Mindelheimer Zeitung

Sind Tampons und Binden Luxus?

Gleichbere­chtigung Menstruati­onsprodukt­e werden im Gegensatz zu Kaviar oder Büchern mit 19 Prozent besteuert. Verschiede­ne Initiative­n fordern, die Steuer zu senken. Aus der Politik gibt es Unterstütz­ung – ein entscheide­nder Fürspreche­r fehlt jedoch

- VON LEONIE KÜTHMANN

Berlin/Stuttgart Säßen mehr Frauen in politische­n Gremien, wäre alles anders. Da ist sich Elena Weidemann sicher. „Oder wenn Männer menstruier­en würden. Dann würde es auch keine 19 Prozent Steuer auf Periodenpr­odukte geben.“Weidemann arbeitet im Unternehme­n Einhorn, das Binden, Tampons und Menstruati­onstassen verkauft. Dass diese Produkte mit 19 Prozent besteuert werden, findet Weidemann unfair: „Wir haben uns die Menstruati­on ja nicht ausgesucht.“

In Deutschlan­d gibt es neben der Umsatzsteu­er von 19 Prozent auch einen ermäßigten Steuersatz: Auf Nahrungsmi­ttel beispielsw­eise, denn sie gelten als lebensnotw­endig – auch Kaviar und Trüffel. Aber auch Produkte wie Bücher und Schnittblu­men werden mit sieben Prozent besteuert. Periodenpr­odukte hingegen fallen mit 19 Prozent in die Kategorie „Luxusartik­el“. Die Regelung existiert seit 1963.

Die Firma Einhorn sieht das als Diskrimini­erung und startete mit dem Online-Magazin Neon eine Petition an den Bundestag. Knapp 30000 Menschen haben bisher unterzeich­net. 50000 Stimmen, abgegeben bis zum 28. Mai, sind nötig, damit die Petition im Petitionsa­usschuss erneut diskutiert wird. Das Unternehme­n und Neon sind jedoch nicht die Ersten, die diese Idee hatten: Bereits 2015 gab es eine Petition mit dem Ziel, die Steuer und somit die Preise der Produkte zu senken. Sie wurde damals vom Bundestag abgelehnt. In der offizielle­n Begründung hieß es, dass eine Ermäßigung der Steuer nicht zur Preissenku­ng führe, denn: „Die Weitergabe einer Umsatzsteu­erersparni­s an die Kunden läge allein im Ermessen des Unternehme­rs und könnte vom Gesetzgebe­r nicht sichergest­ellt werden.“

Das wollten Ann-Sophie Claus und ihr Team nicht gelten lassen. Die 27-Jährige führt mit Sinja Stadelmaie­r das Unternehme­n The Female Company. Laut Claus lehnte auch Finanzmini­ster Olaf Scholz die Steuersenk­ung ab – mit derselben Begründung. Um diese zu entkräften, kreierte The Female Company ein „Tampon Book“: 46 Seiten über die Menstruati­on. Dem Buch beigelegt waren 15 Tampons, im Buchdeckel verpackt. „Weil Bücher nur mit sieben Prozent besteuert werden, umgeht das Unternehme­n mit dieser Aktion die TamponSteu­er“, lautet die offizielle Erklärung.

Um die Politik zu erreichen, habe die Firma 100 Bücher verschickt, erzählt Claus, unter anderem an alle frauenpoli­tischen Sprecher der Parteien – und an das Finanzmini­sterium. Der Rest wurde verkauft. Die erste Auflage war laut Claus innerhalb von eineinhalb Tagen ausverkauf­t. Die Aktion zog Aufmerksam­keit auf sich: Anfang Mai wurden die Initiatori­nnen in den Bundestag eingeladen. Vertreter der Grünen, der Linken, der CDU und der FDP wollten sich mit Claus und Stadelmaie­r über die Tampon-Steuer unterhalte­n.

Bis dato hielten sich Politiker mit Äußerungen zu diesem Thema vorwiegend zurück. Lediglich der frauenpoli­tische Sprecher der CDU/ CSU im Bundestag, Marcus Weinberg, sprach sich Anfang März für eine Senkung der Steuer aus. Für Weinberg war der Oscar-prämierte Dokumentar­film „Period. End of Sentence“ein Anlass, die Tabuisie(SPD) rung des Themas anzusprech­en. Dass Periodenpr­odukte immer noch wie Luxusgüter besteuert werden, nennt der Politiker auf Anfrage unserer Redaktion „völlig unverständ­lich“und „anachronis­tisch“.

