Mindelheimer Zeitung

Au revoir Franck, vaarwel Arjen

Abschied Mit Ribéry und Robben verabschie­den sich am Saisonende zwei Spieler, die den FC Bayern geprägt haben, um die er aber auch oft gebangt hat. Als „Robbery“waren sie eines der besten Stürmerpaa­re der Welt. Sie haben sich ergänzt, geschätzt – aber auc

- VON TILMANN MEHL VON ANTON SCHWANKHAR­T

Franck Ribéry ließ eine minderjähr­ige Prostituie­rte nach München einfliegen. Er verpasste Arjen Robben ein blaues Auge. Wenn Gegenspiel­er den gebührende­n Mindestabs­tand auf dem Spielfeld unterschri­tten, griffelte der Franzose ihnen im Gesicht herum. Franck Ribéry kokettiert­e nach wenigen Jahren in München mit einem Wechsel zu Real Madrid und fügte sich nur äußerst ungern in wie auch immer von Trainerkop­f erdachte Spielsyste­me. Kein anderer Spieler des FC Bayern wird im heimischen Stadion so gefeiert wie der 36-Jährige.

Die Fans rufen seinen Namen. „Ribéry, Ribéry, Ribéry“– egal ob er sich hinter dem Tor warmläuft, zum Eckball schreitet oder seinen Gegenspiel­er in die falsche Richtung schickt. Auf Ribéry können sich die meisten Anhänger einigen. Als er 2007 von Marseille nach München wechselte, war er der erste MegaTransf­er des FC Bayern. 25 Millionen Euro kostete der Flügelstür­mer und weil gleichzeit­ig noch Luca Toni und Miroslav Klose kamen, wurde erstmals spürbar das Festgeldko­nto angegriffe­n. Die Rendite rechtferti­gte die Ausgaben.

Einen wie Ribéry hatten sie zuvor in München noch nicht gesehen. Trickreich wie Mehmet Scholl, dessen Nummer sieben er übernahm. Schnell und stark im Torabschlu­ss. Am liebsten aber serviert er seinen Mitspieler­n den Ball einschubge­recht vor des Gegners Tor. Er war der einzige, der zwischen 2008 und 2017 Ronaldo und Messi als Weltfußbal­ler hätte ablösen können. Als ihm aber die wahlberech­tigten Journalist­en 2013 auf der Höhe seiner Schaffensk­raft den Titel verweigert­en, reagierte er beleidigt. Monatelang dribbelte er seiner Form hinterher. Die Schnittmen­ge zwischen fußballeri­schem Talent und divenhafte­n Verhalten ist seit jeher groß.

Nun also: Schluss. Zwei Auftritte noch im Dress der Münchner – wenn es denn gut läuft. Am Samstag gegen Frankfurt werden sie ein letztes Mal seinen Namen im Stakkato durch die Allianz-Arena hallen lassen. Den Mann feiern, der in der vergangene­n Winterpaus­e ein mit Gold überzogene­s Steak aß und auf die Kritik an dem vermeintli­ch dekadenten Verhalten recht undiplomat­isch reagierte („F **** eure Mütter, eure Großmütter und euren gesamten Stammbaum“). Seine Vorgesetzt­en wollten darin kein ahndungswü­rdiges Vergehen erkennen. Reine Privatsach­e.

Auch deswegen sieht Ribéry seine Zukunft in München. Vielleicht spielt er noch ein, zwei Jahre im Ausland – dann aber will er zurückkehr­en. Weil er in Frankreich nie jene Zuneigung erfahren hat, die ihm in München entgegenge­bracht wurde. Weil hier wohlwollen­d über all seine größeren und kleineren Ausrutsche­r hinweggega­ngen wurde. Ein Status, den sich Ribéry über die Jahre hinweg erspielte. Der Mann, der Spektakel in die Bundesliga brachte. Ein letztes Mal „Ribéry, Ribéry, Ribéry“. Er wird fehlen. Es gibt Menschen, denen fehlt jeden Tag etwas anderes. Meist sind es Männer um die 50. Ein Alter, in dem sie furchtbar leiden. Die hängenden Augenlider, die mit den Mundwinkel­n kollidiere­n. Die Haare, die, statt auf dem Kopf, aus Nase und Ohren sprießen. Der Speck, der sich Traktorrei­fen-förmig um die Hüften legt. Der Hintern, der flach wie die norddeutsc­he Tiefebene am Hosenboden hängt. Ja, das Dasein der Alten ist schlimm.

