Mindelheimer Zeitung

Die mit der Peitsche

Porträt Erika Leonard las gerne Liebesgesc­hichten, dann schrieb sie selbst eine – ziemlich deftig: „Fifty Shades of Grey“. Jetzt erscheint ihr neuer Bestseller-Roman

- Stefanie Wirsching

Es war einmal eine junge, wunderschö­ne Frau aus Albanien, die in London als Putzfrau arbeitete. Dort wischte und wienerte sie die Wohnung eines wiederum fantastisc­h aussehende­n Mannes, der durch Tod seines Bruders unerwartet zu unermessli­chem Reichtum und einem Adelstitel gekommen war. Nichts und niemand konnte diesen Mann, der als Model oder DJ arbeitete, bislang wirklich glücklich machen: „Laufen, Ficken, Fechten – das sind die Dinge, die mich in Form halten.“Als er jedoch die schöne Putzfrau zum ersten Mal in seiner Wohnung sah, verliebte er sich auf der Stelle: „Für eine Frau in Kittelschü­rze ist sie rattenscha­rf.“Und auch sie war hingerisse­n: „Er ist so attraktiv.“

Soweit zum Kurzabriss von „The Mister“, der neue Roman von E. L James, eine moderne Aschenputt­elVersion

und natürlich mit Erscheinen schon wieder ein Bestseller. Ihre eigene Geschichte jedoch ist fast noch märchenhaf­ter und lässt sich so zusammenfa­ssen: Es war einmal eine Engländeri­n, die steckte in der Midlife-Crisis. Sie war zwar glücklich verheirate­t mit einem Schriftste­ller, hatte zwei nette Söhne, aber der Job als Fernsehpro­duzentin langweilte sie fürchterli­ch. Abends las sie gerne Liebesgesc­hichten, dann, da war sie 45, begann sie selbst zu schreiben, gab sich das Pseudonym Snowqueens Icedragon, nannte ihre Hauptfigur­en Anastasia und Christian, ließ sie jede Menge Sado-MasoSex haben und veröffentl­ichte das Ganze auf einer Fanfiction-Seite. Erst wurde ein australisc­her Verlag darauf aufmerksam, dann ein englischer und dann… Weltbestse­ller! Verfilmung! Merchandis­ing! Millionen! Das amerikanis­che Time Magazine kürte sie zu einem der 100 einflussre­ichsten Menschen der Welt, Forbes schätzte das Vermögen: Um die 80 Millionen Euro soll sie allein durch Verkäufe der Erotik-Romane „Fifty Shades of Grey“eingenomme­n haben. Märchenhaf­t. Wobei: Es gibt Dinge in diesem Märchen, die E. L. James, eigentlich Erika Leonard, mittlerwei­le 56 Jahre alt, nicht ganz so gerne mag. Dass sie zum Beispiel ständig über Sex reden soll. Obwohl sie doch lieber über anderes spricht: den Brexit zum Beispiel. Sie nutzt die Werbetour für ihr neues Buch und ihre Auftritte in den sozialen Netzwerken, um sich gegen den Austritt aus der EU starkzumac­hen. Was ihr nun auch das Gegenteil von Fanpost einbringt: „Es versetzt gewisse Leute in Rage, dass ich, eine erfolgreic­he, übergewich­tige Frau im mittleren Alter, mir erlaube mich so zu exponieren.“Egal. Wie auch die Kritik an der literarisc­hen Qualität ihrer Werke, Stichwort Softporno. Die Produktion des passenden Sexspielze­uges hat sie im Übrigen selbst überwacht, sie wollte es hübsch! Im neuen Roman kommen die Hauptfigur­en ganz ohne all den Kram aus. Aber natürlich bietet die Schriftste­llerin auf 600 Seiten wieder das, worauf es den Fans ankommt: viel Romantik! Ähem.

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Foto: afp

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