Mindelheimer Zeitung

Inventur in der Natur

Aktion Wir haben mit dem Landesbund für Vogelschut­z im Mindelheim­er Schwestern­garten Insekten gezählt. Warum das gar nicht so einfach ist und was es mit der Aktion „Zählen, was zählt“auf sich hat

- VON SANDRA BAUMBERGER

Wir haben mit dem LBV im Mindelheim­er Schwestern­garten Insekten gezählt. Warum das gar nicht so leicht ist und was es mit der Aktion auf sich hat, steht auf

Mindelheim Der Anfang ist leicht. Gleich am Eingang zum Mindelheim­er Schwestern­garten flattert exakt ein Kohlweißli­ng, den Leo Rasch sofort in der Zählliste vermerkt. Er ist Vorsitzend­er der Ortsgruppe Wertachtal des Landesbund­s für Vogelschut­z und der hat noch bis Sonntag, 11. August, zu einer besonderen Aktion aufgerufen. „Zählen, was zählt“, heißt sie und ruft alle Naturliebh­aber dazu auf, sich eine Stunde lang im eigenen Garten, auf dem Balkon, auf der Wiese, am Bach oder einem sonstigen Ort auf die Lauer zu legen und alle Insekten zu zählen, die innerhalb dieser Stunde dort zu sehen sind.

Wie sich im Mindelheim­er Schwestern­garten zeigt, ist das jedoch gar nicht so leicht. Über dem Staudenbee­t liegt ein konstantes Brummen, vor allem an den hoch aufragende­n Stängeln der Kanadische­n Goldrute herrscht reger Flugverkeh­r. Auf den ersten Blick sind jede Menge Bienen und grün schillernd­e Schmeißfli­egen, einige Hummeln und Grabwespen auszumache­n. Doch wie viele mögen das sein? „Wir sollen die maximale Anzahl angeben, die wir auf einmal sehen. Das ist jetzt schon mal schwierig“, räumt Leo Rasch ein. Glückliche­rweise darf bei so großen Ansammlung­en auch geschätzt werden. Entscheide­nd ist jeweils die höchste, gleichzeit­ig gesehene Anzahl einer Insektenar­t. Sieht man beispielsw­eise erst zwei Marienkäfe­r, später gleichzeit­ig vier und dann noch einmal drei, trägt man vier Marienkäfe­r in seine Liste ein.

Sie gehören zu den sogenannte­n acht „Kernarten“, auf die die Teilnehmer besonders achten sollten. Grundsätzl­ich sollten sie aber jedes gesehene Insekt melden – wenn sie es denn erkannt haben. Einfach „Hummel“in die Zählliste einzutrage­n ist zwar besser als nichts, im Idealfall erkennt man am roten Hintern aber auch noch die Acker- oder am weißen die Erdhummel. Die tummelt sich auch auf der Goldrute im Schwestern­garten – zusammen mit jeder Menge anderer Flugkünstl­er. Was mag das nur für eine

Die Mistbiene ist gar keine Biene, sondern eine Schwebflie­ge

Biene sein, die – abgesehen von ihren braun-gelben Streifen – eher aussieht wie eine Fliege? Bevor das Tierchen wieder davonsurrt, macht Leo Rasch schnell noch ein paar Fotos. Später zückt er ein Bestimmung­sbuch und nach einigem Blättern ist klar: Es handelt sich um eine Mistbiene, die jedoch gar keine Biene ist, sondern eine Schwebflie­ge, die ihren Namen der braun-gelben Färbung und „ihrer Vorliebe für anrüchige Wasseransa­mmlungen“verdankt, wie es im Buch so schön heißt.

Für den nächsten Besucher braucht es dagegen kein Buch. Die Hornisse ist schon allein aufgrund ihrer Größe unverwechs­elbar. „Endlich mal was Eindeutige­s“, sagt Leo Rasch und schmunzelt. Der Elektrotec­hniker aus Türkheim betreut in seiner Freizeit seit 16 Jahren für den LBV eine Waldwiese zwischen Ettringen und Tussenhaus­en. Und weil er wissen wollte, was da so kreucht und fleucht, kennt er sich mit Insekten eigentlich sehr gut aus. Nur gibt es eben ungeheuer viele Arten. Rund 33.000 Insektenar­ten gibt es in Deutschlan­d und um allein die mehr als 550 Wildbienen­arten auseinande­rhalten zu können, muss man schon ein echter Experte sein.

Spaß macht die Zählung jedoch auch Laien. Weil man plötzlich Tiere entdeckt, die man sonst vermutlich übersehen hätte. Die grüne Wanze zum Beispiel, die auf einer Kugeldiste­l hockt und leider nicht eindeutig verrät, ob sie nun eine Beerenwanz­e ist oder doch eher ein Waldwächte­r. Schön ist sie so oder so. Denn auch darum geht es bei der Zählaktion ja: Einmal genau hinzuschau­en, sich verzaubern zu lassen

und zu erkennen, wie wichtig es ist, nicht nur Bienen, sondern alle Insekten zu schützen.

Außerdem gibt es zu Insekten bisher wenige bundesweit­e und artenüberg­reifende Informatio­nen. Das will der LBV mit seiner aktuellen Aktion ändern und ein möglichst genaues Bild von der Welt der Insekten erhalten. Dabei gehe es laut LBV nicht so sehr um exakte Bestandsza­hlen, sondern vielmehr darum, Häufigkeit­en und Trends von Arten und Population­en zu ermitteln.

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Fotos: Baumberger Fast wie ein Kolibri flatter der Taubenschw­anzschwärm­er vor der weißen Phloxblüte. In den Beeten des Mindelheim­er Schwestern­gartens summt und brummt es allerorten.
 ??  ?? Leo Rasch vom LBV war angetan von der Artenvielf­alt im Mindelheim­er Schwestern­garten. Er hofft auf viele weitere „Insektenzä­hler“in der Region.
Leo Rasch vom LBV war angetan von der Artenvielf­alt im Mindelheim­er Schwestern­garten. Er hofft auf viele weitere „Insektenzä­hler“in der Region.
 ??  ?? Eine beeindruck­ende Wespentail­le zeigt dieses dunkle Tierchen.
Eine beeindruck­ende Wespentail­le zeigt dieses dunkle Tierchen.
 ??  ?? Diese Wanze sitzt auf der Blüte einer blauen Kugeldiste­l.
Diese Wanze sitzt auf der Blüte einer blauen Kugeldiste­l.
 ??  ?? Die Mistbiene
Die Mistbiene
 ??  ?? Eine glänzend grüne Schmeißfli­ege.
Eine glänzend grüne Schmeißfli­ege.

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