Weinbergs Äußerungen wurden größtentei­ls positiv aufgenomme­n, erzählt er, teilweise wurde er aber auch von männlichen Kollegen belächelt: „Für manche ist das noch ein irgendwie besonderes Thema, von dem sie nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen“, vermutet der CDU-Politiker. Ob die Besteuerun­g von Tampons denn nun das Hauptthema der Gesellscha­ft sei, habe man ihn augenzwink­ernd gefragt. „Daraufhin meinte ich: Nein, aber es betrifft regelhaft 50 Prozent der Menschen, für die die Hygiene kein Luxus sein sollte.“

„Tampons, Slipeinlag­en und Binden müssen in öffentlich­en Einrichtun­gen und über öffentlich­e Gesundheit­sstellen kostenlos zur Verfügung gestellt werden.“Das forderte der kinder- und jugendpoli­tische Sprecher der Linken, Norbert Müller, in einem Gespräch mit The Female Company vor kurzem im Bundestag. So sollen auch obdachlose Frauen Zugang zu „diesen im Alltag notwendige­n Produkten“haben.

In vielen Ländern gibt es Periodenpr­odukte zwar noch nicht gratis, aber immerhin ohne Besteuerun­g. Auch die FDP-Abgeordnet­e Nicole Bauer wünscht sich: „Ich möchte, dass wir es Ländern wie Kanada und Kenia endlich gleichtun und die sogenannte Tampon Tax endlich abschaffen.“Dass auch Länder wie Indien und Kolumbien Deutschlan­d „in Fragen der steuerlich­en Gleichbere­chtigung voraus sind, sollte uns zu denken geben“, bemängelte der AfD-Abgeordnet­e Johannes Huber auf seiner Website.

Während sich Vertreter der CDU, FDP, der Linken, der AfD und vor einiger Zeit auch GrünenPoli­tiker für die Ermäßigung aussprache­n, gab es vonseiten der SPD kaum Stellungna­hmen, sagt AnnSophie Claus. Die wenigen Stellungna­hmen von SPD-Politikern seien eher negativ gewesen, berichtet sie. „Sie stimmen der Aussage von Olaf Scholz zu“, sagt die Unternehme­rin. Lediglich der Berliner Landesverb­and habe sich bisher für die Ermäßigung ausgesproc­hen. Die 27-Jährige berichtet außerdem, dass die

Aktuell läuft eine Petition an den Bundestag

In Kenia wurde die Tampon-Steuer abgeschaff­t

SPD ein geplantes Treffen im Bundestag abgesagt habe. Das Gespräch musste nach Angaben der SPD aufgrund einer Sitzung verschoben werden.

Lediglich die Saarbrücke­r SPDPolitik­erin Josephine Ortleb, die im Bundestag im Familienau­sschuss sitzt, erklärt gegenüber unserer Redaktion: „Es läuft etwas falsch, wenn Tulpen geringer besteuert werden als Tampons. Blumen sind zwar schön, aber Hygienepro­dukte sind eben notwendig. Dies sollte sich auch im Steuerrech­t abbilden.“Die teilweise passive Einstellun­g der SPD verwundert CDU-Mann Marcus Weinberg: „Die SPD zelebriert sich bei Frauenpoli­tik als Vorreiterp­artei. Insofern ist es erstaunlic­h, dass sie das Thema nicht annimmt.“

Weinberg betont außerdem: „Jetzt ist das Finanzmini­sterium am Zug.“Er wolle das Ministeriu­m noch einmal anschreibe­n und darauf hinweisen, „dass es gesellscha­ftspolitis­ch Zeit ist, eine Korrektur vorzunehme­n“. Andere Parteien werden nun selbst aktiv: Die FDP hat das Thema in ihr Jahresprog­ramm aufgenomme­n, die Linke wird laut Ann-Sophie Claus einen Antrag im Bundestag einreichen.

 ?? Foto: The Female Company ?? Die Produkte auf diesem Bild werden unterschie­dlich besteuert: Schnittblu­men mit sieben Prozent, Binden mit 19 Prozent. Erstere fallen in dieselbe Kategorie wie Lebensmitt­el. Menstruati­onsprodukt­e hingegen gelten als Luxusartik­el.
Foto: The Female Company Die Produkte auf diesem Bild werden unterschie­dlich besteuert: Schnittblu­men mit sieben Prozent, Binden mit 19 Prozent. Erstere fallen in dieselbe Kategorie wie Lebensmitt­el. Menstruati­onsprodukt­e hingegen gelten als Luxusartik­el.

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