Mindelheimer Zeitung

Sie regeln den Verkehr auf den Luftstraße­n

Fliegerei Die Lotsen im Tower des Allgäu Airports sorgen dafür, dass sich Flugzeuge nicht zu nahe kommen. Pro Tag gibt es etwa 100 Flugbewegu­ngen im Raum Memmingen. Was das mit einem Schuhkarto­n zu tun hat

- VON FELIX FUTSCHIK

Memmingen „Es gilt das Unerwartet­e zu erwarten“, sagt der 31-jährige Memminger, während er durch die großen Scheiben des Towers am Allgäu Airport auf das Fluggeländ­e guckt. Natürlich entwickle er eine Routine, von der dürfe er sich aber nicht einschläfe­rn lassen. Der 31-Jährige ist einer von acht Fluglotsen am Allgäu Airport. Der Mann will aus Sicherheit­sgründen seinen Namen nicht in der Zeitung lesen. Der Grund: Vor einigen Jahren ist ein Fluglotse in der Schweiz Opfer einer Gewalttat geworden, nachdem es in dessen Schicht zu einem Flugzeug-Unglück gekommen war.

In etwa 22 Metern Höhe, mit viel technische­r Ausrüstung wie beispielsw­eise Radar, digitalen Flugplänen und aktuellen Wetterdate­n, hat der 31-Jährige den Überblick am Memminger Flughafen. Jedes Flugzeug, egal ob Passagierm­aschine oder Hobbyflieg­er, und jeder Hubschraub­er, der am Airport vorbei will, muss sich bei ihm anmelden.

Eine Tochterges­ellschaft der Deutschen Flugsicher­ung (DFS), die DFS Aviation Services, betreibt den Tower am Airport. Die Fluglotsen arbeiten in einem Schichtsys­tem auf dem Flughafeng­elände. Der Tower ist jeden Tag von 5.30 bis 23 Uhr besetzt.

Im vergangene­n Jahr nutzten nach Betreibera­ngaben fast 1,5 Millionen Passagiere den Airport – so viele wie noch nie seit der Eröffnung im Jahr 2007.

Man könnte durchaus sagen, dass alle Reisenden durch die Hände der Lotsen gehen. Denn das Tower-Personal schreibt jede anund abfliegend­e Maschine auf eine Karte – den sogenannte­n Flugstreif­en. Diese Streifen durchlaufe­n jeweils ein genau festgelegt­es System: Gelb sind beispielsw­eise die Maschinen, die den Airport anfliegen, schwarze Streifen stehen für abfliegend­e Flugzeuge. Unter „Ground“liegen die Streifen für die Maschinen, die zur Zeit am Boden stehen oder sich auf dem Rollfeld bewegen. Dadurch weiß jeder Mitarbeite­r, ohne mit dem anderen zu sprechen, was als nächstes am Flughafen passiert.

„Die Hauptaufga­be der Flugsicher­ung ist eine sichere, geordnete und flüssige Durchführu­ng des Flugbetrie­bes“, sagt der MemminLots­e. „Anstehende Konflikte erkennen wir. Damit sich zwei Maschinen nicht zu nahe kommen, packen wir sie rechtzeiti­g an.“

Mit Anpacken meint er, die Maschinen etwa Kreise fliegen oder das Tempo reduzieren zu lassen. Das geschieht nach dem Motto: Wer zuerst kommt, der mahlt zuerst. Allerdings immer mit der Einschränk­ung, dass der Betrieb flüssig laufen muss, sagt der 31-Jährige. Es habe keinen Sinn, ein schnelles Flugzeug hinter einem langsamen herfliegen zu lassen.

Lange, bevor eine Maschine für die Augen des Lotsen zu sehen ist, erscheint sie auf seinem Bildschirm. Etwa der Airbus A 320 aus Belgrad. Das Flugzeug war viele Kilometer vor Memmingen als kleiner Punkt auf dem Radar sichtbar. Jetzt setzt die Maschine 300 Meter vom Tower entfernt auf der Landebahn auf.

Alle Piloten, die in die Kontrollzo­ne des Towers fliegen, nehmen Kontakt mit den Fluglotsen auf. Der Schuhkarto­n, wie der Memminger Lotse die Zone nennt, ist 22 Kilometer lang, elf Kilometer breit und etwa 800 Meter hoch. Die Streckenun­d Anflugkont­rolle der DFS in München ist für den Luftraum außerhalb dieses Bereichs verantwort­lich.

„Im Schnitt gibt es in unserem Bereich pro Tag bis zu 100 Flugbewegu­ngen“, sagt der Fluglotse. Dabei könne es durchaus zu Verzögeger rungen kommen, die nach Angaben des Lotsen in vielen Fällen nichts mit dem Airport zu tun haben.

Der Lotse erklärt: Der Luftraum ähnelt dem Straßenver­kehr. Auf Luftstraße­n fliegen die Piloten feste Routen. Um von den Straßen zum Flughafen zu kommen, gibt es Aufund Abfahrten. Die Abzweigung­en für den Allgäu Airport sind in Laupheim und in Kempten. Weil der Luftraum so voll ist, könne es durchaus vorkommen, dass die Radarkontr­olle beispielsw­eise des Flugraums Nordspanie­n keine weiteren Flugzeuge auf die Straßen lässt. „Dann staut es sich, wie auf der Autobahn“, erklärt der Fluglotse.

Man sehe ein unmittelba­res Ergebnis und könne gestalten, sagt der 31-Jährige über seinen Beruf: „Das ist das Schöne an meinem Job. Ich habe in Memmingen schon als Kind Militärjet­s gesehen“, erzählt der 31-Jährige und schaut auf die Landebahn hinüber.

Seit zehn Jahren arbeitet er in der Flugsicher­ung. Hätte er damals den Ausbildung­splatz zum Fluglotsen nicht bekommen, wäre er wahrschein­lich Pilot geworden.

Im vergangene­n Jahr nutzten fast 1,5 Millionen Passagiere den Airport

 ?? Foto: Matthias Becker ?? Vom Tower aus hat man einen guten Überblick über den Allgäu Airport. Der Platz ist leer, weil die Fluglotsen öffentlich nicht auftreten wollen.
Foto: Matthias Becker Vom Tower aus hat man einen guten Überblick über den Allgäu Airport. Der Platz ist leer, weil die Fluglotsen öffentlich nicht auftreten wollen.

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