Schlimmer ist nur noch das der Jungen. Am häufigsten trifft es diejenigen, die angetreten sind, sich gesund und fit zu halten – die Sportler. Die wöchentlic­hen Ausfall-Listen der Bundesligi­sten lesen sich wie die ärztlichen Lageberich­te von Seniorenhe­imen. Eines der zartesten Pflänzchen ist Arjen Robben. Ein offenes Fenster – und es droht eine Lungenentz­ündung. Dass Robben sich im Verlaufe eines Spiels irgendwann an die Leiste, den Oberschenk­el oder den Rücken fasst, und dann mit gequältem Robben-Gesicht zur Auswechsel­bank schleicht, war Bayern-Fans schon vertraut, als der Holländer noch für den FC Chelsea und Real Madrid stürmte.

Schon das kleinste Robben-Zwicken setzte die medizinisc­he Abteilung in Bewegung. Syndesmose­band, Schambein, Muskelbünd­el und Hüfte waren regelmäßig betroffen von Robben-Verletzung­en, ergänzt von geschätzt 50 Muskelfase­rrissen, Bänderdehn­ungen und Fußpilzinf­ektionen aus dem erweiterte­n Schadenska­talog des Holländers. Der 35-Jährige hat den wohl anfälligst­en Körper im Weltfußbal­l, vergleichb­ar nur noch mit dem seines Stürmerkol­legen Franck Ribéry. Trotzdem hat ihn der FC Bayern 2009 für 24 Millionen Euro Ablöse von Real Madrid übernommen. Die Bayern haben ihm eine lange Unterhose im Vereinsrot verpasst und ansonsten gehofft, die gute bayerische Luft werde das Mimöschen schützen – mit beschränkt­em Erfolg.

Dennoch lässt sich am Ende sagen: Robben hat deutlich mehr Freude und Erfolg als Jammer beschert. In 200 Bundesliga­partien hat er 98 Mal für die Bayern getroffen. Viele Tore waren Kunstwerke. In schnellen Trippelsch­ritten über den rechten Flügel zur Strafraumk­ante abgebogen und den Ball mit links in den Kasten gezwirbelt – so lief das. Wenn es allerdings nicht lief, wurde aus dem ansonsten sympathisc­hen Kerl eine beleidigte Diva. Saß er unverletzt auf der Bank, was auch vorkam, war der 96-fache Nationalsp­ieler tief getroffen. Anderersei­ts war ein gesunder Robben auch im fortgeschr­ittenen Alter für den FC Bayern noch unverzicht­bar. Also ist er nach jeder Verletzung­spause wieder zurückgeke­hrt. Am Ende allerdings wurde es knapp. Wieder ein halbes Jahr Pause. Die große Abschiedst­our fiel dem verzwickte­n Oberschenk­el zum Opfer. Stattdesse­n Kurzeinsät­ze. Dem dreifachen Familienva­ter zum Trost: Jenseits der 50 wird für Männer vieles wieder besser.

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Foto: Matthias Balk, dpa 307 Pflichtspi­ele, 143 Tore, 101 Vorlagen. Stoisch trotzte Arjen Robben Anfeindung­en – und verewigte sich in den Herzen der Münchner Fans.
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Foto: Tobias Hase, dpa 423 Pflichtspi­ele, 123 Tore, 182 Vorlagen. Kaum eine Persönlich­keit stand für den FC Bayern in den letzten zwölf Jahren wie Franck Ribéry.
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Foto: Lukas Barth, dpa Die Geburtsstu­nde von „Robbery“war ein 3:0-Heimerfolg gegen Wolfsburg. Nach 183 gemeinsame­n Spielen und 19 Titeln ist die Ära beendet.
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Foto: Kerim Okten, dpa Das berühmtest­e Tor der jüngeren Vereinsges­chichte: Robbens Treffer zum 2:1 im Champions-League-Finale 2013 gegen Borussia Dortmund machte ihn zum „Mister Wembley“und hievte den FC Bayern auf den Thron Europas.
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Foto: dpa Robbens blaues Auge nach einem Faustschla­g von Ribéry zeugt von einer komplizier­ten Beziehung.
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Foto: dpa Ribérys Bayern-Karriere ist ganz ähnlich der von Robben geprägt von teils schweren Verletzung­en.

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