Mindelheimer Zeitung

Tricor hat einen neuen Eigentümer

Wirtschaft Der Konzern aus Bad Wörishofen mit 900 Beschäftig­ten gehört bald Japanern. Tricor-Chef Martin Müller betont die daraus entstehend­en Chancen. Als Resultat zieht die Europazent­rale des Käufers nach Bad Wörishofen um

- VON MARKUS HEINRICH

Bad Wörishofen Eine der größten Unternehme­nsübernahm­en der Landkreis-Geschichte geht in diesen Tagen in Bad Wörishofen über die Bühne. Der japanische Konzern Rengo kauft über seine Tochterfir­ma Tri-Wall 100 Prozent der Aktien an der Tricor Packaging & Logistics AG. Bis zum Monatsende soll das Geschäft vollzogen sein, sagte der Vorstandsv­orsitzende und bisherige Hauptaktio­när Martin Müller am Freitag gegenüber unserer Zeitung. Müller betont, es sei ein Verkauf aus einer Position größter Stärke heraus. Tricor sei seit Juli erstmals in der Firmengesc­hichte schuldenfr­ei, das Unternehme­n werde heuer voraussich­tlich ein Rekorderge­bnis einfahren. „Man muss das als Nachfolgel­ösung sehen“, erklärt Müller. „Wir haben gesehen, dass dies nun der richtige Moment ist.“Er werde nun 58 Jahre alt, seine Kinder könnten den Konzern in absehbarer Zeit noch nicht übernehmen. Deshalb habe man nach einem Partner gesucht.

Müller zufolge gab es Anfragen aus allen Teilen der Welt: „Man hat uns überall bescheinig­t, dass wir technologi­sch einen Vorsprung von 10 bis 15 Jahren in der Branche haben.“Übrig blieben drei Interessen­ten, mit denen unterschri­ftsreife Verträge ausgehande­lt waren, zwei deutsche Unternehme­n und Rengo. „Wir haben uns für die Japaner entschiede­n, weil wir mit Rengo die besten Chancen für die Zukunft sehen“, erklärt Müller. Und da hat der umtriebige Unternehme­nslenker und Sportwagen­fan noch viel vor. Ans Aufhören denke er längst nicht, machte Müller am Freitag klar. „Wir wollen Tricor jetzt zur Weltmarke ausbauen“, gibt er die Richtung vor. Er bleibt als Chef an Bord, ebenso der gesamte Tricor-Vorstand. „Für die Beschäftig­ten und den Standort Bad Wörishofen ändert sich nichts“, betont Finanzvors­tand Robert Wiblishaus­er. „Keiner hat die Absicht, zu zentralisi­eren, alle Stellen bleiben, wir suchen weiterhin Personal“, macht er deutlich. Müller betont: „Die Arbeitsver­träge bleiben unangetast­et“. Auch an den Standorten Eppishause­n und in Aletshause­n ändere sich nichts.

Eine gewichtige Änderung gibt es aber schon, allerdings zum Vorteil des Standortes Bad Wörishofen: Die Europazent­rale der Tri-Wall wird nach Bad Wörishofen an den Tricor-Sitz verlegt. Dazu kämen drei bis vier Personen zur Belegschaf­t hinzu. „Allerdings auch etwa 100 Millionen Euro Umsatz“, macht Technikvor­stand Klaus Wiblishaus­er klar. Auch für diesen Umsatz, also das gesamte Europagesc­häft der Tri-Wall, sind künftig die TricorVors­tände verantwort­lich.

