Mindelheimer Zeitung

„Hau das Ding rein“

Eishockey-WM Bundestrai­ner Söderholm glaubt an die Fähigkeite­n von Markus Eisenschmi­d, der die deutsche Scorerlist­e anführt. Die Welt der Kaufbeurer Familie ist eine Scheibe

- VON MILAN SAKO

Kosice Verschwitz­t und grinsend stapft Markus Eisenschmi­d aus der Steel Arena von Kosice in die Interview-Zone. Vor wenigen Minuten war die stählerne Arena noch ein brodelnder Hexenkesse­l gewesen, gefüllt mit Slowaken. Bis zwei Minuten vor Schluss hatten die Fans des WM-Gastgebers geglaubt, dass alles gut wird und die EishockeyN­ation eine gute Viertelfin­al-Chance besitzt. 2:1 führten die Gastgeber gegen Deutschlan­d, bis Eisenschmi­d am rechten Bullypunkt mächtig ausholte. Sein Bundestrai­ner Toni Söderholm dachte an der Bank nur: „Augen zu und hau das Ding rein.“Eisenschmi­d gehorchte und traf 1:52 Minuten vor Schluss zum 2:2.

„Da war es plötzlich leise“, schildert der deutsche Außen die Stimmung an dem denkwürdig­en Abend. Das Entsetzen auf den Rängen und dem Eis nutzte Leon Draisaitl aus. Der NHL-Star der Edmonton Oilers begrub 27 Sekunden vor Ende mit dem 3:2 die Hoffnung des kleinen Staates und großen Eishockey-Landes auf einen Erfolg bei der Heim-WM. Jetzt jubelten nur noch die Deutschen. Mit vier Siegen ist eine DEB-Auswahl seit 90 Jahren nicht mehr in eine WM gestartet.

„Das ist unglaublic­h. Aber wir wissen, dass wir eine talentiert­e Mannschaft haben“, erzählt Eisenschmi­d, dessen erstes WM-Tor eine verrückte Partie drehte. Der Stürmer setzte fort, was er die ganze Saison über gezeigt hat. Mit 28 Saisontref­fern gebührt ihm großer Anteil am Mannheimer Meistertit­el. In der Ostslowake­i traf er den Puck bis zum vierten Match nie perfekt. „Ich wollte nur weiter schießen und schießen, den Frust nicht in meinen Kopf lassen“, schildert der 24-Jährige seine Gedanken. Außerdem legte er das 1:0 von Marc Michaelis auf. Mit vier Pässen und einem Treffer führt der Stürmer die deutsche Scorerlist­e an. Dafür hat Toni Söderholm den Angreifer eigentlich nicht geholt: „Er soll das machen, was er in Mannheim gemacht hat: Tore schießen.“

Bislang glänzt er aber als Vorbereite­r, während Leon Draisaitl mit drei WM-Treffern wie erwartet die Torjäger-Rolle einnimmt. Der 23-Jährige spielt für die Edmonton Oilers in der National Hockey League. Das war auch das Ziel von Eisenschmi­d. Nach dem Abitur verließ der 18-Jährige seine Heimat und versuchte sein Glück in Nordamerik­a. Bei den Junioren der Medicine Hat Tigers genoss er eine gute Hockey-Ausbildung. Später stattete ihn der NHL-Klub Montréal Canadiens mit einem Vertrag für die American Hockey-League aus. Der Sprung in die beste Liga der Welt glückte nicht, noch nicht. „Die NHL ist schon noch ein Ziel von mir.“Nach der WM-Premiere 2018 für Deutschlan­d nahm Mannheim den Torjäger unter Vertrag.

Wenn die Nummer 58 in Kosice stürmt, drückt die Familie in Kaufbeuren vor dem Fernseher die Daumen. Die Welt der Eisenschmi­ds ist eine Scheibe. Eltern Brigitte und Horst engagieren sich im Nachwuchs des ESVK. Beide Schwestern gehören der deutschen Frauen-Nationalma­nnschaft an. Die Verteidige­rin Tanja, 26, studiert in den USA am College und spielt für die Minnesota Whitecaps in der nordamerik­anischen National Women’s Hockey League. Die 22-jährige Nicola stürmt für den ECDC Memmingen und feierte vor kurzem den Gewinn des deutschen Meistertit­els.

Markus Eisenschmi­d sorgt in der Ostslowake­i für Furore. Die Reise des Nationalte­ams ist noch lange nicht beendet. Zum Vorrunden-Finale warten Kanada (Samstag), USA (Sonntag) und Finnland (Dienstag). „Jetzt kommen die schweren Brocken. Da können wir ein bisschen locker durch die Hose atmen“, meint Verteidige­r Korbinian Holzer. Das Viertelfin­ale ist dem Nationalte­am nur noch theoretisc­h zu nehmen.

Und was kommt dann? Eine Medaille, der Titel? Eisenschmi­d glaubt an sein Team: „Nichts ist unmöglich. Bei der WM sind schon viele verrückte Dinge passiert.“

 ?? Foto: gettyimage­s ?? Schwer zu stoppen und ein präziser Schütze: Markus Eisenschmi­d glänzt im Trikot der deutschen Nationalma­nnschaft. Das Viertelfin­ale ist dem Team kaum noch zu nehmen.
Foto: gettyimage­s Schwer zu stoppen und ein präziser Schütze: Markus Eisenschmi­d glänzt im Trikot der deutschen Nationalma­nnschaft. Das Viertelfin­ale ist dem Team kaum noch zu nehmen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany