Das Gute liegt so nah
Regionalität spielt in meinen Gewissensentscheidungen eine starke Rolle: Wie weit entfernt von meinem Supermarkt ist die Gurke groß geworden? Hätte ich, wenn ich wollte – und niemand will das, wie unser Fleischkonsum zeigt –, das Schwein in Wohnortnähe streicheln können, bevor es als Schnitzel auf meinem Teller landet? Und wäre die Entscheidung für einen Urlaub zu Hause ohne „Flugscham“anders ausgefallen? „Das Gute liegt so nahe“– diese Verklärung stimmt und stimmt nicht.
Auch in der Nähe gibt es Lebensumstände und ökologische Minenfelder, die man nur schwer umgehen kann. Ob das Verpackungsplastik, der Autogebrauch oder Fernreisen sind. Aber es gibt in der Region viel Gutes (für mein Gewissen) zu entdecken: die Biobauernfamilie, die Fleisch produziert, auf das sie stolz ist; einen Nahverkehr, den man auch für Ausflüge nutzen kann; Wasser, das einem ermöglicht, im Weltkulturerbe zu baden; und eine Landschaft, wie ich sie noch nie so abwechslungsreich an meinen zahlreichen Lebensorten kennenlernen konnte. Bei Fuchstal die Wälder und Weiher, in den Stauden eine fast kanadische Abgeschiedenheit und Ruhe, im Altbaierischen die Waldsäume und die Spargelfelder und die ganz andere Welt im Ries. Auf einer Wanderung über den Schäferweg (Start beim Freibad an der Marienhöhe in Nördlingen) wurde mir in brütender Hitze eines Sommertages das Sprichwort vom Guten in der Nähe ganz deutlich: in der Kühle der beschatteten Wege, dem Idyll einer Schafherde unter Bäumen, dem Blick von der Höhe in die Weite und schließlich der Einkehr mit Felsenschinken im Sommerkeller. Das manchmal Beste ist so nah. Dazu muss ich nicht in die Ferne schweifen und das Unerreichbare und Unerfüllbare suchen. Jesus hat das auch so praktiziert: Als er „Urlaub“, Abstand brauchte, zog er sich von seinen Jüngern zurück und suchte sich einen schönen, schattigen Platz mit Überblick in der Nähe. Machen Sie es ihm doch einfach nach, jetzt, diesen Sommer.