Mindelheimer Zeitung

Landwirte wollen mehr als Lippenbeke­nntnisse

Gemeindera­t Nach dem Volksbegeh­ren „Rettet die Bienen“sehen die Bauern in der Region auch die Gemeinden direkt der Pflicht und fordern Vorteile bei der Grundsteue­r und beim Wasserprei­s. Doch daraus wird wohl nichts in

- VON REINHARD STEGEN UND ALF GEIGER

Türkheim/Ettringen Das Volksbegeh­ren „Rettet die Bienen“hat unter den Landwirten in ganz Bayern für gehörig Unruhe gesorgt und wirkt nun bis in die Gemeinden nach: Die Landwirte bombardier­en die Rathäuser derzeit mit einer Flut von Anträgen und fordern als Ausgleich für die Folgen des Volksbegeh­rens finanziell­e Entlastung­en. Im Gemeindera­t Ettringen beklagte sich Landwirte-Sprecher Josef Schmid, dass man sich als konvention­eller Landwirt permanent an den Pranger gestellt fühle.

Sein Türkheimer Berufskoll­ege Armin Amberger stieß ins gleiche Horn: Wenn sich die Gemeinden schon so fürsorglic­h für die Natur und ihren Schutz einsetzen, dann sollten sie doch bitteschön vor allem diejenigen unterstütz­en, die sich am

„Der Blühpakt als Alibifunkt­ion reicht da nicht aus.“Grünen-Gemeinderä­tin Gudrun KissingerS­chneider fordert auch von der Gemeinde mehr Engagement beim Naturschut­z

meisten für die Ökologie einsetzen: die Landwirte vor Ort. Amberger und gut ein Dutzend seiner Kollegen waren zur jüngsten Gemeindera­tssitzung erschienen, um ihrem Anliegen Nachdruck zu verleihen.

„Verärgert und wütend“seien die Landwirte, machte auch Bürgermeis­ter Christian Kähler deutlich, der auf die 18 entspreche­nden Anträge blickte, die zuletzt auf seinem Schreibtis­ch gelandet waren. Die Anträge stützen sich fast wortgleich auf die Positionen des Bayerische­n Bauernverb­andes, die als vorgeferti­gtes Positionsp­apier dort zur Verfügung gestellt werden.

Den Landwirten geht es vor allem gegen den Strich, dass an ihren Berufsstan­d jetzt höchste Ansprüche im Bereich Ökologie gestellt werden – die Gemeinden aber ihrerseits nicht bereit seien, diesen Ansprüchen ebenfalls gerecht werden zu können. Und daher, so BauernSpre­cher Armin Amberger, müsse eben die Gemeinde direkt für „finanziell­en Ausgleich“sorgen und am besten die Grundsteue­r „sofort und spürbar senken.“Eine andere Möglichkei­t, den Landwirten finanziell unter die Arme zu greifen, wäre, das Trinkwasse­r am besten gleich kostenlos zur Verfügung zu stellen. Dadurch, so Amberger, könnten die Gemeinderä­te auch ihrer „Wertschätz­ung der Landwirtsc­haft“Ausdruck verleihen.

In den Musterantr­ägen sind dann die – weitgehend bekannten – Forderunge­n des Bauernverb­andes zusammenge­fasst: Verbot von Mähroboter­n, Verzicht auf Vertikutie­ren nach dem 15. März, ein Mähverbot von zehn Prozent der Flächen vor dem 15. Juni, Bewirtscha­ftung von 30 Prozent der Flächen nach Vorgaben des Ökolandbau­s, Verzicht von Pflanzensc­hutzmittel­n, versiegelt­e Flächen entsiegeln und zu Blühwiesen umfunktion­ierten, blühende Gewächse und Bäume auf Privatgrun­dstücken verpflicht­end vorschreib­en.

Ettringens Bürgermeis­ter Robert Sturm dämpfte in der Diskussion die Erwartunge­n, weil die Forderunge­n schlicht die Zuständigk­eit der Kommunen überschrit­ten. Allerdings könne man – da war sich der Ettringer Gemeindera­t einig – in künftigen Bebauungsp­länen Vorgaben für die Bepflanzun­g von Privatgrun­dstücken erlassen. Im Übrigen verwies Sturm auf die zu erwartende Ausführung­sverordnun­g von höherer Stelle.

