Waffennarr vor Gericht
Justiz Ein 44-jähriger Waffennarr wird verurteilt, weil er ohne Genehmigung Revolver und Munition besaß und damit herumhantierte. Dass er sich dabei aus Versehen selbst angeschossen und verletzt hat, wurde strafmildernd gewertet
Ein Waffensammler aus Bad Wörishofen stand jetzt vor Gericht. Er besaß auch illegale Waffen und hat sich mit einer selbst in den Fuß geschossen.
Bad Wörishofen/Memmingen Wenn jemandem ein Missgeschick passiert, dessen Folgen er selbst ausbaden muss, dann sagt man scherzhaft, dass sich dieser Jemand damit wohl selbst ins Bein geschossen hat. Über diesen Spruch kann ein 44-Jähriger aus Bad Wörishofen ganz und gar nicht lachen – im Gegenteil, ihm flossen die Tränen übers Gesicht, als er sich jetzt vor dem Memminger Amtsgericht wiederfand.
Denn genau das war ihm passiert: Er hatte sich selbst ins Bein geschossen – aber keineswegs nur sprichwörtlich, sondern ganz real mit einem Revolver. Aus der Waffe hatte sich ein Schuss gelöst, als er damit herumhantierte. Er habe den Revolver reinigen wollen, da flutschte er ihm aus der Hand, landete auf dem Boden, ein Schuss löste sich.
Der Mann wurde schwer verletzt, das Projektil durchschlug seinen Unterschenkel, noch heute leidet er unter den schmerzhaften Folgen des Vorfalls, der Ende Januar in ganz Bad Wörishofen für Aufsehen gesorgt hatte: Mit maximaler Schutzausrüstung waren Beamte der Polizeiinspektion auf das Anwesen eingedrungen, von dem aus ein Notruf abgesetzt worden war.
Eigentlich, so Polizeichef Thomas Maier später, hätte ein Spezialeinsatzkommando anrücken müssen angesichts der unklaren Situation und der möglichen Gefahr für die Bevölkerung. Doch dazu sei keine Zeit mehr geblieben, die Polizei habe schnell handeln und eingreifen müssen, um mögliche Straftaten zu verhindern.
Als die Beamten dann in das Haus eindrangen, fanden sie den 44-Jährigen mit einer blutenden Wunde am Unterschenkel im Bett liegend und um Hilfe bettelnd vor. Gefunden wurden später bei der Durchsuchung aber auch zwei Schusswaffen, ein „Revolver HW 38 spezial“, Kaliber neun Millimeter, geladen mit scharfer Munition. Und dazu auch noch ein Vorderlader-Revolver, der mit fünf offenbar unschädlich gemachten Schwarzpulver-Patronen geladen war. Die beiden verbotenen Waffen und eine erlaubte, uralte Luftpistole waren in eine Militärkiste gepackt, in der sich auch gut 400 Patronen unterschiedlichster Kaliber befanden – die allermeisten davon funktionstüchtig und daher enorm gefährlich.
Warum der Mann an diesem Januar-Nachmittag mit den Waffen herumhantiert hatte, darüber gingen die Schilderungen vor Gericht auseinander. Er habe die Waffen in einem Umzugskarton gefunden, der noch von seinem bereits vor Jahren Vater stammte. Erst habe er die Schwarzpulver-Patronen des Vorderladers unschädlich gemacht, dann habe er auch den Revolver entladen und sichern wollen, gab der Mann an, der sich mit Waffen offenbar gut auskennt: Seit vielen Jahren sei er als Mitglied verschiedener Schützenvereine bestens mit den gängigen Sicherheitsvorkehrungen und gesetzlichen Regelungen vertraut.
