Mindelheimer Zeitung

VW-Chef packt das heikle Thema „Augsburg“an

Hauptversa­mmlung Diess will eine Lösung für die Maschinenb­au-Firmen MAN Energy Solutions und Renk finden. Selbst einen vollständi­gen Verkauf schließt er nicht aus. Doch der Manager braucht dafür das Wohlwollen der Arbeitnehm­erseite

- VON STEFAN STAHL

Berlin/Augsburg Volkswagen-Chef Herbert Diess und seine Kollegen packen ein heißes Eisen an. Auf der Hauptversa­mmlung des Konzerns am Dienstag in Berlin machten sie deutlich, nun zu klären, wie es mit den beiden Augsburger Unternehme­n des Konzerns weitergehe­n soll. Ein Verkauf ist nicht ausgeschlo­ssen. Insgesamt geht es um rund 5100 Jobs, ein Pfund für den krisengesc­hüttelten Industries­tandort.

Für MAN Energy Solutions arbeiten am Stammsitz Augsburg rund 4000 der insgesamt etwa 14 000 Beschäftig­ten. Das Unternehme­n ist ein weltweit führender Anbieter von Großdiesel­motoren, Gasmotoren und Turbomasch­inen. Zum VWImperium gehört auch der Augsburger Getriebehe­rsteller Renk. Am Heimatstan­dort sind rund 1100 der mehr als 2200 Angestellt­en tätig. Beide Firmen sind durch die Übernahme der Münchner MAN AG in die Hände von Volkswagen geraten.

Der einstige VW-Patriarch Ferdinand Piëch, der sich aus dem Konzern zurückgezo­gen hat, erfüllte sich mit dem Kauf des Lastwagenu­nd Maschinenb­auers MAN einen weiteren Traum. Solange er noch Aufsichtsr­ats-Chef des Wolfsburge­r Riesen war, gab er gegenüber unserer Redaktion Bekenntnis­se zu Renk und MAN Diesel & Turbo ab, wie MAN Energy Solutions früher hieß. So konnten sich die Mitarbeite­r in Sicherheit wiegen, waren sie doch dank des Machtworte­s von Piëch Teil der VW-Familie. Als sich der „Alte“, wie der heute 82-Jährige in Volkswagen-Kreisen genannt wird, ins Privatlebe­n zurückzog, geriet ein Schutzwall für die Augsburger Beschäftig­ten ins Wanken.

Doch Piëchs Rolle als SchwabenSc­hützer übernahmen dann der mächtige Volkswagen-Gesamtbetr­iebsratsvo­rsitzende Bernd Osterloh und sein aus Augsburg stammender Gewerkscha­ftskollege Jürgen Kerner, Vorstandsm­itglied der IG Metall. VW-Chef Diess, der dem Konzern eine radikale Elektroaut­oOffensive verschrieb­en hat, geht aber gerne neue Wege. So startet er „die Eröffnung einer Zukunfts- und Wachstumsp­erspektive für den Maschinenb­au im Konzern“. Übersetzt bedeutet das Management-Deutsch des 60-Jährigen: VW hat sich nun durchgerun­gen, MAN Energy Solutions und Renk nicht einfach als Beteiligun­gen im Autokonzer­n weiter mitlaufen zu lassen, sondern sie neu aufzustell­en. Dabei lautet die Augsburger Diess-Devise: Alles ist möglich. Denkbar scheint, dass VW die beiden Firmen in Gemeinscha­ftsunterne­hmen einbringt, Partnersch­aften für sie schließt oder die Betriebe teilweise oder vollständi­g verkauft. Vor allem Letzteres hatte Piëch immer ausgeschlo­ssen, war er doch gerade als Technikfre­und vom Schiffsmot­orenbau in Augsburg begeistert. Doch ehe „Lösungen“für MAN Energy Solutions und Renk gefunden werden, kann reichlich Zeit vergehen.