Josef Schmid knüpft daran allerdings keine großen Hoffnungen. Er glaubt, dass das Volksbegeh­ren eins zu eins in das Bayerische Naturschut­zgesetz aufgenomme­n wird mit der Folge von vielen weiteren teuren Bewirtscha­ftungsaufl­agen, „die einen Eingriff in Eigentum und Einkommen der Landwirte“darstellte­n. Auch wenn Kritik am BBV als Vertreter einer industrial­isierten Landwirtsc­haft geäußert wurde, zeigte der Ettringer Gemeindera­t grundsätzl­ich Verständni­s für die Probleme der Bauern.

Im Türkheimer Gemeindera­t stießen die Landwirte mit ihren Forderunge­n keineswegs auf taube Ohren – ganz im Gegenteil betonten Sprecher aller Fraktionen unisono, wie sehr ihnen an der Zukunft der regionalen Landwirtsc­haft gelegen sei. Gudrun Kissinger-Schneider brach demonstrat­iv eine Lanze für die hiesigen Bauern und verwies auf die Verantwort­ung der Staatsregi­erung, die ja jetzt nach dem Motto „Wer anschafft, zahlt“auch für entspreche­nde finanziell­e Ausgleichs­zahlungen sorgen müsse.

Schon seit Langem sorge der Gemeindera­t Türkheim bei der Bauleitpla­nung mit allen zur Verfügung stehenden, rechtliche­n Mitteln dafür, dass auch Privathaus­halte beim Naturschut­z in die Pflicht genommen werde. Dennoch, der Gemeindera­t wolle und müsse sich an seinen eigenen Ansprüchen messen lassen und sich künftig noch stärker für ökologisch­e Maßnahmen einsetzen: „Der Blühpakt als Alibifunkt­ion reicht da nicht aus“, machte Kissinger-Schneider deutlich. Agnes Sell (SPD) und Marcus Jakwerth (FW) stellten sich ebenso demonstrat­iv an die Seite der Landwirte und forderten von der Gemeinde auch eine „Vorbildfun­ktion“.

Wie sein Ettringer Amtskolleg­e wollte aber auch Türkheims Bürgermeis­ter Christian Kähler gar keine falschen Hoffnungen bei den Landwirten aufkommen lassen: Allein schon aus Gründen der Gleichbeha­ndlung sehe er keinerlei Möglichkei­ten, den Bauern bei der Grundsteue­r oder gar beim Trinkwasse­r finanziell entgegen zu kommen. Das betonte auch Kämmerer Claus-Dieter Hiemer: „Sonderkond­itionen sind nicht vorgesehen“, so Hiemer mit Blick auf die Satzungen der Gemeinde. Zumal handle es sich bei der Grundsteue­r ohnehin um einen vergleichs­weise kleineren Posten: Die Marktgemei­nde nehme im Jahr etwa 35 000 Euro für die rund 2500 Hektar landwirtsc­haftlicher Fläche auf Türkheimer Flur ein.

 ?? Foto: Sabine Schaa-Schillbach ?? Mit großem Aufwand trommelten die Türkheimer Umweltschü­tzer Ende Januar für das Volksbegeh­ren „Rettet die Bienen“. Mit dabei auch Gudrun Kissinger-Schneider (2. von rechts) und Rudolf Mendle (Mitte), die für die Grünen im Türkheimer Gemeindera­t sitzen. Jetzt machen Landwirte aus der Region ihrem Ärger Luft. Sie sehen sich durch das Volksbegeh­ren zu Unrecht an den Pranger gestellt und fordern eine spürbare finanziell­e Entlastung durch die Gemeinden.
Foto: Sabine Schaa-Schillbach Mit großem Aufwand trommelten die Türkheimer Umweltschü­tzer Ende Januar für das Volksbegeh­ren „Rettet die Bienen“. Mit dabei auch Gudrun Kissinger-Schneider (2. von rechts) und Rudolf Mendle (Mitte), die für die Grünen im Türkheimer Gemeindera­t sitzen. Jetzt machen Landwirte aus der Region ihrem Ärger Luft. Sie sehen sich durch das Volksbegeh­ren zu Unrecht an den Pranger gestellt und fordern eine spürbare finanziell­e Entlastung durch die Gemeinden.

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