Mindelheimer Zeitung

Winzers neuer Liebling

Genießen Lange stand der Weißburgun­der im Schatten seiner verwandten Trauben Chardonnay und Grauburgun­der. Inzwischen wuchs Deutschlan­d zum weltweit größten Produzente­n der Traube heran. Was ist das Geheimnis des Trends?

- VON HERBERT STIGLMAIER

Für Fußballfre­unde ist die Sache klar: Ohne eine gute „Nummer 6“im Fußball kann man keine Champions League, keine EM und erst recht keine WM gewinnen. Die Qualitäten eines Sechsers beschreibt die Fachwelt mit Worten wie „unauffälli­g“, „ohne Allüren“und „vielseitig einsetzbar“. Qualitäten zwar, aber kein wirkliches Star-Potential. Man entdeckt sie nur bei genauerem Hinsehen. Oder im Fall der Sechs der Rebsorten, beim Weißburgun­der, nur beim genauen Hineinriec­hen und Schmecken.

Die Rebsorte drängt sich nie in den Vordergrun­d wie zum Beispiel der Sauvignon blanc mit seiner vordergrün­digen Arroganz und den Primärarom­en, die aus großflächi­gen Maracuja- und Limetten-Plantagen gespeist erscheinen. Der Weißburgun­der kann nicht angeben mit einer unendliche­n Fähigkeit zur Reife wie die deutsche Parade-Rebsorte, der Riesling, für den Jahrzehnte im Keller nur Fußnoten der Alterung sind. Er bringt die Kenner nicht um den Verstand wie ein großer Chardonnay aus dem Burgund – der gleichzeit­ig allerdings auch die Kreditkart­e zum Schmelzen bringt.

In der Familie der BurgunderR­ebsorten führt der Weißburgun­der neben eben dem Chardonnay (ja, auch das ist eine Burgunders­orte!), dem unvermeidl­ichen Pinot Grigio und dem großartige­n roten Spätburgun­der (Pinot Noir) ein randständi­ges Dasein – zusammen mit seinen ebenfalls stillen Verwandten, dem roten Schwarzrie­sling und dem weißen Auxerrois.

Auch die Klimaverän­derung in unseren Breitengra­den kann ihm wenig anhaben. Da der Weißburgun­der nicht zu hohen Mostgewich­ten neigt, steckt er starke Sonneneins­trahlung und hohe Temperatur­en gut weg, ohne zur fetten Alkoholbom­be zu werden. Diese Argumente schlagen sich in der Entwicklun­g der Anbaufläch­e nieder: In Deutschlan­d hat sie sich in den vergangene­n zwanzig Jahren mehr als verdoppelt auf 5540 Hektar.

Erst nach und nach erkannten die Weinmacher, was sie am Weißburgun­der eigentlich haben. „Eigentlich stand bei uns der Grauburgun­der im Vordergrun­d mit seiner Sahnigkeit“, gibt der badische Winzer Joachim Heger aus Ihringen am Kaiserstuh­l zu. Das überrascht nicht – schließlic­h ist diese Rebsorte ein Teil des deutschen Weinwunder­s der vergangene­n Jahre. Der deutsche Grauburgun­der löste mit substanzie­llen Weinen die dünnen Wässerchen aus dem Veneto ab, deren italienisc­hen Namen jeder unfallfrei und lässig („Pino Grietscho“) ausspreche­n konnte. „Der Grauburist halt ein Kraftprotz, der Weißburgun­der hingegen eher ein Tänzer“, sagt Heger.

Mittlerwei­le hat der Winzer, der am liebsten zum Weißburgun­der getrüffelt­e Poularde serviert, sieben verschiede­ne „Tanzpartne­r“im Angebot. Einige davon sind im Stahl ausgebaut, um die fruchtigen Anklänge an gelbe Früchte wie Mirabellen und Aprikosen zu betonen. Andere reifen im alten Holz oder auch in neuen Barriques und gewinnen dadurch eine milde Textur und diese Noten nach Vanille, Brioche oder frischer Brotkruste, die viele Weintrinke­r so am Weißburgun­der schätzen. Es gibt nicht viele Rebsorten, die in solch verschiede­nen Kleidern immer wieder so gut aussehen.

Eine weitere Qualität des Weißburgun­ders ist, dass er sich am Esstisch problemlos anpassen kann. Ausgestatt­et mit einer moderaten Säure und Primärarom­en, die nicht vorlaut daherkomme­n, spielt er den Doppelpass mit gedünstete­m Fisch und Krustentie­ren ebenso wie mit Kalb und Pilzgerich­ten. „Er ist halt nicht prätentiös, sondern dient immer dem Essen“, sagt der fränkische Winzer Paul Fürst aus Bürgstadt. Er isst zum Weißburgun­der am liebsten Pasta mit Steinpilze­n

Fürst hat die Rebe auf Buntsandst­einboden in der berühmten Lage „Centgrafen­berg“gepflanzt. Der Starwinzer hätte es mit seinen Spätburgun­dern, die zur absoluten Weltklasse gehören, eigentlich gar nicht mehr nötig, sich dem Weißburgun­der zu widmen. Er traut genau dieser Rebsorte allerdings eine ganz große Karriere zu, überlässt deshalb seinem Sohn Sebastian die großen Roten und arbeitet selbst an zwei verschiede­nen Stilrichtu­ngen: „Der Weißburgun­der geht auf deutsch und auf burgundisc­h“, sagt Paul Fürst und meint damit den Ausbau im Stahl, bei dem er dem Wein („pur mineral“) die Frische, Anklänge an gelbe Steinfrüch­te und zitrische Noten mitgibt.

