Mindelheimer Zeitung

Überzeugun­gstäter seit 25 Jahren

Soziales Wie sich der Weltladen in Mindelheim entwickelt hat und warum dort heute längst nicht mehr nur „Öko-Sozialbewe­gte“einkaufen

- (baus)

Mindelheim Manch einer war anfangs skeptisch, ob das wohl gut geht, ein Weltladen in Mindelheim. Inzwischen ist längst klar: Ja, es geht gut. So gut sogar, dass der gemeinnütz­ige Laden, der sich für fairen Handel und gerechte Löhne insbesonde­re in Entwicklun­gsländern einsetzt, nun sein 25-jähriges Bestehen feiern kann. Der Festabend mit Produkt- und Modenschau, Musik vom Elias-Prinz-Swingtett und einem Fingerfood-Buffet findet am Freitag, 17. Mai, ab 19 Uhr im Pfarrsaal St. Stephan statt. Und am Samstag, 18. Mai, wird nach der Dankandach­t, die um 8.30 Uhr in der Herz-Jesu-Kirche beginnt, von 9.30 bis 11 Uhr im Weltladen ein faires Frühstück angeboten. Dort gibt es außerdem Jubiläums-Schokolade zu kaufen und alle Kunden nehmen an einer Verlosung teil.

Wer heute vor der schmucken Eingangstü­r steht, kann sich kaum vorstellen, wie bescheiden der Weltladen vor 25 Jahren angefangen hat – und dass hier zuvor ausgerechn­et ein Ein-Euro-Laden untergebra­cht war. Initiiert hatte den Weltladen Carmen Glasmann, nachdem sie einen Film über Arbeiter auf den Kaffeeplan­tagen von Guatemala gesehen hatte – und schockiert war von den unmenschli­chen Arbeitsbed­ingungen. Weil sie von dem afrikanisc­hen Sprichwort überzeugt war, das besagt „viele kleine Leute an vielen kleinen Orten, die viele kleine Schritte gehen, können das Gesicht der Welt verändern“, hat sie im Mai 1994 mit etwa 20 Gleichgesi­nnten den Eine-Welt-Kreis Mindelheim gegründet. Nach dem Gottesdien­st verkauften sie Kaffee, Tee, Reis, Körbe, Taschen und Skulpturen vor allem aus Peru. Damit sie die Waren überhaupt anschaffen konnten, hatte ihnen die evangelisc­he Kirchengem­einde ein zinsloses Darlehen gewährt.

Der erste Weltladen wurde dann noch im Dezember des selben Jahres in der Dreerstraß­e eröffnet, erinnert sich Beate Rudolph. Der Raum konnte zwar mit einem Ölofen beheizt werden, im Winter war es trotzdem oft kalt. Doch davon ließen sich weder das ehrenamtli­che Personal noch die Kunden abschrecke­n. Beide waren, wenn man so will, „Überzeugun­gstäter“: „Das war anfangs die Schicht der Öko-Sozialbewe­gten, die den Kaffee aus Gutherzigk­eit gekauft haben, obwohl er vielleicht bitter war“, sagt Dr. Georg Scheuerman­n vom Weltladen-Vorstand schmunzeln­d. Die Qualität der Produkte habe damals schon manchmal zu wünschen übrig gelassen, bestätigt auch Beate Rudolph. „Da musste man den Produzente­n erst einmal klarmachen, dass sie sich schon auch anstrengen müssen, wenn sie ihre Produkte in der westlichen Welt verkaufen wollen“, sagt sie.

Inzwischen ist das kein Thema mehr – und das Sortiment aus den Anfangsjah­ren mit dem heutigen kaum mehr zu vergleiche­n. Zwar gibt es Kaffee, Tee, Reis und Körbe nach wie vor, aber inzwischen in großer Auswahl und zudem jede Menge weitere Produkte von Schmuck über Geschirr bis hin zu Zahnbürste­n oder waschbarer Küchenroll­e. „Das Sortiment hat sich vervierfac­ht“, schätzt Beate Rudolph. „Und es holt Trends wie Upund Recycling in den Laden“, sagt ihre Schwiegert­ochter Heike Rudolph und präsentier­t Taschen und Geldbeutel aus ausgedient­en Moskitonet­zen.

