Winzers neuer Liebling
Genießen Lange stand der Weißburgunder im Schatten seiner verwandten Trauben Chardonnay und Grauburgunder. Inzwischen wuchs Deutschland zum weltweit größten Produzenten der Traube heran. Was ist das Geheimnis des Trends?
Für Fußballfreunde ist die Sache klar: Ohne eine gute „Nummer 6“im Fußball kann man keine Champions League, keine EM und erst recht keine WM gewinnen. Die Qualitäten eines Sechsers beschreibt die Fachwelt mit Worten wie „unauffällig“, „ohne Allüren“und „vielseitig einsetzbar“. Qualitäten zwar, aber kein wirkliches Star-Potential. Man entdeckt sie nur bei genauerem Hinsehen. Oder im Fall der Sechs der Rebsorten, beim Weißburgunder, nur beim genauen Hineinriechen und Schmecken.
Die Rebsorte drängt sich nie in den Vordergrund wie zum Beispiel der Sauvignon blanc mit seiner vordergründigen Arroganz und den Primäraromen, die aus großflächigen Maracuja- und Limetten-Plantagen gespeist erscheinen. Der Weißburgunder kann nicht angeben mit einer unendlichen Fähigkeit zur Reife wie die deutsche Parade-Rebsorte, der Riesling, für den Jahrzehnte im Keller nur Fußnoten der Alterung sind. Er bringt die Kenner nicht um den Verstand wie ein großer Chardonnay aus dem Burgund – der gleichzeitig allerdings auch die Kreditkarte zum Schmelzen bringt.
In der Familie der BurgunderRebsorten führt der Weißburgunder neben eben dem Chardonnay (ja, auch das ist eine Burgundersorte!), dem unvermeidlichen Pinot Grigio und dem großartigen roten Spätburgunder (Pinot Noir) ein randständiges Dasein – zusammen mit seinen ebenfalls stillen Verwandten, dem roten Schwarzriesling und dem weißen Auxerrois.
Auch die Klimaveränderung in unseren Breitengraden kann ihm wenig anhaben. Da der Weißburgunder nicht zu hohen Mostgewichten neigt, steckt er starke Sonneneinstrahlung und hohe Temperaturen gut weg, ohne zur fetten Alkoholbombe zu werden. Diese Argumente schlagen sich in der Entwicklung der Anbaufläche nieder: In Deutschland hat sie sich in den vergangenen zwanzig Jahren mehr als verdoppelt auf 5540 Hektar.
Erst nach und nach erkannten die Weinmacher, was sie am Weißburgunder eigentlich haben. „Eigentlich stand bei uns der Grauburgunder im Vordergrund mit seiner Sahnigkeit“, gibt der badische Winzer Joachim Heger aus Ihringen am Kaiserstuhl zu. Das überrascht nicht – schließlich ist diese Rebsorte ein Teil des deutschen Weinwunders der vergangenen Jahre. Der deutsche Grauburgunder löste mit substanziellen Weinen die dünnen Wässerchen aus dem Veneto ab, deren italienischen Namen jeder unfallfrei und lässig („Pino Grietscho“) aussprechen konnte. „Der Grauburist halt ein Kraftprotz, der Weißburgunder hingegen eher ein Tänzer“, sagt Heger.
Mittlerweile hat der Winzer, der am liebsten zum Weißburgunder getrüffelte Poularde serviert, sieben verschiedene „Tanzpartner“im Angebot. Einige davon sind im Stahl ausgebaut, um die fruchtigen Anklänge an gelbe Früchte wie Mirabellen und Aprikosen zu betonen. Andere reifen im alten Holz oder auch in neuen Barriques und gewinnen dadurch eine milde Textur und diese Noten nach Vanille, Brioche oder frischer Brotkruste, die viele Weintrinker so am Weißburgunder schätzen. Es gibt nicht viele Rebsorten, die in solch verschiedenen Kleidern immer wieder so gut aussehen.
Eine weitere Qualität des Weißburgunders ist, dass er sich am Esstisch problemlos anpassen kann. Ausgestattet mit einer moderaten Säure und Primäraromen, die nicht vorlaut daherkommen, spielt er den Doppelpass mit gedünstetem Fisch und Krustentieren ebenso wie mit Kalb und Pilzgerichten. „Er ist halt nicht prätentiös, sondern dient immer dem Essen“, sagt der fränkische Winzer Paul Fürst aus Bürgstadt. Er isst zum Weißburgunder am liebsten Pasta mit Steinpilzen
Fürst hat die Rebe auf Buntsandsteinboden in der berühmten Lage „Centgrafenberg“gepflanzt. Der Starwinzer hätte es mit seinen Spätburgundern, die zur absoluten Weltklasse gehören, eigentlich gar nicht mehr nötig, sich dem Weißburgunder zu widmen. Er traut genau dieser Rebsorte allerdings eine ganz große Karriere zu, überlässt deshalb seinem Sohn Sebastian die großen Roten und arbeitet selbst an zwei verschiedenen Stilrichtungen: „Der Weißburgunder geht auf deutsch und auf burgundisch“, sagt Paul Fürst und meint damit den Ausbau im Stahl, bei dem er dem Wein („pur mineral“) die Frische, Anklänge an gelbe Steinfrüchte und zitrische Noten mitgibt.
