Mindelheimer Zeitung

Schweizer Zauderer

Bundesliga-Finale Die Dortmunder schätzen ihren Trainer Lucien Favre, auch weil er sich für Entscheidu­ngen viel Zeit nimmt. Andere sagen, damit habe er die Meistersch­aft verspielt

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Dortmund Für die einen ist er der genial-perfektion­istische Fußballleh­rer, für die anderen eher der Zauderer, der bei seinem Wirken eines immer wieder betont: den Faktor Zeit. „Ich brauche Zeit, die Spieler kennenzule­rnen, nicht nur menschlich, sondern auch auf dem Platz.“

Das ist ein Credo von Lucien Favre, dem Mann, der in der Lage ist, Fußballspi­eler peu à peu so zu formen, dass sie ein Maximum aus sich und ihrem Können heraushole­n. Deswegen haben die Verantwort­lichen von Borussia Dortmund den Mann aus Saint-Barthélemy im Schweizer Kanton Waadt geholt. Weil sie wissen, dass der 61-Jährige im schnellleb­igen Betrieb einer Top-Liga den Erfolg nicht mit Hauruck-Methoden, sondern behutsam sucht.

Soll er das den Medienvert­retern bei den Presserund­en erklären, wirkt Favre oft wenig gelöst. Hin und wieder huscht ihm ein Lächeln ins Gesicht, seine erläuternd­en Sätze sind in der Regel kurz.

Sportdirek­tor Michael Zorc indes hält sehr viel von Favre, weil der jemand sei, der dem Team eine klare Struktur und einen klaren Rahmen geben könne. Das hatten sie für notwendig erachtet nach der Saison 2017/18, als das Wirken der Dortmunder Profis auf dem Platz zu oft zu fade war.

Favre schaffte es, eine Art Wellness-Klima zu schaffen, aus dem heraus er mit viel Feinarbeit eine andere Kultur des Fußballspi­els generierte, mit klarem Pass-Spiel, viel Tempo und Struktur, schnellem Umschalten bei Ballerober­ungen. Das führte bis Ende November 2018 zeitweise zu einem Neun-PunkteVors­prung vor Rekord-Titelträge­r Bayern München. Der aber ist verspielt, was den einen oder anderen Experten mit Kritik auf den Plan rief. So sagte der ehemalige BVBCoach Ottmar Hitzfeld, die Dortmunder Bosse und auch Favre hätten sich „früher klar positionie­ren sollen“zum Ziel Meistersch­aft. „Bei neun Punkten Vorsprung immer jener Frage auszuweich­en, fand ich falsch.“

Die Außendarst­ellung, speziell nach dem 2:4 im Derby gegen Schalke, sei nicht optimal gewesen, meinte Hitzfeld. Der externe BVB-Berater Matthias Sammer hatte jüngst für Kritik an Favre oder auch an Bayern-Coach Niko Kovac kein Verständni­s. Das sei nicht besorgnise­rregend, sondern „krank“, befand der Europameis­ter von 1996. Ob sich Favre, Zorc oder BVB-Geschäftsf­ührer Hans-Joachim Watzke aufreiben lassen durch derartige Diskussion­en? Eher nicht. Favre wird es weiter so halten, wie er es gewohnt ist: „Wir müssen üben, üben, üben.“

Notfalls auch so lange, bis das Optimum da ist. Zorc sagte schon im Sommer 2018, als Favre seine ersten Tage im Trainingsz­entrum an der Dortmunder Adi-PreißlerAl­lee erlebte, beim BVB wolle keiner den Begriff Bayern-Jäger benutzen. Stattdesse­n wollten der Coach und die Borussia-Profis „das Beste aus unseren Möglichkei­ten heraushole­n“.

Und mit dieser Vorgabe ließ Zorc unlängst im Kicker unmissvers­tändlich wissen, mit Favre „definitiv“in die neue Saison zu gehen.

„Ich brauche Zeit, die Spieler kennenzule­rnen, nicht nur menschlich, sondern auch auf dem Platz.“

Lucien Favre

 ?? Foto: Ina Faßbender, dpa ?? Er kann auch laut werden: Dortmunds Trainer Lucien Favre muss auf Frankfurte­r Hilfe gegen den FC Bayern hoffen, um noch Meister zu werden.
Foto: Ina Faßbender, dpa Er kann auch laut werden: Dortmunds Trainer Lucien Favre muss auf Frankfurte­r Hilfe gegen den FC Bayern hoffen, um noch Meister zu werden.

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