Die Flügelkämpfer in der AfD
Partei So tief zerstritten sind die West-Landesverbände der Alternative für Deutschland
Stuttgart Brandenburg, Sachsen, Thüringen – im Osten stehen drei Landtagswahlen an. Der Rechtsaußen Björn Höcke ruft zur „friedlichen Revolution an der Wahlurne“auf. Derweil fliegen in der Partei vielerorts die Fetzen. Zwar dominiert der rechtsnationale „Flügel“, den der Verfassungsschutz als Verdachtsfall für rechtsextremistische Bestrebungen einstuft, weite Teile der Ost-AfD. Aber in vielen Westländern toben erbitterte Machtkämpfe zwischen gemäßigten Kräften und „Flügel“-Anhängern. AfDVize Kay Gottschalk spricht von einer „Schneise der Verwüstung“in den West-Ländern. Ein Überblick über die Lage in den westdeutschen Landesverbänden:
Bayern:
Die bayerische AfD ist tief gespalten: zwischen Anhängern des „Flügels“, darunter Landtagsfraktionschefin Katrin Ebner-Steiner, und eher gemäßigten Kräften. Und diese tiefen Gräben ziehen sich auch durch den Landesvorstand und die Landtagsfraktion. In der Fraktion gibt es quasi ein Patt zwischen beiden Gruppen. Ebner-Steiner hat nur noch die Hälfte der Fraktion hinter sich, zwei Abgeordnete sind aus Protest gegen ihren Rechtskurs ausgetreten. Für eine Abwahl haben ihre Gegner, die zuletzt sogar eine Anzeige gegen sie wegen der Veröffentlichung privater E-Mails ankündigten, aber nicht die dafür nötige Zwei-Drittel-Mehrheit. Im Herbst aber muss neu gewählt werden – sowohl der Landesvorstand als auch die Spitze der Fraktion.
Baden-Württemberg:
Der „Flügel“ist stark vertreten im Südwesten. Durch den Landesverband geht schon lange ein Riss. Es geht um den Umgang mit flügelnahen Mitgliedern wie den Abgeordneten Stefan Räpple, der mit Rechtsextremen in Chemnitz marschiert oder sich nach Zwischenrufen von der Polizei aus dem Landtag führen lässt. Der Landesvorstand will ihn loswerden, aber er genießt noch Rückhalt in der Fraktion. Oder um Wolfgang Gedeon – Antisemitismusvorwürfe gegen ihn hatten 2016 vorübergehend zur Spaltung der AfD-Fraktion im Landtag geführt. Die AfD-Splittergruppe „Stuttgarter Aufruf“um die flügelaffine Abgeordnete Christina Baum forderte 2018 trotz der drohenden Beobachtung durch den Verfassungsschutz einen radikaleren Kurs. Im Vorstand liefern sich indes Landeschef Bernd Gögel, der als gemäßigt gilt, und Co-Sprecher Dirk Spaniel eine Schlammschlacht.
Schleswig-Holstein:
Beim Landesparteitag Ende Juni wurde überraschend Doris von Sayn-Wittgenstein in einer Kampfkandidatur erneut zur Landesvorsitzenden gewählt – obwohl gegen sie ein Parteiausschlussverfahren des Bundesvorstands läuft. Die 64-Jährige hatte einen rechtsextremen Verein unterstützt, der auf der Unvereinbarkeitsliste der AfD steht. Sayn-Wittgenstein gilt als politisch weit rechts und dem „Flügel“zumindest nahestehend. Die AfDLandtagsfraktion in Kiel schloss sie im vergangenen Dezember aus. Seitdem ist sie fraktionslose Abgeordnete. Die verbliebene vierköpfige Landtagsfraktion lehnt jede Zusammenarbeit mit ihr ab.
Nordrhein-Westfalen:
Bei einem Chaos-Parteitag Anfang Juli hatte sich die Doppelspitze der NRW-AfD mitsamt Vorstandsmitgliedern buchstäblich zerlegt. Übrig blieben zunächst die Rechtsnationalen um Co-Landeschef Thomas Röckemann, der als Sympathisant Höckes gilt. Der als gemäßigt eingeschätzte Vorsitzende Helmut Seifen trat mit acht Vorstandsmitgliedern zurück. Nun kommt es im größten AfD-Landesverband zur Machtprobe. Röckemann und zwei seiner Anhänger weigern sich bislang, auch zurückzutreten, um den Weg für einen Neuanfang an der Landesspitze frei zu machen. In der AfD-Landtagsfraktion gilt Röckemann außerdem als isoliert und ist in Plenardebatten kaum präsent.
Rheinland-Pfalz:
Der AfD-Landes- und Fraktionschef Uwe Junge machte wiederholt mit scharfen Äußerungen über Geflüchtete auf sich aufmerksam, hat sich aber gegen den „Flügel“positioniert. Nach Berichten über Kontakte des AfD-Landtagsabgeordneten Jens Ahnemüller zur rechtsextremen Szene führte Junge im September 2018 dessen Ausschluss aus der Fraktion herbei. Er strebt auch einen Parteiausschluss an. Einen tiefen Zwist gibt es mit der Landtagsabgeordneten Gabriele Bublies-Leifert, die als Vorsitzende des Kreisverbands Birkenfeld des Amtes enthoben wurde. Nach einer TwitterÄußerung Junges über einen „Aufstand der Generale“forderte Bublies-Leifert dessen Rücktritt vom Fraktionsvorsitz.