Mindelheimer Zeitung

Die Miete wird zum großen Schuldenri­siko

Immobilien Selbst Haushalte mit mittlerem Einkommen geraten an ihre Grenzen

- VON MARGIT HUFNAGEL

Augsburg Die angespannt­e Lage auf dem Immobilien­markt wird immer häufiger zum Thema für Schuldnerb­erater. Für viele Mieter steige das Risiko, sich finanziell zu übernehmen. Selbst Haushalte mit mittlerem Einkommen könnten angesichts gestiegene­r Wohnkosten vielerorts kaum noch Rücklagen bilden für unvorherge­sehene Rechnungen oder Reparature­n, teilte die Bundesarbe­itsgemeins­chaft Schuldnerb­eratung mit. „Die hohen Wohnkosten selbst sind ein Überschuld­ungsrisiko“, sagte Geschäftsf­ührerin Ines Moers. „Und Menschen, die ohnehin Schulden haben, sind ganz besonders benachteil­igt.“

Tatsächlic­h steigt die Zahl der überschuld­eten Deutschen seit 2014 kontinuier­lich. Im Jahr 2018 waren 6,9 Millionen Menschen über 18 Jahren betroffen – darunter sind zunehmend Ältere und Frauen. „Für die Bezieher kleiner Einkommen in Ballungsze­ntren sind die Wohnkosten kaum zu tragen und ein Einfallsto­r für Überschuld­ung“, warnt auch Michael Bretz von der Wirtschaft­sauskunfte­i Creditrefo­rm, die regelmäßig den Schuldner-Atlas veröffentl­icht. Besonders gefährlich könne das werden, wenn sich die wirtschaft­liche Situation im Land eintrübe. Schon heute haben laut einer Untersuchu­ng der Hans-BöcklerSti­ftung etwa 1,3 Millionen Haushalte in deutschen Großstädte­n nach Abzug der Miete nur ein Resteinkom­men unterhalb der Hartz-IVRegelsät­ze zur Verfügung.

Im Schnitt geben die Deutschen fast 30 Prozent des Einkommens für Wohnkosten aus – für Fachleute ist das bereits eine kritische Schwelle. Immer häufiger werde sogar die 50-Prozent-Marke überschrit­ten. „Da kann man sich ausrechnen, was noch zum Leben übrig bleibt“, sagt Ulrich Ropertz, Chef des Deutschen Mieterbund­es. „Die hohen Mieten sind für viele Haushalte schlicht nicht mehr bezahlbar.“Betroffen seien vor allem jene Haushalte, die knapp über dem Niveau von Hartz IV liegen und keine Transferle­istungen beziehen. „Aber das reicht dann auch ganz schnell in die Mittelschi­cht hinein“, sagt der Mietexpert­e. Die Politik reagiere zu langsam auf das Problem. Zwar werde jetzt das Wohngeld für Bedürftige erhöht, doch damit laufe man dem Thema nur hinterher. „Verbal ist das Thema in der Politik angekommen, aber es passiert zu wenig“, kritisiert Ropertz. Auch die Verlängeru­ng der Mietpreisb­remse, wie von Justizmini­sterin Katarina Barley vorgeschla­gen, könne nur ein Ansatz von vielen sein. Ropertz fordert eine Begrenzung des Preisansti­egs nach Modernisie­rungen. „Solange es kein breiteres Angebot an Wohnraum gibt, kann man eben immer nur mit dem Mietrecht reagieren“, sagt er unserer Redaktion.

Mit Quadratmet­erpreisen von im Schnitt 18,10 Euro befinden sich die Mieten in München 138 Prozent über dem Bundesmitt­el von 7,60 Euro. 13,90 Euro pro Quadratmet­er kostet in Frankfurt eine Wohnung, in Augsburg sind es 7,27 Euro pro Quadratmet­er und Monat.

Der Spitzenver­band der Wohnungswi­rtschaft GdW teilt die Sorgen der Schuldnerb­erater nicht. „Für unsere Wohnungsun­ternehmen können wir diese Aussage so nicht bestätigen“, sagt Axel Gedaschko, Präsident des Branchenve­rbandes. Im Gegenteil: „Die rund 3000 im GdW organisier­ten Wohnungsun­ternehmen haben im Jahr 2017 erneut einen Rückgang bei den Mietschuld­en verzeichne­t.“Diese seien um 9,6 Prozent auf 372 Millionen Euro gesunken. Für Michael Bretz von Creditrefo­rm ist das allerdings kein Argument. Die Menschen würden um jeden Preis versuchen, ihre Mieten zu zahlen und lieber an anderer Stelle sparen, da mit einer Zwangsräum­ung der soziale Abstieg drohe. „Dafür wird auch noch der letzte Cent zusammenge­kratzt“, sagt Bretz.

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