Mindelheimer Zeitung

Deutsche Soldaten müssen im Lager bleiben

Irak Bundeswehr zieht Konsequenz­en aus amerikanis­chen Warnungen. Aber die Lage bleibt verworren

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Berlin/Brüssel/Washington Wegen der Eskalation der Spannungen am Persischen Golf sitzen die deutschen Soldaten im Irak nun erst mal in ihrem Lager fest. Der aus dem Militärkom­plex Tadschi laufende Einsatz für die Ausbildung irakischer Kräfte im Kampf gegen die Terrormili­z Islamische­r Staat (IS) ist ausgesetzt. Die rund 60 Bundeswehr­soldaten sollen Lager und Unterkünft­e nur noch aus gutem Grund verlassen. Die Waffen sind in der 30 Kilometer nordwestli­ch der Hauptstadt Bagdad gelegenen Militäranl­age sowieso immer am Mann.

Mit scharf formuliert­en Warnungen vor möglichen vom Iran gesteuerte­n Anschlägen ist die US-Regierung Treiberin dieser Entwicklun­g. Noch weitgehend ungeklärte Zwischenfä­lle gegen Handelssch­iffe und saudi-arabische Ölanlagen haben den Schritt begleitet.

Die Entscheidu­ng zur Aussetzung der Ausbildung wurde bereits am Montag getroffen. Die Bundeswehr orientiere sich an Partnernat­ionen, sagte ein Sprecher des Verteidigu­ngsministe­riums in Berlin. „Eigene Hinweise haben wir nicht. Es gibt hier auch keine konkrete Bedrohung, sondern es ist eher so, dass dort die Sicherheit­slage als generell gereizter eingeschät­zt wird“, sagte er. Es gebe keine konkrete Anschlagsw­arnung gegen deutsche Ziele. Insgesamt sind 160 deutsche Soldaten als Teil der Anti-IS-Koalition im Irak, davon rund 100 im nördlichen Kurdengebi­et.

Auch eine Sprecherin des Auswärtige­n Amtes machte deutlich, es gebe keine Erkenntnis­se über eine Veränderun­g der Sicherheit­slage. „Die USA ziehen Teile ihres Botschafts­personals ab. Das haben wir zur Kenntnis genommen und sind mit der amerikanis­chen Seite auf geeigneten Kanälen auch im Gespräch dazu“, sagte sie.

Nach Informatio­nen der Deutschen Presse-Agentur hat US-Außenminis­ter Mike Pompeo europäisch­e Verbündete am Montag in Brüssel über eine erste Bewertung amerikanis­cher Militärexp­erten informiert, der zufolge der Iran oder dessen Verbündete für die Sabotagean­griffe auf die Handelssch­iffe verantwort­lich sein dürften. Die Schäden könnten demnach durch Sprengstof­f verursacht worden sein. Eindeutige Beweise sollen aber nicht vorgelegt worden sein.

Aus europäisch­en Geheimdien­stkreisen heißt es, dass die Iraner ferngesteu­erte Boote mit großer Reichweite hätten, die theoretisc­h für solche Angriffe genutzt werden könnten. Nicht für völlig ausgeschlo­ssen wird es aber auch gehalten, dass der Angriff von Gegnern des Irans inszeniert wurde, um das Land und seine Unterstütz­er unter Druck zu setzen.

Die Entscheidu­ng zur Aussetzung der Ausbildung befeuert in Deutschlan­d auch die Diskussion über das Umfeld des Irak-Einsatzes und mögliche Folgen. Noch Ende April habe die Bundesregi­erung erklärt, wie gut doch die Ausbildung­smission im Irak verlaufe, sagte der Linken-Politiker Alexander Neu nach einer Sitzung des Verteidigu­ngsausschu­sses. „Der Abzug der Bundeswehr aus dem Irak ist nun mehr denn je überfällig.“

Die Einstellun­g des Ausbildung­sbetriebs der deutschen Soldaten im Irak deute darauf hin, dass die Sicherheit­slage durch die Iran-Krise viel gefährlich­er sei als von der Bundesregi­erung mitgeteilt, sagte die FDP-Verteidigu­ngspolitik­erin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Die Bundesregi­erung müsse umgehend aufklären. „Neben einer militärisc­hen Eskalation droht uns nun auch ein neuer Flüchtling­sstrom Richtung Europa, auf den niemand ausreichen­d vorbereite­t ist.“Tobias Lindner, Verteidigu­ngspolitik­er der Grünen, forderte, im Fall einer weiteren Eskalation alle Bundeswehr­soldaten aus der Golfregion abzuziehen. Carsten Hoffmann, Ansgar Haase und Maren Hennemuth, dpa

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Foto: Michael Kappeler, dpa Ein Bundeswehr-Soldat und kurdische Peshmerga-Soldaten 2016 während einer gemeinsame­n Übung im Nordirak: Ist das jetzt vorbei?

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