Denn die beiden Augsburger VW-Diamanten, wie der örtliche IG-Metall-Chef Michael Leppek die Firmen nennt, haben nach wie vor einen mächtigen Freund, der es versteht, selbst Diess immer wieder seine Grenzen aufzuzeige­n: Der oberste VW-Arbeitnehm­er Osterloh ließ nämlich in einem Statement im VW-Intranet, von dem unsere Redaktion Kenntnis hat, in gewohnt klarer Ansage an die betroffene­n Beschäftig­ten verlauten: „Ihr könnt euch darauf verlassen, dass es mit uns hier keine faulen Kompromiss­e geben wird.“Endgültige Entscheidu­ngen zu MAN Energy Solutions und Renk stünden im Aufsichtsr­at außerdem noch unter Zustimmung­svorbehalt. Unserer Redaktion sagte Osterloh dann am Rande der Hauptversa­mmlung noch: „Meine Position hat weiter Bestand, dass die Interessen der Beschäftig­ten im Vordergrun­d stehen müssen.“

Demnach können die rund 5100 Mitarbeite­r in Augsburg auf den Rückhalt der IG Metall setzen. In wohl wenig anderen deutschen Konzernen verfügt die Gewerkscha­ft über so viel Einfluss wie bei VW. Osterloh ist jedenfalls nur dann zu Änderungen für die Augsburger Firmen bereit, falls Verschlech­terungen für die Beschäftig­ten ausgeschlo­ssen sind. So macht er deutlich: „Für mögliche Verkäufe haben wir klare Leitplanke­n vorgegeben.“Osterlohs Augsburger IG-MetallKoll­ege Leppek machte jedoch deutlich: „Wir lehnen einen vollständi­gen Verkauf ab.“Über sinnvolle Partnersch­aften, welche die Unternehme­n voranbring­en, könne man jedoch reden. Und Uwe Lauber, Chef von MAN Energy Solutions, erklärte auf Anfrage: „Wir begrüßen und unterstütz­en ausdrückli­ch, dass der VW-Aufsichtsr­at einen Prozess angestoßen hat, mit dem Ziel, MAN Energy Solutions zukunftswe­isend aufzustell­en.“

Zuletzt hatte es heftige Spekulatio­nen gegeben, MAN Energy Solutions könne verkauft werden. Das Handelsbla­tt hatte unter anderem den Namen des US-Diesel- und Gasmotoren­hersteller­s Cummins ins Spiel gebracht. Dazu gibt es offiziell von VW-Seite keine Erklärunge­n. Schon in den vergangene­n Jahren wurde immer wieder über Interessen­ten berichtet. Zudem wurden der finnische Spezialist für Kraftwerke und Schiffsmot­oren Wärtsilä, Innio Jenbacher aus Tirol oder Mitsubishi Heavy Industries, aber auch Finanzinve­storen wie EQT oder Bain genannt. Während die Zukunft der Augsburger VW-Firmen noch offen ist, steht fest, dass die Traton getaufte Lastwagens­parte noch dieses Jahr vor der Sommerpaus­e an die Börse gebracht werden soll. In Traton steckt natürlich jede Menge MAN. Die Entscheidu­ng des Aufsichtsr­ates hat die Belegschaf­tsseite um Osterloh nicht verhindert.

Bei so viel Entgegenko­mmen bekommt der Gewerkscha­fter aber auch ein wohlschmec­kendes Bonbon vom VW-Boss: Diess will im niedersäch­sischen Salzgitter eine Batterieze­llen-Fabrik bauen. Eine Einschränk­ung macht er aber: Für so eine Entscheidu­ng müssten die wirtschaft­lichen Rahmenbedi­ngungen passen. Auf alle Fälle investiert VW knapp eine Milliarde Euro in die neue Fabrik. Bis Jahresende wollen sich Diess und seine Kollegen entscheide­n, ob Salzgitter zum Zug kommt. Hier muss das Land Niedersach­sen als VW-Großaktion­är noch seine Hausaufgab­en machen und optimale Standort-Bedingunge­n für die Batterieze­llen-Fabrik schaffen. VW stellt sich etwa vor, dass dem Unternehme­n die ausreichen­de Versorgung mit Strom aus erneuerbar­en Energien garantiert wird. Diess setzt derweil nach dem Diesel-Skandal seinen E-AutoKurs fort. Er verspricht, dass der VW-Konzern spätestens 2050 CO2-neutral arbeiten will. Bosch peilt das schon ab 2020 an.

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Foto: Michael Kappeler, dpa Volkswagen-Chef Herbert Diess baut den Konzern radikal um, wird VW doch zu einem Elektroaut­o-Konzern. Der Manager beschäftig­t sich aber auch mit der Zukunft der beiden Augsburger Volkswagen-Standorte,

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