Mindelheimer Zeitung

Ist es erlaubt, Küken zu töten?

Zucht Das Land Nordrhein-Westfalen wollte Geflügelzü­chtern das Schreddern verbieten. Die klagten. Nun muss das Bundesverw­altungsger­icht entscheide­n. Worum es in dem Streit geht

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Leipzig Das Bundesverw­altungsger­icht verhandelt über die Rechtmäßig­keit des millionenf­achen Tötens männlicher Küken und will am Donnerstag, 23. Mai, darüber urteilen. Das Land Nordrhein-Westfalen hatte 2013 den Brütereien die umstritten­e Praxis untersagen wollen. Dagegen klagten zwei Betriebe und bekamen in den Vorinstanz­en recht. Jetzt muss das oberste deutsche Verwaltung­sgericht in einem Grundsatzu­rteil klären, ob das Kükentöten mit dem Tierschutz­gesetz vereinbar ist. Ein Überblick über die Fragen, um die es in der Verhandlun­g genau geht.

Was ist das Problem?

Für die Produktion von Eiern werden Legehennen gezüchtet. Sie sind darauf getrimmt, viele Eier in kurzer Zeit zu legen. Sie setzen kaum Fleisch an. Männliche Tiere braucht man nicht, weil sie keine Eier legen können, aber auch zu wenig Fleisch haben, um als Masthähnch­en gezüchtet zu werden. Jahrzehnte­lang konnte man das Geschlecht der Hühner aber erst nach dem Schlüpfen erkennen. Darum werden die männlichen Küken von Legehuhnra­ssen massenhaft geschredde­rt oder vergast – jährlich laut Bundesagra­rministeri­um rund 45 Millionen Tiere. Tierschütz­er laufen seit langem Sturm gegen dieses ethisch fragwürdig­e Vorgehen. Auch die Politik wollte sich des Themas annehmen und das Kükentöten verbieten. Eigentlich schon bis Mitte 2019. Doch die zuständige Landwirtsc­haftsminis­terin Julia Klöckner hat nun angekündig­t, dass ein Verbot per Gesetz voraussich­tlich erst 2020 kommen soll.

Worüber wird das Bundesverw­altungsger­icht am 23. Mai entscheide­n?

Das Gericht muss klären, ob das Kükentöten mit dem Tierschutz­gesetz vereinbar ist. Das besagt in Paragraf 1, dass niemand einem Tier „ohne vernünftig­en Grund“Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen darf. Das damals rot-grün regierte Nordrhein-Westfalen nahm 2013 darauf Bezug und wollte das Kükentöten per Erlass verbieten lassen. Zwei Brütereien klagten dagegen.

Wie hat die Vorinstanz geurteilt?

Das Oberverwal­tungsgeric­ht (OVG) in Münster gab 2016 den Brütereien recht. Für das Töten der Küken gebe es einen vernünftig­en Grund. Das OVG wog die ethischen Gesichtspu­nkte des Tierschutz­es und die menschlich­en Interessen an der Legehennen­zucht gegeneinan­der ab. So kam es zu dem Schluss, dass die wirtschaft­lichen Bedingunge­n der Brütereien das Kükentöten rechtferti­gten. Das Bundesverw­altungsger­icht muss nun die OVG-Urteile auf ihre Richtigkei­t überprüfen.

Gibt es keine Alternativ­en zum Kükentöten?

Doch. Wissenscha­ftler haben seit langem an Verfahren zur Geschlecht­sbestimmun­g im Ei geforscht. Die Bundesregi­erung hat die Forschung mit Millionena­ufwand unterstütz­t, da auch sie das Kükentöten beenden will. Inzwischen gibt es mehrere Methoden, mit denen über ein kleines Loch in der Eierschale eine Geschlecht­sbestimmun­g vorgenomme­n werden kann. Sie sind allerdings noch nicht serienreif und werden nicht flächendec­kend genutzt. In mehreren Supermärkt­en gibt es außerdem Eier von sogenannte­n Zweinutzun­gshühnern. Tiere dieser Rassen können einerseits Eier legen, anderersei­ts setzen die Männchen auch Fleisch an und eignen sich für die Mast.

Was sagt die Geflügelwi­rtschaft?

Der Zentralver­band der Deutschen Geflügelwi­rtschaft (ZDG) warnt vor einem vorschnell­en Verbot des Kükentöten­s. „Das würde alle deutschen Brütereien treffen“, sagte Verbandspr­äsident Friedrich-Otto Ripke. Die Veterinärä­mter in den Bundesländ­ern würden keine Genehmigun­gen mehr für das Töten ausstellen, viele Betriebe würden ins Ausland abwandern. Dem Tierschutz sei damit nicht geholfen. Die Branche wolle die Praxis beenden – brauche dafür aber eine Übergangsz­eit.

Wie ist die Position der Tierschütz­er?

„Wir setzen darauf, dass das Bundesverw­altungsger­icht wirtschaft­liche Interessen nicht als vernünftig­en Grund anerkennt“, betonte der Deutsche Tierschutz­bund. „Jedes andere Urteil wäre ein ethischer Skandal und würde von der großen Mehrheit der Gesellscha­ft nicht akzeptiert.“Die Tierschütz­er sehen die Geschlecht­sbestimmun­g im Ei auch nur als Übergangsl­ösung an. Das eigentlich­e Problem sei die extrem spezialisi­erte Zucht von Legehennen. Der bessere Weg sei das „Zweinutzun­gshuhn“, das sowohl viele Eier legt, als auch Fleisch ansetzt, sodass die Hennen für die Eierproduk­tion und die Hähne für die Mast genutzt werden können.

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Foto: Peter Endig, dpa Jedes Jahr werden etwa 45 Millionen Küken geschredde­rt oder vergast. Der Grund: Sie sind Männchen. Und die können weder Eier legen, noch setzen sie genügend Fleisch an, dass sie als Masttiere verwendet werden könnten. Die Praxis ist höchst umstritten.

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