Wie wir mit Düften manipuliert werden
Supermärkte, Hotels und Cafés tun es: Mit angenehmen Gerüchen wollen sie unsere Gefühle beeinflussen
Herr Sarstedt, wie beeinflussen Düfte unser Konsumverhalten?
Marko Sarstedt: Das Spannende an Düften aus der Forschungsperspektive ist, dass sie das unterhalb der bewussten Wahrnehmung tun. Selbst Düfte, die wir nicht bewusst wahrnehmen, beeinflussen unser Verhalten. Dagegen können wir uns auch gar nicht wehren. Es gibt das schöne Beispiel von Patrick Süskinds Buch „Das Parfüm“. Darin sagt er, dass wir Düften nicht widerstehen können, sie nehmen uns ein und umgeben uns. Es gibt einfach kein Entkommen.
Es heißt ja auch: Den kann ich gut riechen. Da ist also durchaus was dran? Sarstedt: Ja genau. Dazu wurde auch bereits viel geforscht. Demnach werden der erste Eindruck von einer Person und die wahrgenommene Attraktivität ganz erheblich vom Körpergeruch beeinflusst. Und zwar vom ureigenen Geruch – gar nicht so sehr von Parfüms. Beispielsweise können wir den Pheromon-Ausstoß (Anmerkung: Pheromon ist ein Botenstoff) einer Person riechen. Diese Informationen verarbeiten wir automatisch und finden deshalb jemanden attraktiv oder unattraktiv.
Seit wann werden Düfte gezielt für Marketingzwecke eingesetzt? Sarstedt: Duftmarketing existiert in der Praxis schon seit mehreren Jahren. Es gibt sogar Duftvermarktungs-Agenturen, die Düfte für Unternehmen entwickeln. Firmen haben häufig ein Image, das beispielsweise über das Logo transportiert wird. Genauso gibt es Düfte, die auf ein Unternehmen zugeschnitten sind. Das kam Ende der 90er Jahre auf, Duftmarketing hat aber erst ab Mitte der 2000er – zuerst auf dem US-Markt und dann auch in Deutschland – richtig Fuß gefasst. Manche Unternehmen setzen Duftmarketing sogar bewusst ein, um bestimmte Zielgruppen von ihren Läden fernzuhalten. Zum Beispiel Abercrombie & Fitch. Deren Läden sind extrem dunkel gestaltet, es läuft laute Musik und in der Luft liegt ein ganz penetranter Geruch. Diese ganze Atmosphäre in Kombination mit Duft soll gerade ein älteres Publikum abschrecken – damit die Marke jung bleibt.
Gibt es Zahlen dazu, wie viele Unternehmen Duftmarketing einsetzen? Sarstedt: Schätzungen gehen davon aus, dass das Marktvolumen im Bereich Duftmarketing etwa 500 Millionen US-Dollar weltweit beträgt. Es gibt eine nicht repräsentative Befragung in Deutschland, in der Unternehmen angeben sollten, wie oft sie Düfte einsetzen. Dabei kam heraus, dass mehr als 50 Prozent aller Hotels Düfte nutzen. Das halte ich für plausibel. Gerade bei Hotelketten ist das völlig normal.
Inwiefern?
Sarstedt: Wenn man zum Beispiel ein Motel One betritt, nimmt man einen gewissen Geruch wahr, den man automatisch mit dem Hotel verbindet. Die Idee dahinter ist, einen Wiedererkennungswert zu schaffen, aber natürlich auch eine gewisse Konstanz in die Wahrnehmung der Umgebung zu bringen. Wenn eine Umgebung immer anders auf uns wirkt, dann reagiert der Konsument mit einem Abwehrverhalten. Das ist auch der Grund, warum es in Supermärkten immer gleich aussieht. Das ist für den Menschen angenehmer. Der Geruch spielt dabei auch eine Rolle, weil er ein Aspekt der Wahrnehmung einer Umgebung ist.
