Mindelheimer Zeitung

Freiheit für den Lech

Natur In 15 Jahren laufen erste Kraftwerks­konzession­en aus. Der Bund Naturschut­z will, dass der Fluss wieder wilder wird

- VON GERALD MODLINGER

Landsberg Der Lech ist ein Schatz: Die Kraft seines Wassers, die 30 Kraftwerke in Elektrizit­ät umwandeln, deckt im Jahr den Strombedar­f von umgerechne­t rund einer Million Haushalte. Der Kies, den der Lech in Jahrtausen­den aus den Bergen ins Alpenvorla­nd gebracht hat, wird gerne als „weißes Gold des Lechfelds“bezeichnet. Verloren gegangen ist durch die menschlich­e Nutzung jedoch der Naturschat­z Lech. Mit Blick darauf will nun der Bund Naturschut­z (BN) eine Zeitenwend­e einläuten.

Die systematis­che Verbauung des einstigen Wildflusse­s zur Energiegew­innung begann außerhalb von Augsburg 1940 mit den ersten Laufwasser­kraftwerke­n zwischen Landsberg und Schongau. 1982 war mit der Staustufe 22 bei Unterberge­n (Kreis Aichach-Friedberg) die bislang letzte Staustufe fertiggest­ellt. Nur ein kleines Stück frei fließender Lech ist noch erhalten geblieben: an der Litzauer Schleife oberhalb von Schongau – ein früher Erfolg des BN. Die dort geplante Staustufe 5 wurde nie gebaut.

Die Konzession­en der ältesten Lech-Kraftwerke südlich von laufen im Jahr 2034 aus. Um weiter Strom erzeugen zu können, müssen die Betreiber (oberhalb von Augsburg ist das überwiegen­d Uniper) neue Konzession­en beantragen. Hier will nun der Bund Naturschut­z ansetzen, um die ökologisch­e Situation im Lechtal zu verbessern, erklärt der Regionalbe­auftragte für Schwaben und das westliche Oberbayern, Thomas Frey.

Das Grundprobl­em am Lech sei, dass durch die Staustufen der Fluss seine Durchgängi­gkeit verloren und keine Dynamik mehr habe. Nicht nur den Fischen werde der Weg versperrt, auch das Geschiebe – also das Gesteinsma­terial, das der Fluss transporti­ert – ist dadurch blockiert. Einst noch hatte es die mächtigen Kiesschich­ten ins Alpenvorla­nd befördert. Dazu komme, dass Dämme den Lech heute von den Auenbereic­hen abschneide­n, die dadurch nach und nach immer weiter verschwind­en.

Die Funktion als Biotopbrüc­ke zwischen den Alpen und den Albgebiete­n nördlich der Donau könne der Fluss kaum noch erfüllen. Der Wildflussc­harakter sei großteils verloren gegangen. Ohne die Verbauunge­n würde das Wasser die Landschaft ständig verändern und immer wieder neue Lebensräum­e schaffen. Weil es aufgrund der Staustufen kein Kiesgeschi­ebe mehr gebe und der steinige Nachschub bereits am Forggensee gekappt werde, bildeten sich keine neuen Kiesbänke, Fische, die dort laichen, können sich nicht mehr natürlich vermehren. Der vorhandene kiesige Untergrund werde von Schlamm bedeckt, der Fluss tiefe ein.

Als Zukunftsvi­sion für den Lech zeichnet Thomas Frey das „Leitbild eines dynamische­n Naturschut­zes“, der ohne die Pflege von Ersatzbiot­open etwa an den Lechdämmen auskomme. Der Fluss müsse diese Lebensräum­e nämlich durch die eigene Dynamik immer wieder neu schaffen.

Einzelheit­en dazu kann Frey dazu aber bisher nicht nennen: „Als BN haben wir derzeit auch noch kein Konzept, weil das alles sehr komplex ist.“Bei einem Zukunftspl­an müssten auch wasserwirt­schaftlich­e Aspekte, das Grundwasse­r und die Energieerz­eugung berücksich­tigt werden. Nutzung der Wasserkraf­t und Naturschut­z müsse kein Gegensatz sein, fügt der Regionalre­ferent an. Er verweist dabei auf die Technik der Schachtkra­ftwerke, die die Durchgängi­gkeit für Fische ermögLands­berg liche. Zentraler Bestandtei­l eines Zukunftsko­nzepts müsste laut BN ein Geschiebek­onzept sein. Das müsse Umweltmini­ster Thorsten Glauber allerdings schon jetzt in Auftrag geben, damit rechtzeiti­g Ergebnisse vorliegen.

Weil das ganze System so komplex ist, hat sich der BN bereits jetzt, 15 Jahre vor dem Auslaufen der ersten Konzession­en, zum Lech positionie­rt. „Uns geht es darum, in der Öffentlich­keit eine Sensibilit­ät zu erreichen, dass es nicht zu früh ist.“Solche großen Naturschut­zvorhaben erfordern einen langwierig­en Vorlauf, so die Erfahrung der Naturschüt­zer.

„Licca liber“, „freier Lech“, wie ein Renaturier­ungsprojek­t zwischen Augsburg und der Donaumündu­ng genannt wird, hatte die Lech-Allianz, ein Zusammensc­hluss von verschiede­nen im Naturschut­z engagierte­n Organisati­onen (vom Alpenverei­n bis zur Umweltinit­iative Pfaffenwin­kel), bereits im Jahr 1997 angestoßen. Erst 19 Jahre später konnte ein Umsetzungs­konzept vorgelegt werden. „Licca liber“beinhaltet unter anderem, nördlich von Augsburg neue Ausuferung­sgebiete zu schaffen und neuen Auwald entstehen zu lassen.

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Foto: U. Wagner Der Lech, hier Richtung Landsberg – ist weitgehend gezähmt.

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