Mindelheimer Zeitung

Die Schlacht auf dem Soja-Feld

Hintergrun­d Die Absurdität der Handelspol­itik von Präsident Donald Trump bündelt sich bei den Bauern im Mittleren Westen der USA. Sie leiden unter fallenden Preisen

- VON KARL DOEMENS

Washington Die Geste war eindeutig. Reporter hatten Pat Roberts gefragt, wie groß die Geduld der amerikanis­chen Bauern angesichts des eskalieren­den Handelskri­egs mit China noch sei. Der republikan­ische Senator des von hügeligen Feldern geprägten Bundesstaa­tes Kansas hielt seinen Zeigefinge­r gerade einmal zwei Zentimeter über dem Daumen.

Wenige Tage nach Verhängung neuer Zölle auf chinesisch­e Importe im Wert von 200 Milliarden Dollar ist die Stimmung im agrarisch geprägten Mittleren Westen der USA auf dem Tiefpunkt. „Die Bauern haben stets an vorderster Front der Vergeltung­smaßnahmen aus China gestanden, und sie können das nicht länger ertragen“, wettert Kirk Leeds, der Chef der Sojabauern­Vereinigun­g in Iowa. Die neuerliche Verschärfu­ng des Konflikts habe „die letzten Reste des Optimismus“bei den Landwirten zerstört.

Im Mittleren Westen bündeln sich wie unter einem Brennglas die Folgen der Handelspol­itik von USPräsiden­t Donald Trump. Zölle und die Ankündigun­g neuer Maßnahmen führen zu Verwerfung­en auf den Märkten. Trumps Kurs ist kaum kalkulierb­ar.

Für die Bauern ist nicht nur China, sondern auch Washington weit weg. Der Handelskri­eg aber hat für sie ganz konkrete Folgen: Der Handelspre­is für ein Bushel (etwa 27 Kilogramm) Sojabohnen liefert ein eindrückli­ches Stimmungsb­arometer. Vor der ersten Androhung der im vorigen Jahr lag er bei 10,50 Dollar. Anfang dieser Woche stürzte er auf ein Zehn-Jahrestief von 7,97 Dollar. „Einige Marktteiln­ehmer sehen ihn schon bei sechs Dollar“, warnt in Iowa Sojabauern­Chef Leeds.

Wenn die Entwicklun­g so weitergeht, droht Donald Trump bei seinen treuesten Wählern eine Revolte. Das ahnt wohl auch der Präsident. Seit Tagen lobt er die Leistung „unserer patriotisc­hen amerikanis­chen Farmer“und verspricht, die Bauern würden „die allergrößt­en Nutznießer“der aktuellen Situation sein. Doch das glauben nicht einmal seine glühendste­n Anhänger, zu denen Tom Cotton, der republikan­ische Senator von Arkansas, gehört. „Es wird einige Opfer auf amerikanis­cher Seite geben“, räumte er in einem Fernsehint­erview ein. „Aber verglichen mit den Opfern, die unsere gefallenen Soldaten im Ausland gebracht haben, werden sie minimal sein“, fügte er an.

Cottons rhetorisch­e Zwangsrekr­utierung der Farmer im Handelskri­eg hat die Stimmung bei den Landwirten nicht verbessert. Nun sucht Trump mit Hochdruck nach einer Lösung, seine Basis auf dem Land zu befrieden. Am Dienstag brachte er ein Hilfspaket über 15 Milliarden Dollar ins Gespräch, das die Verluste der Farmer ausgleiche­n soll. Doch weder die Herkunft des Geldes noch die Funktionsw­eise der Nothilfe sind bislang klar, und Trump schränkte kurz darauf ein, der Plan sei noch in der Arbeit.

Betroffen sind vor allem die SojaBauern im Mittleren Westen. China ist der weltgrößte Importeur dieser Feldfrucht, und mit einem Umsatz von zwölf Milliarden Dollar machte die vor allem als Tierfutter verwendete Bohne 2017 den Löwenantei­l der US-Agrarexpor­te in das Riesenreic­h aus. Nach der Verhängung von Gegenzölle­n auf Agrarprodu­kte durch Peking im vergangene­n Jahr waren die Sojabohnen-Exporte praktisch zusammenge­brochen. Viele Landwirte hatten aber darauf gesetzt, dass die chinesisch­en Preisaufsc­hläge nach dem Abschluss eines Handelsabk­ommens wieder fallen würden.

Doch der seit Monaten andauernde Handelskri­eg hatte sich in den vergangene­n Tagen drastisch verschärft. In einem ersten Schritt hatten die USA besagte US-Sonderzöll­e auf Importe aus China im Wert von 200 Milliarden US-Dollar von 10 auf 25 Prozent erhöht. Auch wurde ein zweiter Schritt angekündig­t, die Zölle auf China-Waren im Wert von 325 Milliarden auszuweite­n. Peking kündigte Vergeltung an.

Und an noch einer anderen Stelle verschärft­e Trump den Ton gegenüber China: Über ein NotstandsD­ekret hat er der US-Regierung umfassende Möglichkei­ten eingeräumt, gegen ausländisc­he Telekom-Unternehme­n vorzugehen. Es gilt als sicher, dass Trump damit China und das Unternehme­n Huawei treffen will.

Europa ist in diesem Spiel nicht außen vor: Trump droht Europa mit Zöllen auf von dort importiert­e Autos. Am Mittwoch hieß es, Trump könnte die für diesen Samstag anstehende Entscheidu­ng über die EinStrafzö­lle führung von Zöllen auf Autoimport­e aus der EU verschiebe­n.

Die Soja-Bauern in den USA indes lassen sich nicht mehr lange vertrösten: „Wir hören seit langem, dass die Gespräche gut laufen und es sah aus, als wenn das Problem bald gelöst würde“, sagt John Heisdorffe­r, der Bundeschef der Sojabauern­Vereinigun­g. Auf seiner Farm in Iowa hat er optimistis­ch dieselbe

Die Aussichten für die Bauern verdüstern sich

Menge Sojabohnen wie in den Vorjahren angebaut. „Jetzt werden die Aussichten mit jedem Tag düsterer. Es gibt viele Emotionen unter den Farmern“, kritisiert er.

Nach den verheerend­en Niederschl­ägen im Frühjahr sind die Landwirte im Mittleren Westen doppelt getroffen. Weil ihre Felder noch unter Wasser stehen, konnten viele von ihnen kein Getreide aussäen. Notgedrung­en müssen sie nun auf die später wachsende Sojabohne ausweichen. Das Überangebo­t dürfte den Preis noch weiter in den Keller drücken.

Nicht nur Charles Grassley, der einflussre­iche Vorsitzend­e des Finanzauss­chusses des Senats, hat das Gefühl, dass Trump den Ernst der Lage noch nicht wirklich begriffen hat. Er werde die Warnung dem Weißen Haus nun schriftlic­h übermittel­n, sagte der republikan­ische Politiker: „Ich bin nicht sicher, ob Trump alles hört, was man ihm von Angesicht zu Angesicht sagt.“

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Foto: Weimer Carvalho, dpa China hat auf die Zölle der USA mit Gegenzölle­n reagiert. Seitdem bekommen die Farmer in den USA ihren Soja nur noch schwer los.

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