Sie haben mit einem internationalen Team untersucht, wie Düfte unbewusst das Konsumverhalten beeinflussen. Wie sind Sie dabei vorgegangen? Sarstedt: In der Hauptstudie haben wir vier Monate lang alle Züge beduftet, die zwischen zwei großen Städten im Süden Bayerns verkehrt sind. Und zwar mit einer starken Intensität. Zuvor gab es dazu mehrere Tests. Dann haben wir regelmäßig 35 Pendler befragt – also nur jene Bahnreisenden, die ständig mit diesen Zügen fahren. Die bekamen einen Fragebogen, den sie im Zug ausfüllen mussten. Darin wurde unter anderem abgefragt, wie zufrieden sie mit der Zugfahrt allgemein, der Servicequalität und dem PreisLeistungs-Empfinden sind. Wir haben zunächst eine Nullmessung ohne Duft durchgeführt. Dann haben wir angefangen, über vier Monate zu beduften. Zum Schluss wurde der Duft abgesetzt.
Zu welchem Ergebnis sind Sie am Ende der Studie gekommen?
Sarstedt: Es kam heraus, dass die Pendler, sobald der Duft da war, viel zufriedener mit der Zugfahrt waren. Das ganze Erlebnis wurde als viel positiver bewertet. Das für uns Überraschende war, dass diese Zufriedenheit nachhaltig war. Wir hatten eigentlich erwartet, dass ein Gewöhnungseffekt eintritt. Das ist nicht passiert. Erst als wir den Duft abgesetzt haben, ist die Zufriedenheit etwas abgefallen, aber auch nicht so richtig. Die Zufriedenheit der Fahrgäste mit der Servicequalität und der Bahnfahrt ist auf einem relativ hohen Niveau geblieben. Das haben wir damit erklärt, dass die Pendler den Duft nicht bewusst wahrgenommen haben. Wir haben sie nach der Feldphase gefragt, ob ihnen etwas aufgefallen ist. Von den 35 befragten Personen hat ein Einziger gesagt, dass er irgendwann mal etwas gemerkt habe. Er dachte aber, das bilde er sich ein. Alle anderen haben dem Duft keine Aufmerksamkeit geschenkt.
Sie sagen also, dass Düfte, die nicht bewusst wahrgenommen werden, das Verhalten beeinflussen. Ist das nicht eine Art von Manipulation? Sarstedt: Wenn Düfte bewusst wahrgenommen werden, hat das meist eine andere Funktion. Dann soll das eher einen Erkennungswert schaffen – aber natürlich auch angenehm sein. Wie in einer Bäckerei. Viele Kaffeehäuser beduften mit Kaffeebohnen den Eingang, das ist nicht alles natürlich. Ich bin bei unterbewusst wahrgenommenen Düften ein bisschen zwiegespalten: Natürlich werden wir mit Düften manipuliert. Weil sie nicht sichtbar sind, ist die Vorstellung davon noch einmal unangenehmer. Faktisch manipuliert uns aber alles: Verpackungsformen, Farben, Laufwege, Sichteinflüsse – alles kann man so konfigurieren, dass eine bestimmte Situation für uns angenehm oder unangenehm wirkt. Der Duft ist eben nur ein weiteres Element. Da der Duft der einzige Sinn ist, der uns beeinflusst, ohne dass wir das bewusst wahrnehmen oder hinterfragen, ist das für uns eine so unangenehme Vorstellung.
Wann wird der Einsatz von Düften für Sie problematisch?
Sarstedt: Ab dem Zeitpunkt, ab dem es einen offensichtlich negativen Effekt für die Menschen in der Umgebung gibt. Zum Beispiel, wenn Aerosole (Anmerkung: feinste Schwebeteilchen in Gasen) verwendet werden, auf die Menschen allergisch reagieren. Das konnten wir bei unseren Studien ausschließen, weil wir uns darauf verlassen haben, dass der professionelle Dufthersteller das unter Kontrolle hat. Es gibt jedoch Leute, die hypersensibel sind. Wenn die nicht darüber aufgeklärt werden, dass in der Umgebung Düfte eingesetzt werden, dann können sie heftig darauf reagieren. Dann ist das Ganze ethisch fragwürdig. Ich denke, es müsste hinsichtlich des Einsatzes von Umgebungsdüften mehr Aufklärung geben. Da ist durchaus auch eine Regulierung gefragt.