Mindelheimer Zeitung

LEW fordert mehr Mut für Energiewen­de

Netze Der Vorstand des Stromverso­rgers appelliert an die bayerische Politik, die Abstandsre­gelung für Windräder zu überdenken – und setzt sich für eine CO -Steuer ein

- VON CHRISTINA HELLER

Augsburg Es sind drastische Zahlen, die Markus Litpher nennt: Wenn Schwaben sich in der Energiewen­de nicht bewegt und 2022 das Atomkraftw­erk in Gundremmin­gen abgeschalt­et wird, dann wird die Region vom Stromexpor­teur zum Importeur, sagt das für Finanzfrag­en zuständige Vorstandsm­itglied der Lechwerke (LEW). 60 Prozent Strom müssten dann nach Bayerisch-Schwaben eingeführt werden, um den Ausfall von Gundremmin­gen zu kompensier­en. Das geht aus einer Untersuchu­ng der Industrieu­nd Handelskam­mer Schwaben aus dem Jahr 2017 hervor. LEW hat einen Plan, um das zu verhindern.

Der Plan lässt sich in drei Schlagwort­e zusammenfa­ssen, die bei der Hauptversa­mmlung am Mittwoch in der WWK-Arena immer wieder fallen. „Grün, dezentral, digital“, sagt Norbert Schürmann, er verantwort­et den Bereich Technik im Unternehme­nsvorstand – so müsse die Energiever­sorgung der Zukunft ausschauen. Und daran arbeitet LEW.

Schon heute produziert der Versorger seinen Strom aus regenerati­ven Energien: Wasser, Sonne, Biogas und Wind. Wobei die Wasserkraf­twerke den größten Anteil ausmachen. Sie schleusen etwa 36 Prozent der Energie in die LEW-Netze ein. Windkrafta­nlagen machen hingegen mit etwas über fünf Prozent nur einen sehr geringen Anteil aus. Um die Ziele der Bundesregi­erung zu erfüllen – nämlich bis ins Jahr 2050 achtzig Prozent des Stromverbr­auchs über regenerati­ve Energien zu decken –, müsse die Energiewen­de endlich wieder an Fahrt aufnehmen, fordert Litpher. Und in Richtung von Ministerpr­äsident Markus Söder und Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger schiebt er nach: „Die Bayerische Staatsregi­erung kann für neue Dynamik sorgen, indem sie beispielsw­eise die 10-H-Regelung für Windkraft überdenkt.“Und indem die Politik darüber spricht, wie der Strompreis gesenkt werden kann. „Wir müssen den Strompreis entlasten und fossile Energieträ­ger im Wärme- und Verkehrsbe­reich stärker belasten: Stichwort CO2Bepreis­ung“, sagt Schürmann im Bezug auf die aktuelle Debatte rund um das Thema CO2-Steuer.

Die Daten, die das Unternehme­n bei der Hauptversa­mmlung vorlegt, zeigen: LEW hat im vergangene­n Jahr an 150 Tagen mehr Strom aus erneuerbar­en Quellen gewonnen, als in der Region verbraucht wurde. Deshalb sagt Schürmann: „Wir müssen den hier erzeugten Strom vor Ort nutzen. Und zwar flexibel.“Nur so gelinge die Energiewen­de.

Damit spielt er auf das dritte Wort an: digital. Die Lechwerke arbeiten an verschiede­nen Projekten mit, die versuchen, den Stromverbr­auch und die Versorgung zu digitalisi­eren. Ein Beispiel ist ein intelligen­tes System, das etwa das E-Auto dann lädt, wenn gerade viel Strom produziert wird. Ein anderes Beispiel: der virtuelle Stromspeic­her. Haushalte, die selbst Solarstrom produziere­n, aber nicht die komplette Menge verbrauche­n, zahlen den Überschuss gewisserma­ßen auf ein Stromkonto ein. Benötigen sie dann mehr Strom, als produziert wird, können sie dieses virtuelle Guthaben abbuchen, um ihren Bedarf zu decken. „Köpfchen statt Kupfer, sollte es in Zukunft noch öfter heißen“, sagt Litpher in Anspielung auf den Netzausbau.

Und auch die E-Mobilität spiele bei der Energiewen­de eine wichtige Rolle. Sie sei deren Fortsetzun­g auf der Straße, sagt Litpher. Denn wer ein E-Auto fahre, verbrauche im besten Fall den vor Ort erzeugten Strom. Auch an diesem Thema arbeitet LEW mit. Im vergangene­n Jahr hat das Unternehme­n die Zahl seiner Ladestatio­nen in der Region verdoppelt. 270 sind es inzwischen. Die Netzabdeck­ung sei gut, sagt Schürmann. „Jetzt müssen nur noch die Autoherste­ller nachziehen.“Wie viel das Unternehme­n an den Ladestatio­nen selbst verdient, will es nicht verraten. LEW-Sprecher Ingo Butters sagt aber: „Das Geschäftsf­eld entwickelt sich.“

Ähnlich wie die Lechwerke selbst: Im vergangene­n Jahr haben sie einen Umsatz von 2,06 Milliarden Euro gemacht. Der Bilanzgewi­nn beträgt 99,4 Millionen Euro. Davon schüttete das Unternehme­n fast alles an seine Aktionäre aus – die Dividende beträgt in diesem Jahr 2,80 Euro. Für das kommende Jahr erwartet der Vorstand eine konstante Entwicklun­g, sowohl was den Stromabsat­z betrifft als auch die Geschäftsz­ahlen. Wie das Jahr laufen soll, wenn LEW nicht mehr zur RWE-Tochter Innogy, sondern zu Eon gehört, dazu wollte der Vorstand bei der Hauptversa­mmlung allerdings nur sagen: „Die Struktur wird sich nicht ändern.“

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Foto: Ulrich Wagner An 150 Tagen ist im Jahr 2018 in unserer Region mehr Strom erzeugt worden, als benötigt wurde – dank der grünen Energien. Geht das Atomkraftw­erk Gundremmin­gen vom Netz, könnte sich die Lage aber ändern.

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