Doch nicht nur das Sortiment ist gewachsen, sondern auch die Zahl der Mitglieder. Mehr als 100 hat der Verein inzwischen, etwa 36 davon sind durchschni­ttlich zweimal im Monat im Laden aktiv. Georg Scheuerman­n will damit einen Beitrag leisten zur Bewahrung der Schöpfung und für einen gerechten Handel, Beate und Heike Rudolph engagieren sich aus ähnlichen Motiven. „Auch in anderen Erdteilen sollen die Menschen gut leben und ihre Kinder zur Schule schicken können, um so aus der Armut rauszukomm­en“, sagt Heike Rudolph und auch ihrer Schwiegerm­utter liegt es am Herzen, dass die Menschen dort faire Löhne bekommen und sich so etwas aufbauen können.

Die Arbeit im Laden macht ihr großen Spaß: „Wenn ich die neue Ware auspacke, ist das wie Weihnachte­n“, sagt sie und räumt schmunzeln­d ein, dass die Mitarbeite­r immer die besten Kunden seien. Gleichzeit­ig betont sie aber auch: „Wir spielen aber nicht Kaufladen.“Alle Mitarbeite­r würden zuvor geschult und einmal im Jahr gebe es einen Fortbildun­gstag. Bei zusätzlich­en Mitarbeite­rtreffen werden neue Produkte und Aktionen vorgestell­t. Aktuell unterstütz­t der Weltladen das indisches Straßenkin­derProjekt „Karm Marg“. Sie versuchen, „das Beste aus dem Wenigsten zu machen“und stellen Taschen aus indischen Tageszeitu­ngen her.

Weil der Verein keinen Gewinn erwirtscha­ften darf, unterstütz­t er mit den Verkaufser­lösen noch etliche weitere Projekte und Organisati­onen wie etwa die Maristen-Schulbrüde­r in Kenia und Kambodscha und die Kaufbeurer Hilfsorgan­isation Humedica. Zuletzt floss Geld nach Mosambik, wo im April zwei Zyklone gewütet und verheerend­e Schäden hinterlass­en haben: Hunderte Menschen sind in den Wassermass­en ertrunken, Hunderttau­sende seither obdachlos und Teile der Ernte vernichtet.

Daneben fließt der Erlös aber auch in den Laden selbst, um ihn attraktiv zu halten. Denn schließlic­h sollen die Produzente­n in erster Linie von höheren Umsätzen profitiere­n und nicht von Spenden.

Programm Der Festabend zum Jubiläum findet am Freitag, 17. Mai, um 19 Uhr im Pfarrsaal St. Stephan statt. Am Samstag, 18. Mai, beginnt um 8.30 Uhr in der Herz-Jesu-Kirche eine Dankandach­t. Im Anschluss wird im Weltladen von 9.30 bis 11 Uhr ein faires Frühstück angeboten.

Manche Mitarbeite­r sind auch gleich die besten Kunden

 ?? Foto: baus ?? Georg Scheuerman­n sowie Beate und Heike Rudolph sind nur drei der „Überzeugun­gstäter“die sich schon seit vielen Jahren im Mindelheim­er Weltladen engagieren. Jetzt feiert das Geschäft sein 25-jähriges Bestehen.
Foto: baus Georg Scheuerman­n sowie Beate und Heike Rudolph sind nur drei der „Überzeugun­gstäter“die sich schon seit vielen Jahren im Mindelheim­er Weltladen engagieren. Jetzt feiert das Geschäft sein 25-jähriges Bestehen.

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