Seine „Obsession für Waffen“, die ihm Staatsanwältin Sarah Hartleib attestierte, wurde ihm wohl schon in die Wiege gelegt. Sein Vater sammelte Waffen aller Art, die nach dessen Tod von der Mutter im Haus aufbewahrt wurden: einen Schrank mit Langwaffen und einen Schrank für Handfeuerwaffen, also Pistolen und Revolver, gab es in dem Haus. Und Amtsrichterin Brigitte Mock kennt die Beteiligten nur allzu gut: Schon mehrfach war die Mutter wegen dieser Waffen vor Gericht gestanden und hatte sich – immer wieder mit Erfolg – gegen die Wegnahme des Waffenarsenals durch die Behörden gewehrt. Richterin Mock machte auch in dieser Verhandlung immer wieder unmissverständlich deutlich, wie wenig Verständnis sie für dieses Faible für gefährliche Waffen schon immer hatte und nach wie vor hat: „Es musste wohl erst etwas passieren“, so die Richterin.
Und es passierte dann ja auch – erst jetzt, nach der Verletzung ihres nicht minder waffenbegeisterten Sohnes, hat sich die 73-jährige Mutter dazu entschlossen, alle Waffen wegzugeben. Die Aufbewahrung der Waffen war jedoch keineswegs strafbar, schließlich hatte die Frau eine entsprechende Waffenbesitzkarte. Dass ihr die nicht schon längst entzogen worden war, fand die Amtsrichterin jetzt aber sehr seltsam und richtete ihre Kritik daher auch an das zuständige Landratsamt Unterallgäu: „Das Landratsamt hätte hier viel früher wegen Unzuverlässigkeit einschreiten müssen“, so die Richterin.
Dass der 44-jährige Waffennarr die beiden Revolver und die Munition wirklich zufällig „gefunden“hatte, wollte auch der zuständige Komverstorbenen missar der PI Bad Wörishofen nicht glauben: Zu gut sei der Pflegezustand vor allem des geladenen Revolvers gewesen, als dass er fast zwei Jahrzehnte unentdeckt in einem Umzugskarton gelegen haben könne, so der Ermittler.
Und dass der 44-Jährige die Munitionskiste und die darin aufbewahrten Revolver dann – trotz seiner blutenden Verletzung am Bein – noch schnell auf ein zwei Meter hohes Regal geschoben hat, war wohl nicht so clever. Ausgerechnet ein blutiger Schuhabdruck auf einem Stuhl hatte die Beamten nämlich erst zu dem Waffenversteck geführt: Der 44-Jährige war offenbar auf den Stuhl gestiegen, um die Kiste extra weit nach hinten zu schieben. Vermutlich, so der Ermittler, habe er Revolver und Munition nicht nur vor der Polizei, sondern auch vor den Augen seiner Mutter verstecken wollen, mit der er nach wie vor unter einem Dach wohnt.
Inzwischen haben sowohl die 73-Jährige wie auch ihr 44-jähriger Sohn ihrer Leidenschaft für Waffen aller Art abgeschworen, wie er vor Gericht deutlich zu machen versuchte: „Endlich sind die Waffen aus unserem Haus raus“, zeigte sich der Angeklagte einsichtig und reumütig, schließlich habe er noch heute unter den schlimmen Folgen der Schussverletzung zu leiden. Mit tränenerstickter Stimme meinte er, dass es für ihn noch weitaus schlimmer hätte kommen können: „Nur einen Zentimeter weiter, dann würde ich heute nicht mehr hier sitzen“, schluchzte der 44-Jährige.
Dass er sich mit dem Schuss ins Bein aus Versehen selbst so schwer verletzt hatte, wertete das Gericht dann tatsächlich als strafmildernd. Ansonsten hatte Richterin Mock aber so gar kein Verständnis für das Verhalten des Angeklagten und folgte dem Antrag von Staatsanwältin Sarah Hartleib, die wegen vorsätzlich unerlaubten Waffenbesitzes eine fünfmonatige Haftstrafe gefordert hatte.
Eine Geldstrafe sei nicht mehr infrage gekommen – zu lang sei auch die Vorstrafenlatte des 44-Jährigen. Ins Gefängnis muss der Wörishofer aber nicht, sofern er sich in den nächsten drei Jahren nichts mehr zuschulden kommen lässt. Entsprechend klar war auch die Warnung von Richterin Mock: „Finger weg von den Waffen, sonst müssen sie das absitzen.“
„Finger weg von den Waffen“Amtsrichterin Brigitte Mock warnte den 44-Jährigen eindringlich