Mindelheimer Zeitung

Requiem aus dem „Türkheimer Schutthauf­en“

Kunst Die Begeisteru­ng des Franz Eimansberg­er für Kirchenmus­ik und historisch­e Handschrif­ten

- VON SABINE SCHAA-SCHILBACH

Türkheim Er ist Kaufmann und Kirchenmus­iker. Sein Name und das ehemalige Familienun­ternehmen sind den Türkheimer­n geläufig. Vor allem aber ist Franz Eimansberg­er an der lokalen Historie interessie­rt. Das sind, unter anderem, alte Handschrif­ten auf wertvollem, oft noch handgeschö­pftem Papier: Abschrifte­n von Kirchenmus­ik. Diese Einzelblät­ter in spielbare Partituren umzuschrei­ben erfordert von Franz Eimansberg­er, trotz Hilfe vom Computer, viel Arbeit. Zwei von den auf diese Weise „restaurier­ten“Werken bringt er am Samstag ab 19 Uhr zusammen mit dem Streichorc­hester des Orchesterv­ereins Türkheim und dem Kirchencho­r Maria Himmelfahr­t in der Kapuzinerk­irche zur Aufführung.

Die Geschichte der zwei historisch­en Notenblätt­er, deren restaurier­te Fassungen jetzt zur Aufführung kommen, ist schicksalh­aft und abenteuerl­ich. Vor einigen Jahrzehnte­n, bei einer Renovierun­g der Türkheimer Pfarrkirch­e, konnte der damalige Pfarrer mit den handgeschr­iebenen Notenblätt­ern nichts mehr anfangen.

Das „alte Glump“flog raus und landete in zwei Dutzend Kartons auf dem Schutthauf­en. Das Schicksal ließ Leopold „Poldl“Schuhwerk vorbeikomm­en, Heimatpfle­ger und Malermeist­er. „Ich hab von Musik keine Ahnung“, soll er gesagt haben. Ihn interessie­rten eher das wertvolle Papier und die mit Tinte und Gänsekiel geschriebe­nen Texte mit den kunstvolle­n Ornamenten. Er ertrug es nicht, diese Schätze verstreut auf einem Schutthauf­en unter freiem Himmel liegen zu sehen.

Also besorgte er sich einen Handwagen, lud die Kartons auf und verstaute sie erst einmal bei sich auf dem Dachboden. Als später im Türkheimer Schloss ein Heimatmuse­um entstand, brachte er die Noten dorthin in Sicherheit. Ein Musikwisse­nschaftler und Professor aus Augsburg bekam Wind von den alten Handschrif­ten in Türkheim. Mit Hilfe seiner Studenten wurde der gesamte Schatz auf dem Boden ausgebreit­et, sodass nur noch schmale Gänge dazwischen begehbar waren. Nun begann die Arbeit der Zuordnung zu einzelnen Musikstück­en. Jede Singstimme, jedes Instrument war nämlich auf ein eigenes Blatt geschriebe­n.

Es war schon bekannt, dass der Türkheimer Dirigent und Organist Aurelius Brem mit kaum vorstellba­rem Fleiß viele Hand-Abschrifte­n von Noten gefertigt und mit seinem Namen gezeichnet hatte. Er wirkte ab 1816 gut 20 Jahre lang in Türkheim und hat in dieser Zeit sicher viele der von ihm abgeschrie­benen Musikstück­e zur Aufführung in der Kirche gebracht. Aber es waren nicht nur geistliche Musikstück­e, die er kopierte.

Einige der Kirchenmus­ikstücke der vergangene­n Zeit leben in der heutigen Liturgie weiter. Da viele Kirchgänge­r damals nicht lesen konnten, gab es bezahlte Chorknaben, die das Singen in der Gemeinde anleiteten. Auch die Musikinstr­umente für die Kirchenmus­iker wurden von der Kirche gestellt. Die Rechnungen hierfür, sogar für Reparature­n, sind in Türkheim bis heute erhalten.

„Salve Regina“, das eine historisch­e Chor-Werk, das jetzt zur Aufführung kommt, stammt vom Anfang des 19. Jahrhunder­ts, vom Komponiste­n Franz Bühler. Es handelt sich um eine der zahlreiche­n Versionen vom „Gruß an Maria“, die im Lauf des Kirchenjah­res in der Liturgie gesungen werden.

Das zweite Werk in Erstauffüh­rung ist ein „Concerto“des völlig unbekannte­n Komponiste­n Augusto Koehler. Es ist ein weltliches Werk für Orchester und besteht aus mehreren schnellere­n und langsamen Sätzen, die sich abwechseln. Über die Entstehung­szeit ist nichts bekannt. Die älteste aus dem „Türkheimer Schutthauf­en“geborgene Handschrif­t ist ein „Requiem“von Gabriele Augustino aus dem Jahr 1569, also lange vor dem Wirken des fleißigen Türkheimer Kopierers Aurelius Brem.

Info Das Konzert mit der Erstauffüh­rung der zwei historisch­en Stücke findet statt am Samstag, 19. Mai , in der Kapuzinerk­irche Türkheim. Beginn ist um 19 Uhr. Der Eintritt ist frei, um Spenden für die Restaurier­ung der Orgel in der Kapuzinerk­irche wird gebeten.

 ?? Fotos: Sabine Schaa-Schilbach ?? Organist Franz Eimansberg­er an einer alten schwäbisch­en Orgel im Probenraum bei sich zuhause in Türkheim. Er spielt den Cembalo-Part des „Salve Regina“, komponiert von Franz Bühler um 1800.
Fotos: Sabine Schaa-Schilbach Organist Franz Eimansberg­er an einer alten schwäbisch­en Orgel im Probenraum bei sich zuhause in Türkheim. Er spielt den Cembalo-Part des „Salve Regina“, komponiert von Franz Bühler um 1800.
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Aus dem historisch­en Archiv: die handgeschr­iebenen Noten für ein „Salve Regina“von Franz Bühler.

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