Das Einhorn ist sauer
Skandälchen Seit ihrem barbusigen Auftritt erhält die Stadträtin Cynthia Schneider unschöne Bemerkungen unter der Gürtellinie. Und schuld ist offenbar der Oberbürgermeister
Seit ihrem barbusigen Auftritt als Einhorn erhält Stadträtin Cynthia Schneider unschöne Bemerkungen unter der Gürtellinie.
Schwäbisch Gmünd Seit etwa 770 Jahren ziert ein Einhorn das Stadtwappen von Schwäbisch Gmünd, ungestört und praktisch unbemerkt. Das hat sich seit dem vergangenen Wochenende schlagartig geändert. Das Städtchen östlich von Stuttgart samt Wappen-Fabelwesen ist in aller Munde. Zu verdanken hat das die Stadt Cynthia Schneider, 37, von Beruf Gewerkschaftssekretärin bei der IG Metall. Die engagierte Kommunalpolitikerin, die mit einer Frau verheiratet ist, ist eines von drei Fraktionsmitgliedern der Linken im Stadtrat von Schwäbisch Gmünd, sie sitzt im Kreistag, macht Frauenund Sozialpolitik und setzt sich für Arbeitnehmerrechte, billigen Wohnraum und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein. Und sie ist das „nackte Einhorn“– die Frau, die am vergangenen Wochenende bei der Eröffnung der Remstal-Gartenschau im Einhorn-Kostüm mit prächtigem Kopfschmuck, barbusig und fast nacktem, kunstvoll bemalten Körper das Wappentier ihrer Stadt repräsentierte.
Eine Aktion auf Bitten der Stadtverwaltung und des Oberbürgermeisters. Nichts Ungewöhnliches, denn die Stadt wirbt immer mal wieder mit dem Wappentier, und Cynthia Schneider ihrerseits hat Spaß am Body-Painting, der kunstvollen Körperbemalung und der Verwandlung.
Schneider steht privat dem örtlichen, bundesweit bekannten BodyPainting-Künstler Udo Schurr gelegentlich als Model zur Verfügung. Auch Schurr arbeitet immer wieder bei Projekten der Stadt mit. Doch weil die Gartenschau eher nicht so im öffentlichen Fokus steht, dauert es eine Weile, bis die Fotos des menschlichen Einhorns an der Seite von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Oberbürgermeister Richard Arnold (CDU) durchsickern – dann aber verbreiteten sie sich in Windeseile im Netz und in den Medien. Und der vermeintliche Skandal kommt ins Rollen.
Neben viel Lob und Anerkennung erntet vor allem Schneider auch harsche Kritik, nachdem OB Arnold mit dem Satz „Und so sehen bei uns Stadträtinnen aus“öffentlich gemacht hatte, wer in der Haut des Einhorns steckt. Ein kommunikatives Missverständnis, keineswegs böse Absicht, wie Markus Herrmann, Pressesprecher der Stadt, versichert.
Dennoch: Die Linke kritisiert die Demaskierung durch den Oberbürgermeister als „sexistisch“, der Chef der Remstal-Gartenschau sieht seiner schönen Veranstaltung und den anderen 15 Kommunen durch das nackte Einhorn die Show gestohlen. Moralisten wettern über nackte Körperkunst. Und Schneider selbst erntet neben viel Zustimmung auf diversen Internet-Kanälen massenweise unschöne Bemerkungen, teils ziemlich weit unter der Gürtellinie.
„Für uns und für die RemstalGartenschau hat das natürlich eine unglaubliche PR gebracht, das muss man schon sagen“, sagt Markus Herrmann. Was aber nicht beabsichtigt war: dass Cynthia Schneider im Zentrum eines Shitstorms gelandet ist. „Das tut auch dem Oberbürgermeister sehr leid und war nie das Ziel der Übung“, versichert Herrmann. „Die beiden sind im Gespräch, da bleibt auch nichts zurück. Dass jemand persönlich angegangen wird, weil er sich als Wappentier seiner Heimatstadt zur Verfügung stellt, ist nicht zu fassen“, sagt Herrmann.
Schneider selbst ist für Medienanfragen erst einmal abgetaucht. Was sie derzeit mitzuteilen hat, postet sie auf ihrer Facebook-Seite in Form einer Postkarte: „Ich bin so vielen Menschen dankbar, dass sie mir jeden Tag zeigen, wie ich niemals werden möchte“steht da, mit der unverzagten Unterzeile: „Das Leben ist schön.“
Gut möglich, dass die Sache auch für sie ein Happy End hat. Denn nicht nur das Wappen der Stadt, sondern auch Cynthia Schneider ist jetzt weithin bekannt. Und bald sind Kommunalwahlen.