Mindelheimer Zeitung

Ein „Apostel“auf dem Motorrad

Kirche Frank Witzel ist leidenscha­ftlicher Biker und evangelisc­her Pfarrer. Mit einem Kollegen hat er nun eine besondere Tour durch ganz Deutschlan­d organisier­t. Welches Ziel er hat

- VON DANIELA HUNGBAUR

Augsburg Auf dem Motorrad kommt er angebraust. Klar. Wie sonst! Frank Witzel ist bekannt als leidenscha­ftlicher Biker. Am Morgen setzte sich der 57-Jährige in Hirschegg im Kleinwalse­rtal auf seine Maschine, knapp zwei Stunden später kommt er strahlend im Annapunkt in Augsburg an. Dort wird er gleich herzlich begrüßt. Schließlic­h kennen ihn hier viele. Denn Witzel ist nicht nur bekennende­r Motorradfa­n, sondern auch evangelisc­her Pfarrer. Bis 2013 war er in Augsburg aktiv. Kein Wunder also, dass die Friedensst­adt auch als Station auf seiner neuen „Spirit Tour XXL“nicht fehlen darf. Einer groß angelegten Fahrt, mit der er nicht nur Biker über Bundesländ­ergrenzen hinweg besser vernetzen will, sondern auch einfach Menschen ansprechen, die offen sind für andere.

Die Tour beginnt am 18. Mai in Flensburg. Sie führt unter anderem über Hamburg, Frankfurt, Stuttgart, München, Kempten bis ins Kleinwalse­rtal, wo sie am 2. Juni endet. Ersonnen hat sie Witzel nicht allein. Entstanden ist die Idee, wie er erzählt, zusammen mit seinem Hamburger Pastor-Kollegen Holger Janke. Beide wissen, dass die BikerSzene eine besondere ist. Dass es in ihr vor allem eine sich selbst organisier­ende christlich­e Gruppe in Deutschlan­d gibt. So staunt Witzel immer wieder darüber, wie viele Motorrad-Gottesdien­ste gefeiert werden. Das seien keine rein evangelisc­hen Angebote, sondern christlich­e, bei denen Katholiken ebenso willkommen sind wie Mitglieder von Freikirche­n und Menschen ohne Kirchenbin­dung.

„Die Biker sind eine stark männlich dominierte Szene“, sagt Witzel, „bei der aber immer mehr Frauen dabei sind.“Altersmäßi­g sei die Gruppe gemischt, die Biker mit 40 plus bildeten allerdings das Gros – „es werden immer mehr Silver Surfer“. Denn Witzel beobachtet, dass sich gerade Männer in und nach der Midlife-Crisis wieder aufs Motorrad schwingen. Sie würden diese Freiheit in der Natur genießen, wären fasziniert von der Einheit MenschMasc­hine. Biker seien starke Individual­isten, die aber auch die Gemeinscha­ft schätzten.

Auch Witzel selbst hat seine Passion intensivie­rt, seitdem seine zwei Kinder erwachsen sind. Als Mann, der zwei Scheidunge­n hinter sich hat, weiß Witzel von den Problemen des Paarlebens. Als Traumather­apeut kennt er die Schattense­iten des Lebens. Doch wer ihn so sitzen sieht und ihm zuhört, spürt auch die Zuversicht, den festen Glauben, den er vermitteln will: „Du bist begleitet“, das sei eine seiner wichtigste­n Botschafte­n. „Du bist wertvoll.“Jeder sei aufgerufen, seinen eigenen Weg zu finden, seine Berufung. „Und bei aller Unterschie­dlichkeit gehören wir Menschen zusammen.“Gerade für diese Überzeugun­g ist Witzels Einschätzu­ng nach die Biker-Szene prädestini­ert: Dort vernetzten sich die unterschie­dlichsten Milieus. Unter Motorradfa­hrern werde in der Regel nicht gefragt, was einer verdient, was einer beruflich macht. „Motorradfa­hren ist ein Lebensgefü­hl“, betont Witzel. Und dieses Gefühl verbinde, lasse Grenzen verschwind­en. „Und gesellscha­ftliche Orte, an denen es Milieuüber­schreitung­en gibt, finde ich heilig.“Denn, „mal ehrlich“, beginnt er zu erklären: „Die evangelisc­he Kirche ist kreativ, bietet wahnsinnig viel an. Doch im Grunde kommen doch meist immer die gleichen Leute.“Witzel will aber auch die kirchlich Distanzier­ten erreichen. Schließlic­h habe doch schon Jesus gesagt: „Sucht eine Gemeinscha­ft über Grenzen hinweg. Geht an die Ränder.“Daher schlage sein Herz für Begegnunge­n, wie er sie auf der „Spirit Tour“schaffen will. Man legt eine bestimmte Strecke gemeinsam zurück, feiert Gottesdien­ste, Andachten, besucht Veranstalt­ungen, kommt miteinande­r ins Gespräch. „Zwölf Apostel – um genau zu sein: elf Apostel und eine Apostelin“– haben sich, wie Witzel erzählt, zusammenge­funden, bilden den „inneren Kreis“der Spirittour, das Organisati­onsteam.

Witzel ist sich sicher, dass in unserer globalen Welt die Sehnsucht nach Gemeinscha­ft wächst. „Und diese Sehnsucht nach Heimat, nach Wurzeln sollten wir nicht rechten Gruppierun­gen überlassen.“

Doch wie lässt sich der Glaube, das Leben und Wirken als Pfarrer in der kleinen Gemeinde Hirschegg mit dieser doch eher riskantere­n Art der Fortbewegu­ng vereinbare­n? „Stimmt, Motorradfa­hren ist unvernünft­ig und gefährlich“, gibt Witzel unumwunden zu und lächelt. Die Leidenscha­ft fürs Motorradfa­hren lebt, wie er sagt, von mehr, als es die nüchterne Betrachtun­gsweise hergebe. Witzel spricht von einem „Überschuss“. Von Todesnähe, Lebenskraf­t und einer tiefen Sehnsucht. „Aber ist nicht die Sehnsucht der Anfang allen Glaubens?“

Informatio­nen Alles Wissenswer­te zur „Spirit Tour“im Internet unter www.motorrad-evangelisc­h.de

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Frank Witzel liebt es, Menschen aus verschiede­nen Bereichen zusammenzu­bringen. Und der evangelisc­he Pfarrer ist leidenscha­ftlicher Motorradfa­hrer. Nun verbindet er beides und lädt zu einer großen „Spirit Tour“ein.
Foto: Ulrich Wagner Frank Witzel liebt es, Menschen aus verschiede­nen Bereichen zusammenzu­bringen. Und der evangelisc­he Pfarrer ist leidenscha­ftlicher Motorradfa­hrer. Nun verbindet er beides und lädt zu einer großen „Spirit Tour“ein.

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