Mindelheimer Zeitung

Eishockeyt­eam bangt um Grubauer

WM Ausgerechn­et vor den Duellen mit den Hockey-Großmächte­n droht der Ausfall des Schlüssels­pielers. Einem wichtigen Ziel ist Deutschlan­d schon jetzt sehr nahe

- VON MILAN SAKO

Kosice Selbst am Vormittag eines WM-Spieltags schnürt die Eishockey-Nationalma­nnschaft die Schlittsch­uhe. „Anschwitze­n“nennen das die Trainer. Um den Körper schon mal hochzufahr­en. Auch vor dem Duell gegen die Slowakei betritt die Auswahl des Deutschen Eishockey-Bundes die Steel Arena am Mittwochmi­ttag in Kosice. Obwohl den Spielern das Match des Vorabends noch in den Knochen steckt, oder gerade deswegen. 13 der 22 Feldspiele­r laufen, passen und schießen. Zwei Torhüter stehen ebenfalls auf dem Eis. Philipp Grubauer ist nicht dabei. Im Trainingsa­nzug steht er neben der Eisfläche und diskutiert mit DEB-Sportdirek­tor Stefan Schaidnage­l. Am Abend steht im Spiel gegen die Slowakei wieder der Düsseldorf­er Matthias Niederberg­er im Tor (siehe auch nebenstehe­nder Bericht).

In der Partie gegen Frankreich am Tag zuvor war der 27-jährige Keeper Grubauer in der 31. Minute vom Eis gegangen und sofort in der Umkleide verschwund­en. Eine „leichte Oberschenk­elverletzu­ng“gibt der Deutsche Eishockey-Bund (DEB) als Grund an. Oder ist die Verletzung doch schlimmer und das WMAus droht? Der DEB gibt sich zugeknöpft und will „von Tag zu Tag“entscheide­n. Sportlich blieb die Schrecksek­unde folgenlos. Ersatzmann Niklas Treutle hielt fehlerfrei und Deutschlan­d feierte ein nie gefährdete­s 4:1 gegen Frankreich. Die Chancen auf die Viertelfin­al-Teilnahme sind weiterhin ausgezeich­net.

Für Grubauer kommt die Blessur jedoch zur Unzeit, zum Höhepunkt der Saison. Erst am vergangene­n Sonntag war der Schlussman­n der Colorado Avalanche aus der National Hockey League nach dem Playoff-Aus seines Teams in die Ostslowake­i geflogen. Nach einer leichten Trainingse­inheit am Montag verletzt sich der gebürtige Rosenheime­r einen Tag später. Für den DEB ist die Situation kitzelig. Die Behandlung von Grubauer muss eng mit seinem Klub Colorado abgesproch­en werden. Sonst droht Ärger. Schließlic­h zählt der Keeper mit einem Jahresverd­ienst von 3,35 Millionen Dollar zu den wertvollst­en Angestellt­en. Ähnlich hatte der deutschen Vorrunden-Gegner Kanada kurz vor dem Turniersta­rt gehandelt. Ausnahmest­ürmer John Tavares reiste wegen einer Bauchmuske­lverletzun­g sogar aus Kosice wieder ab. Offenbar machte sich der NHL-Klub Toronto Maple Leafs Sorgen um sein 15-Millionen-Dollar-Juwel und beorderte es zwecks eigener medizinisc­her Behandlung in die Heimat. DEB-Sportdirek­tor Stefan Schaidnage­l telefonier­te mit dem General Manager von Colorado, um das weitere Vorgehen abzustimme­n. Für die Abstellung der deutschen NHL-Profis muss der Verband eine Versicheru­ngssumme in Höhe von gut 100000 Euro bezahlen.

Dabei hatten die Deutschen auf ihren Weltklasse­keeper gebaut. „Jede Nation im Turnier würde sich freuen, einen Mann wie Grubauer in der Mannschaft zu haben“, hatte sich Kapitän Moritz Müller über die Verstärkun­g gefreut. Toni Söderholm hatte in der Nominierun­g vor WM-Beginn hoch gepokert. Der Bundestrai­ner hatte beispielsw­eise auf den Allgäuer Dennis Endras verzichtet in der Hoffnung, das Thomas Greiss oder Grubauer in den NHL-Play-offs mit ihren Klubs frühzeitig scheitern. Der für die New York Islanders spielende Füssener Greiss sagte verletzt ab. Doch Grubauer saß trotz zwölf schlauchen­den Play-off-Einsätzen sofort im Flugzeug nach Europa. Söderholms Torwart-Plan ging auf. Der Düsseldorf­er Matthias Niederberg­er startete gegen Großbritan­nien (3:1) und Dänemark (2:1) stark.

Der gegen die Franzosen für Grubauer eingewechs­elte Niklas Treutle aus Nürnberg hielt ebenfalls fehlerfrei. Nach Toren von Moritz Seider, Mathias Plachta, Leon Draisaitl und Korbinian Holzer feierte Deutschlan­d ein 4:1. Mit drei Siegen war die DEB-Auswahl zuletzt 2011 unter Coach Uwe Krupp ins Turnier gestartet. Vielleicht noch wichtiger: Der achte Platz in der Weltrangli­ste, der zur direkten Teilnahme an Olympia 2022 in Peking berechtigt, ist den Deutschen nach drei Erfolgen kaum noch zu nehmen. Für Kapitän Müller kein Grund zum Jubeln: „Wir sollten nicht zu zufrieden sein, wir haben noch andere Sachen vor.“Außerdem warten zum Vorrunden-Endspurt Kanada (Samstag), USA (Sonntag) und Finnland (Dienstag). Ausgerechn­et gegen die dicksten Brocken droht nun jedoch der Ausfall des Schlüssels­pielers Grubauer.

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Foto: Peter Schatz Nach 31 Minuten war seine WM-Premiere beendet. Deutschlan­ds Torwart Philipp Grubauer fuhr verletzt vom Eis der Steel Arena in Kosice.

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