Deutschland rüstet sich für den Abschwung
Nervosität in der Wirtschaft wächst. SPD und CSU kündigen Hilfsprogramme an Konjunktur
Augsburg Die Situation ist paradox: Die Arbeitslosigkeit in Deutschland ist so niedrig wie seit Jahren nicht mehr. Noch nie waren im wiedervereinigten Deutschland so wenige junge Menschen ohne Arbeit wie 2018. Der Immobilienmarkt jagt einen Rekord nach dem nächsten. Die Renten steigen. Selbst die sensiblen Verbraucher sind – wenn auch leicht rückläufig – in bester Kauflaune. Trotzdem wächst in Politik und Wirtschaft die Nervosität. Dass das Land auf einen Abschwung zusteuert, ist inzwischen keine Prognose für eine ferne Zukunft mehr, sondern realistisches Szenario.
Der Aufruhr in der deutschen Autobranche, der sich zuspitzende Handelskrieg zwischen China und den USA sowie die Aussicht auf einen harten Brexit bringen die Wirtschaft zunehmend ins Wanken. Börsenschwergewichte wie BASF oder Lufthansa kappen ihre Gewinnprognosen. Laut Ifo-Institut steigt die Zahl der Industrieunternehmen, die mit Kurzarbeit rechnen oder sie bereits eingeführt haben. Die Konjunkturerwartungen des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) sind im August auf den tiefsten Stand seit Dezember 2011 gefallen.
In der Region macht diese Entwicklung vor allem den Beschäftigten der Autozulieferindustrie Sorgen. In Schwaben stellte die Branche zuletzt 59300 Arbeitsplätze. Das entspricht acht Prozent aller Stellen. Allein schon durch den technologischen Wandel – etwa hin zur Elektromobilität – sind in der Region nach einer Studie des Münchner Ifo-Instituts bis zu 4900 Jobs gefährdet. Noch halten sich die Autozulieferer im Gegensatz zur Region Stuttgart mit dem Abbau fester Stellen zurück. Meist bleibt es beim Streichen von Arbeitsplätzen für Zeitarbeiter wie beim Mindelheimer Unternehmen Grob. Doch vereinzelt geht es auch schon an die Stammbelegschaft. So fallen beim Roboter- und Anlagenbauer Kuka in Augsburg 350 von einst rund 4000 Jobs weg.
Noch ist nicht klar, ob es sich um eine Delle oder Schlimmeres handelt. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) baut trotzdem vor und will Arbeitnehmer in einer Konjunkturkrise besser vor dem Verlust ihres Jobs schützen. „Für den Fall, dass es sich nicht nur um eine Konjunkturabkühlung handelt, wollen wir uns auch für den Krisenfall wappnen“, sagt Heil. Kurzarbeitergeld soll leichter fließen, Qualifizierung stärker öffentlich gefördert werden. Beschäftigte sollen etwa in einem Unternehmen, in dem sie eigentlich keine dauerhafte Perspektive mehr haben, zunächst mit staatlicher Förderung im Betrieb bleiben können. Der SPD-Politiker will im Herbst ein „Arbeit-vonmorgen-Gesetz“vorlegen. Die finanziellen Mittel sind Heil zufolge angesichts der Rücklagen der Bundesagentur für Arbeit von mehr als 20 Milliarden Euro vorhanden.
Auch die CSU will die Krisenszenarien nicht abwarten, sondern vorbeugen. „Wir brauchen für den Herbst ein Klima- und Konjunkturprogramm“, sagt CSU-Generalsekretär Markus Blume unserer Redaktion. Die CSU werde dazu direkt nach der Sommerpause ihre Pläne vorlegen. „Wir wollen für den Klimaschutz Anreize und Innovationen, die gleichzeitig die Konjunktur beleben“, sagt Blume. Die energetische Gebäudesanierung etwa sei so eine Maßnahme, Ministerpräsident Markus Söder nahm zuletzt auch die Senkung der Unternehmensteuer in den Blick: „Wir stehen vor einer Dekade der Investitionen im weltweiten Wettbewerb“, erklärt Markus Blume. „Deshalb müssen wir ein großes Zukunftspaket schnüren mit Innovationen, Investitionen und einer Unternehmensteuerreform, die Deutschland auf Wachstumskurs hält.“