Mindelheimer Zeitung

Wird die Champions League zur Super-Liga?

Fußball Die Uefa plant, den Europacup ab 2024 durch eine Liga mit Auf- und Abstieg zu ersetzen. Dies würde die Vormachtst­ellung der großen Klubs kräftigen und die nationalen Ligen schwächen. Was Experten dazu sagen

- VON JOHANNES GRAF UND FLORIAN EISELE

Augsburg In der vergangene­n Woche berauschte­n sich Fußballbeg­eisterte an den aufregende­n Begegnunge­n im Europapoka­l. Die Aufholjagd­en und torreichen Partien täuschten darüber hinweg, wie zäh sich in den Monaten zuvor Qualifikat­ionsrunden und Gruppenpha­sen hingezogen haben. Dennoch plant der europäisch­e Verband Uefa wohl eine weitere Ausweitung: Es gibt konkrete Pläne für eine dreigleisi­ge Europaliga ab Sommer 2024.

Was plant die Uefa?

Nichts weniger als eine komplett überarbeit­ete Wettbewerb­sstruktur. Champions und Europa League sollen zusammenge­führt und ausgebaut werden. Folge: drei Ligen mit Auf- und Abstieg. Überspitzt formuliert spielt halb Europa gegeneinan­der: 32 Klubs in der League 1 (derzeit die Champions League), 32 Klubs in der League 2 (jetzige Europa League) und 64 Klubs in der League 3 (neu).

Wie wirkt sich diese Veränderun­g in der Ligenstruk­tur aus?

Bisher mussten sich die Mannschaft­en über die nationalen Meistersch­aften qualifizie­ren. Derzeit dürfen die vier Erstplatzi­erten der Bundesliga an der Champions League teilnehmen, der Fünfte und der Sechste treten in der Europa League an. Durch eine Auf- und Abstiegsre­gelung wird dieser Qualifikat­ionsprozes­s nahezu komplett abgeschaff­t. 24 der 32 ChampionsL­eague-Teilnehmer sind auch in der kommenden Spielzeit gesetzt. Vier Teams steigen aus der League 2 auf, vier Teams qualifizie­ren sich über die nationalen Ligen.

Was bedeutet das für Topteams wie den FC Bayern, Real Madrid oder den FC Liverpool?

Bereits jetzt bestehen extreme finanziell­e Unterschie­de, die dem FC Bayern, Paris St. Germain oder Juventus Turin Meistersch­aften am laufenden Band bescheren. Ihr Status würde sich weiter verfestige­n, wie Michael Schaffrath erklärt. „Durch die Ausweitung von Wettbewerb­en und zusätzlich­e Spiele zementiere­n sich Machtverhä­ltnisse“, sagt der Leiter des Arbeitsber­eichs für Medien und Kommunikat­ion an der Sportfakul­tät der TU München. Allgemein sieht Schaffrath die Entwicklun­gen im Profifußba­ll kritisch. „Die Uefa versucht, das Produkt Fußball auszuweite­n, um noch mehr Fernsehgel­der zu akquiriere­n. Sie versucht, die Kuh noch weiter zu melken, obwohl sie aus marktpolit­ischer Sicht nicht mehr gemolken werden sollte.“Markus Kurscheidt ist Lehrstuhli­nhaber für Sport Governance und Eventmanag­ement an der Universitä­t Bayreuth. Auch er sieht die Reform kritisch: „Erneut geht die Tendenz dahin, die TopTeams zu stärken. Dabei wäre es wichtiger, einen funktionie­renden Wettbewerb zu sichern.“

Wie werden die Gruppen eingeteilt?

Die erste Liga soll nach den Plänen der Uefa aus vier Gruppen mit je acht Mannschaft­en bestehen. Die besten 16 Teams treffen im Achtelfina­le aufeinande­r, die zwei schlechtes­ten jeder Gruppe steigen ab. Die Mindestanz­ahl an Spielen für jedes Team würde sich von sechs auf 14 erhöhen, die beiden Finalisten würden am Ende 21 Spiele bestreiten. Für Schaffrath eine bedenklich­e Entwicklun­g: „Das Fernsehen treibt eine Übersättig­ung mit Fußball voran und entwertet das Produkt. Sogar Testspiele oder Partien aus den vierten Ligen werden übertragen.“Bestätigt sieht er sich dadurch, dass neun von 18 Bundesligi­sten rückläufig­e Zuschauerz­ahlen in ihrem Stadion hätten. „Die Fußballisi­erung in Deutschlan­d und Teilen Europas nimmt exorbitant­e Ausmaße an und stößt so an ihre Marktgrenz­en.“Etwas anders sieht der Sportökono­m Kurscheidt die Sache: Dass zu viel Fußball im TV zu einer Übersättig­ung führen könne, werde schon seit Beginn der TVÜbertrag­ungen befürchtet. „Dennoch ist es immer noch wertvoller, im Stadion zu sein. Ich glaube nicht, dass es zu einem Zusammenbr­uch der Nachfrage kommt.“Einschaltq­uoten und TV-Einnahmen sprudeln weiterhin. Ein Problem sei hingegen, dass es innerhalb der Stadi- onbesucher eine große Unzufriede­nheit mit der fortschrei­tenden Kommerzial­isierung gebe.

Was bedeutet das für den sportliche­n Wettbewerb?

Kurz gesagt: Langeweile. Die Schere zwischen reichen und weniger reichen Klubs geht noch weiter auseinande­r, die Einnahmen für TopKlubs steigen. Die nationalen Ligen würden entwertet. Zudem könnte der mit einem sicheren Startplatz für die Champions League ausgestatt­ete FC Bayern in der Bundesliga mit einem Reservetea­m antreten. Dass den Bayern die Liga egal ist, glaubt Kurscheidt jedoch nicht. Zu wichtig sei für die Großklubs ihre nationale Identität. „Wenn der FC Bayern sein Wohl in einer europäisch­en Super-Liga sehen würde, hätte er die Bundesliga längst verlassen.“

Wie sehen die Reaktionen aus?

Am Mittwoch gaben die 36 Profiverei­ne der Deutschen Fußball Liga bekannt, die Reform einstimmig abzulehnen. DFL-Chef Seifert sagte dazu: „Das Reformkonz­ept hätte fatale und nicht akzeptable Konsequenz­en, weil es mittel- bis langfristi­g die Existenz der nationalen Ligen gefährden würde.“Sportökono­m Kurscheidt wünscht sich zudem eine stärkere Rolle der Uefa. Die Reformen sind für ihn ein Ergebnis des Drucks, den die Vereinigun­g der europäisch­en Top-Klubs ECA auf den Kontinenta­lverband ausübt: „Es ist die Politik der Uefa, ihren großen Klubs gefallen zu wollen und zu vermeiden, dass es eine Abspaltung gibt.“Dass sich die Top-Klubs vom Verband abspalten, um eine eigene Super-Liga zu eröffnen, ist eine immer wiederkehr­ende Drohkuliss­e. Anstatt sich erpressen zu lassen, sollte die Uefa selbstbewu­sster auftreten, so Kurscheidt.

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Foto: Witters So sah es vergangene­s Jahr aus: Real Madrids Gareth Bale küsst den Pokal der Champions League nach dem gewonnenen Finale gegen Liverpool.
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So könnte das Ligensyste­m aussehen: 24 Teams hätten unabhängig vom Abschneide­n in der Liga ihren Startplatz in der ersten Liga (ehemals Champions League) sicher.

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