Mit dem Holzkontakt und einer sogenannten malolaktischen Gärung, bei der die spitzere Apfelsäure in die mildere Milchsäure umgewandelt wird, gelingen Fürst Weine, die in die nussige Richtung gegunder hen, einen Anklang von Limette haben auf dem Weg ins Butter-Karamell. Fürst sieht den Weißburgunder in einer ganz eigenen Liga. „Er könnte, nach dem Riesling, der zweite Türöffner für Weißweine aus unserem Land in der Welt werden.“
In der Tat: Wenn man nur einen einzigen Weißwein auf Vorrat zu Hause haben möchte, der ohne größeres Nachdenken zu fast jedem Gericht funktionieren soll, dann ist der Weißburgunder sicherlich eine sehr gute Wahl. „Passt immer“– genau diese „Eigenschaft“sieht der Winzer Hansjörg Rebholz aus dem südpfälzischen Siebeldingen aber als durchaus hinderlich für Bildung einer eigenen Identität der Rebsorte. Die hat sich der verwandte Chardonnay schon längst weltweit erobert. Rebholz, der am liebsten Wildgefügel zum Weißburgunder isst, betreibt einen biodynamischen Weinbau. Er geht mit seinen Weißburgundern einen ganz eigenen Weg. Er baut sie auf Muschelkalk an und ausschließlich im Stahltank aus. Sie sehen niemals Holz. Sein Ziel ist klar: Feinheit und Mineralität, das Spiel zwischen diskreter Salzigkeit und Säure eben. Dies hat praktische Auswirkungen beim Trinkgenuss, sagt der Winzer, der mit seinem Weingut „Ökonomierat Rebholz“beim Weißburgunder in Deutschland ganz vorne mit dabei ist: „Da hat man noch lange was im Mund – auch wenn man den Wein schon geschluckt hat“, sagt er.
Vorteile also, egal wie tief man ins Glas schaut. Kein Wunder, dass die Rebsorte auch in Frankreich (Pinot blanc), Italien (Pinot Bianco) und Österreich vertreten ist. Bei uns findet sie sich in jedem der 13 Anbaugebiete. Spitzenreiter ist dabei Baden, gefolgt von Rheinhessen und der Pfalz. Deutschland ist mittlerweile zur Nummer eins in der Welt aufgestiegen, was die Fläche für Weißburgunder angeht. Nummer zwei sind Italien und Australien mit etwa 2000 Hektar Anbaufläche.
Trotzdem kam bis vor Kurzem keine Region auf die Idee, sich den Orden „Weißburgunder-Land“ans Revers heften. Erst auf die visionäre
Zu fast jedem Gericht eine gute Wahl
Anregung von Otto Geisel, dem ersten vereidigten Sachverständigen für Wein in Deutschland, haben sich vergangenes Jahr die Regionen Kraichgau und die Badische Bergstraße zusammengetan, um die „Weiße Burgunder Charta“ins Leben zu rufen. 15 Weingüter verpflichten sich darin, ihre „ChartaWeine“nur noch von Hand zu lesen und ausschließlich trocken auszubauen. Geisel betont, dass Weißburgunder „eine Bühne für ambitionierte Winzer bietet wie kaum andere Sorte“.
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Unsere Empfehlungen
2018 Weißburgunder QbA trocken, Stephan Steinmetz/Mosel. Große Frische mit Kräuternoten, aber auch Ananas. www.stephan-steinmetz.de, 7.40 Euro
2018, Weißer Burgunder Heidelberger, VDP Weingut Seeger/Baden Mitglied und treibende Kraft der „Weißburgunder Charta“. www.seegerweingut.de, 8.90
2017 Ihringer Winklerberg Weißburgunder trocken, Erste Lage, VDP, Weingut Dr. Heger/Baden Gelbe Früchte, Kandis, kühler Wein aus warmer Gegend. www.heger-weine.de, 17.40 Euro
2015 Oberrotweiler Henkenberg, Weißburgunder, Großes Gewächs, Weingut Salwey/Baden. Ein großer Wein, bestens gereift, www.volkhardts.de, 31.90
2017 Weißer Burgunder VDP Weingut Ökonomierat Rebholz/Pfalz, biodynamisch arbeitendes Weingut in höchster Qualität, www.volkhardts.de, 14.60 Euro
2017 Weißer Burgunder Pur Mineral, VDP Weingut Fürst/Franken, „deutsche Interpretation“dieser Rebsorte, www.geiselsweingalerie.de, 17.90 Euro