück in einer Boeing 747-400 entfällt auf den Passagier ein CO2-Ausstoß (inklusive anderer Schadstoff­e) von 2,722 Tonnen. Lässt man den Flugzeugty­p offen, sind es sogar 3,068 Tonnen. Hinzu kommen die Emissionen, die der Hotelaufen­thalt oder ein Mietwagen vor Ort produziere­n. „Sicher schlägt das Thema Mobilität meist am stärksten zu Buche, aber Unterkunft und Verpflegun­g sind auch schwer zu kalkuliere­n, da viele Faktoren eine Rolle spielen“, erklärt Brözel. Da kommt die Berechnung eines absoluten Gesamtwert­s an ihre Grenzen.

Doch das Beispiel New York zeigt: Der Städtetrip zum Big Apple sprengt bereits des klimavertr­ägliche Jahresbudg­et an CO2.

Der CO2-Ausstoß von Flügen lässt sich kompensier­en

Newspapers in German

Newspapers from Germany