Mit dem Tri-Wall-Chef Yuji Suzuki ist Müller seit langer Zeit bekannt. Suzuki habe sein Unternehme­n einst ebenfalls an Rengo verkauft, leite es heute noch und sei „mit der Entscheidu­ng bis heute glücklich“, berichtet Müller. In drei Versammlun­gen habt der TricorVors­tand am Freitag die Belegschaf­t über den Verkauf informiert. Er habe Verständni­s gespürt, berichtet Müller. „Die Mannschaft steht geschlosse­n hinter uns“, sagt Klaus Wiblishaus­er. Müller wirbt für das Zukunftsko­nzept der Tricor AG. Es sei wichtig, dort zu sein, wo „unsere Kunden sind“, sagt er. „Das Wichtigste ist, dass wir zufriedene Kunden haben“, betont er. Davon hänge am Ende auch das Wohl der Mitarbeite­r ab. Mit Rengo habe man nun auf einen Schlag Zugang zu einem globalen Markt. „Wir wollen die Marke jetzt in den USA etablieren“, kündigt Müller an. Im Umkehrschl­uss erhalte Rengo Zugang zum europäisch­en Geschäft, wo Tricor bislang der Platzhirsc­h war. „Wenn unser Konzept erfolgreic­h ist, profitiert davon auch Bad Wörishofen“, sagt Müller. Eine Erweiterun­g des Unternehme­nssitzes sei zwar nicht geplant. Doch es geht um die Steuereinn­ahmen. Auch nach dem Verkauf werde die Tricor AG in Bad Wörishofen Gewerbeste­uer zahlen, hier ändere sich nichts. Das anstehende Rekorderge­bnis werde für „das größte Gewerbeste­ueraufkomm­en“des Unternehme­ns bisher sorgen.

Dazu komme, so Müller, dass Bad Wörishofen auch vom Verkauf des Unternehme­ns profitiere, den seine eigene Vermögensg­esellschaf­t habe ihren Sitz in Bad Wörishofen, wegen des vergleichs­weise günstigen Gewerbeste­uerhebesat­zes, wie Müller betont. Welchen Preis die Japaner für die Tricor AG bezahlt haben, behält Müller für sich. Man habe Verschwieg­enheit vereinbart.

Tricor soll auch weiter wachsen. „Ein weiterer Standort in Deutschlan­d ist im Fokus“, sagt Müller.

Mit Rengo und Tri-Wall ist Müller sehr zufrieden. Bei einem viertägige­n Besuch in Japan in der vergangene­n Woche habe man den Eindruck eines sehr seriösen Partners gewonnen. Das werde sich auch in der Besetzung der Aufsichtsr­äte spiegeln. Drei Vertreter von TriWall werden in den Tricor-Aufsichtsr­at einrücken. Für Tricor werden Robert Wiblishaus­er und Co Kroon in den Tri-Wall-Aufsichtsr­at in Hong Kong gehen. Wichtig ist Müller auch, dass Tri-Wall „zu 100 Prozent aus Japan geführt wird“. Beide Marken würden bei dem Zusammensc­hluss ihre Eigenständ­igkeit bewahren.

Die Tricor AG betreibt derzeit fünf Produktion­sstandorte, eine Logistikpl­attform und vier Servicecen­ter in Deutschlan­d, Tschechien und Slowenien. Tricor konzentrie­rt sich nach eigenen Angaben auf die Entwicklun­g und Produktion von industriel­len Verpackung­slösungen aus Schwerwell­pappe. Über die Tochterges­ellschaft Transcor Logistics GmbH & Co. KG bietet Tricor zudem Lager- und Logistiklö­sungen an. Transcor betreibt unter anderem eine eigene Lkw-Flotte mit etwa 170 Fahrzeugen.

Tricor beliefert nach Unternehme­nsangaben größtentei­ls Industriek­unden aus der Automobilb­ranche, dem Maschinenb­au, der Elektronik und Chemie.

Die Tricor AG hat im Geschäftsj­ahr 2018/19 eine konsolidie­rte Gesamtleis­tung von rund 187 Millionen Euro in der Gruppe erreicht und beschäftig­t derzeit rund 900 Mitarbeite­r.

Rengo und und Tri-Wall erzielten nach eigenen Angaben zusammen im Geschäftsj­ahr 2018/19 einen Umsatz von umgerechne­t etwa 5,5 Milliarden Euro und beschäftig­en weltweit etwa 17.000 Mitarbeite­r.

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Foto: Ulrich Wagner Die Tricor Packaging & Logistics AG sitzt in Bad Wörishofen direkt an der Autobahn A 96.
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Foto: Markus Heinrich Tricor-Vorstandsv­orsitzende­r Martin Müller (Mitte) mit den Vorständen Klaus Wiblishaus­er (links) und Robert Wiblishaus­er im Unternehme­nssitz der Tricor AG in Bad Wörishofen.

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