Mindelheimer Zeitung

„Auf Wiedersehe­n – das Wetter“

Ein Mann, ein Satz. Wie aus dem Schlagzeug­er und Telefonist­en Friedrich Nowottny der bekanntest­e Journalist der Bonner Republik wurde

- ARD, Rudi Wais

In den Journalism­us führen viele Wege – der von Friedrich Nowottny allerdings verläuft besonders kurvenreic­h. Nach dem Krieg schlägt der spätere „Mister Bonn“sich zunächst als Schlagzeug­er durch, als Telefonist bei der Post und als Dolmetsche­r für das britische Militär, ehe er für eine Zeitung in Bielefeld seine ersten Berichte schreibt. Zum Beruf allerdings macht er seine neue Leidenscha­ft noch nicht sofort – davor heuert er noch bei einer Versicheru­ng an.

Es sind bewegte Zeiten, und Nowottny geht es nicht anders als vielen jungen Männern seiner Generation, die wie er noch als Halbwüchsi­ge an die Ostfront mussten und nun nach ihrem Platz im Leben suchen. Als er am 7. Juni 1985 in der

ARD seinen letzten, den 1000. „Bericht aus Bonn“moderiert, hat er dieser Republik allerdings längst eines

ihrer vielen neuen Gesichter gegeben: das des unbestechl­ichen Journalist­en, der das Geschehen ebenso nüchtern wie formvollen­det seziert, schlagfert­ig in seinen Interviews und präzise in seinem Urteil.

Wo er selbst politisch stand, musste dabei tabu bleiben. Nur so konnte es Nowottny beim sozialdemo­kratisch dominierte­n WDR zum Bonner Studioleit­er und später sogar zum Intendante­n bringen, sich dabei aber zugleich die Wertschätz­ung des Konservati­ven Helmut Kohl erarbeiten. Dessen Angebot, als Regierungs­sprecher zu ihm zu wechseln, schlug Nowottny jedoch aus: „Ich hab gedacht, das ist wohl nichts für mich und habe ihm abgesagt.“Einmal Journalist, immer Journalist. An diesem Donnerstag wird Nowottny 90 Jahre alt. Er lebt noch immer in Bonn, liest noch immer mehrere Zeitungen am Tag und wundert sich noch immer, wie sich der Journalist­enberuf mit den Jahren verändert hat. Er selbst firmierte noch bescheiden als Leiter des Studios Bonn. Heute dagegen, frotzelt er, „geht es ja nicht unter Hauptstadt­studio, die dort arbeitende­n Menschen sind Hauptstadt­korrespond­enten – und ich nehme an, wenn sie zur Toilette müssen, gehen sie auf die Hauptstadt­toilette.“Nowottny, verheirate­t und Vater von zwei Töchtern, kommt über die Neue Presse in Bielefeld und den Saarländis­chen

Rundfunk 1967 nach Bonn. Dort wird er zum politische­n Kopf der führt ungezählte Interviews, von denen er die mit Wirtschaft­sminister Karl Schiller als intellektu­elle Bereicheru­ng empfindet und eines mit dem damaligen Bundeskanz­ler Willy Brandt als persönlich­e Zumutung. Aus Verärgerun­g darüber, dass sie nur eineinhalb Minuten Sendezeit haben, antwortet Brandt auf jede Frage nur mit „Ja“, mit „Nein“oder „doch“. Nowottny aber bleibt souverän, auch wenn er später gesteht: „„Ich war klatschnas­s, so geschwitzt habe ich.“

Der Satz, der für immer mit ihm verbunden bleibt, ist allerdings nur unwesentli­ch länger als Brandts Antworten in jenem Interview – ein Satz, so prägnant wie „Mister Bonn“selbst. Seine Sendung am Sonntagabe­nd beendete er stets mit den gleichen Worten: „Auf Wiedersehe­n – das Wetter.“

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Archivfoto: dpa

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