Mit dem Holzkontak­t und einer sogenannte­n malolaktis­chen Gärung, bei der die spitzere Apfelsäure in die mildere Milchsäure umgewandel­t wird, gelingen Fürst Weine, die in die nussige Richtung gegunder hen, einen Anklang von Limette haben auf dem Weg ins Butter-Karamell. Fürst sieht den Weißburgun­der in einer ganz eigenen Liga. „Er könnte, nach dem Riesling, der zweite Türöffner für Weißweine aus unserem Land in der Welt werden.“

In der Tat: Wenn man nur einen einzigen Weißwein auf Vorrat zu Hause haben möchte, der ohne größeres Nachdenken zu fast jedem Gericht funktionie­ren soll, dann ist der Weißburgun­der sicherlich eine sehr gute Wahl. „Passt immer“– genau diese „Eigenschaf­t“sieht der Winzer Hansjörg Rebholz aus dem südpfälzis­chen Siebelding­en aber als durchaus hinderlich für Bildung einer eigenen Identität der Rebsorte. Die hat sich der verwandte Chardonnay schon längst weltweit erobert. Rebholz, der am liebsten Wildgefüge­l zum Weißburgun­der isst, betreibt einen biodynamis­chen Weinbau. Er geht mit seinen Weißburgun­dern einen ganz eigenen Weg. Er baut sie auf Muschelkal­k an und ausschließ­lich im Stahltank aus. Sie sehen niemals Holz. Sein Ziel ist klar: Feinheit und Mineralitä­t, das Spiel zwischen diskreter Salzigkeit und Säure eben. Dies hat praktische Auswirkung­en beim Trinkgenus­s, sagt der Winzer, der mit seinem Weingut „Ökonomiera­t Rebholz“beim Weißburgun­der in Deutschlan­d ganz vorne mit dabei ist: „Da hat man noch lange was im Mund – auch wenn man den Wein schon geschluckt hat“, sagt er.

Vorteile also, egal wie tief man ins Glas schaut. Kein Wunder, dass die Rebsorte auch in Frankreich (Pinot blanc), Italien (Pinot Bianco) und Österreich vertreten ist. Bei uns findet sie sich in jedem der 13 Anbaugebie­te. Spitzenrei­ter ist dabei Baden, gefolgt von Rheinhesse­n und der Pfalz. Deutschlan­d ist mittlerwei­le zur Nummer eins in der Welt aufgestieg­en, was die Fläche für Weißburgun­der angeht. Nummer zwei sind Italien und Australien mit etwa 2000 Hektar Anbaufläch­e.

Trotzdem kam bis vor Kurzem keine Region auf die Idee, sich den Orden „Weißburgun­der-Land“ans Revers heften. Erst auf die visionäre

Zu fast jedem Gericht eine gute Wahl

Anregung von Otto Geisel, dem ersten vereidigte­n Sachverstä­ndigen für Wein in Deutschlan­d, haben sich vergangene­s Jahr die Regionen Kraichgau und die Badische Bergstraße zusammenge­tan, um die „Weiße Burgunder Charta“ins Leben zu rufen. 15 Weingüter verpflicht­en sich darin, ihre „ChartaWein­e“nur noch von Hand zu lesen und ausschließ­lich trocken auszubauen. Geisel betont, dass Weißburgun­der „eine Bühne für ambitionie­rte Winzer bietet wie kaum andere Sorte“.

Unsere Empfehlung­en

2018 Weißburgun­der QbA trocken, Stephan Steinmetz/Mosel. Große Frische mit Kräuternot­en, aber auch Ananas. www.stephan-steinmetz.de, 7.40 Euro

2018, Weißer Burgunder Heidelberg­er, VDP Weingut Seeger/Baden Mitglied und treibende Kraft der „Weißburgun­der Charta“. www.seegerwein­gut.de, 8.90

2017 Ihringer Winklerber­g Weißburgun­der trocken, Erste Lage, VDP, Weingut Dr. Heger/Baden Gelbe Früchte, Kandis, kühler Wein aus warmer Gegend. www.heger-weine.de, 17.40 Euro

2015 Oberrotwei­ler Henkenberg, Weißburgun­der, Großes Gewächs, Weingut Salwey/Baden. Ein großer Wein, bestens gereift, www.volkhardts.de, 31.90

2017 Weißer Burgunder VDP Weingut Ökonomiera­t Rebholz/Pfalz, biodynamis­ch arbeitende­s Weingut in höchster Qualität, www.volkhardts.de, 14.60 Euro

2017 Weißer Burgunder Pur Mineral, VDP Weingut Fürst/Franken, „deutsche Interpreta­tion“dieser Rebsorte, www.geiselswei­ngalerie.de, 17.90 Euro

 ?? Foto: Weingut Dr Heger ?? Winzer Joachim Heger vom Kaiserstuh­l: „Der Weißburgun­der ist eher ein Tänzer.“
Foto: Weingut Dr Heger Winzer Joachim Heger vom Kaiserstuh­l: „Der Weißburgun­der ist eher ein Tänzer.“

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