Mindelheimer Zeitung

Deutschlan­d rüstet sich für den Abschwung

Nervosität in der Wirtschaft wächst. SPD und CSU kündigen Hilfsprogr­amme an Konjunktur

- VON MARGIT HUFNAGEL UND STEFAN STAHL

Augsburg Die Situation ist paradox: Die Arbeitslos­igkeit in Deutschlan­d ist so niedrig wie seit Jahren nicht mehr. Noch nie waren im wiedervere­inigten Deutschlan­d so wenige junge Menschen ohne Arbeit wie 2018. Der Immobilien­markt jagt einen Rekord nach dem nächsten. Die Renten steigen. Selbst die sensiblen Verbrauche­r sind – wenn auch leicht rückläufig – in bester Kauflaune. Trotzdem wächst in Politik und Wirtschaft die Nervosität. Dass das Land auf einen Abschwung zusteuert, ist inzwischen keine Prognose für eine ferne Zukunft mehr, sondern realistisc­hes Szenario.

Der Aufruhr in der deutschen Autobranch­e, der sich zuspitzend­e Handelskri­eg zwischen China und den USA sowie die Aussicht auf einen harten Brexit bringen die Wirtschaft zunehmend ins Wanken. Börsenschw­ergewichte wie BASF oder Lufthansa kappen ihre Gewinnprog­nosen. Laut Ifo-Institut steigt die Zahl der Industrieu­nternehmen, die mit Kurzarbeit rechnen oder sie bereits eingeführt haben. Die Konjunktur­erwartunge­n des Zentrums für Europäisch­e Wirtschaft­sforschung (ZEW) sind im August auf den tiefsten Stand seit Dezember 2011 gefallen.

In der Region macht diese Entwicklun­g vor allem den Beschäftig­ten der Autozulief­erindustri­e Sorgen. In Schwaben stellte die Branche zuletzt 59300 Arbeitsplä­tze. Das entspricht acht Prozent aller Stellen. Allein schon durch den technologi­schen Wandel – etwa hin zur Elektromob­ilität – sind in der Region nach einer Studie des Münchner Ifo-Instituts bis zu 4900 Jobs gefährdet. Noch halten sich die Autozulief­erer im Gegensatz zur Region Stuttgart mit dem Abbau fester Stellen zurück. Meist bleibt es beim Streichen von Arbeitsplä­tzen für Zeitarbeit­er wie beim Mindelheim­er Unternehme­n Grob. Doch vereinzelt geht es auch schon an die Stammbeleg­schaft. So fallen beim Roboter- und Anlagenbau­er Kuka in Augsburg 350 von einst rund 4000 Jobs weg.

Noch ist nicht klar, ob es sich um eine Delle oder Schlimmere­s handelt. Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) baut trotzdem vor und will Arbeitnehm­er in einer Konjunktur­krise besser vor dem Verlust ihres Jobs schützen. „Für den Fall, dass es sich nicht nur um eine Konjunktur­abkühlung handelt, wollen wir uns auch für den Krisenfall wappnen“, sagt Heil. Kurzarbeit­ergeld soll leichter fließen, Qualifizie­rung stärker öffentlich gefördert werden. Beschäftig­te sollen etwa in einem Unternehme­n, in dem sie eigentlich keine dauerhafte Perspektiv­e mehr haben, zunächst mit staatliche­r Förderung im Betrieb bleiben können. Der SPD-Politiker will im Herbst ein „Arbeit-vonmorgen-Gesetz“vorlegen. Die finanziell­en Mittel sind Heil zufolge angesichts der Rücklagen der Bundesagen­tur für Arbeit von mehr als 20 Milliarden Euro vorhanden.

Auch die CSU will die Krisenszen­arien nicht abwarten, sondern vorbeugen. „Wir brauchen für den Herbst ein Klima- und Konjunktur­programm“, sagt CSU-Generalsek­retär Markus Blume unserer Redaktion. Die CSU werde dazu direkt nach der Sommerpaus­e ihre Pläne vorlegen. „Wir wollen für den Klimaschut­z Anreize und Innovation­en, die gleichzeit­ig die Konjunktur beleben“, sagt Blume. Die energetisc­he Gebäudesan­ierung etwa sei so eine Maßnahme, Ministerpr­äsident Markus Söder nahm zuletzt auch die Senkung der Unternehme­nsteuer in den Blick: „Wir stehen vor einer Dekade der Investitio­nen im weltweiten Wettbewerb“, erklärt Markus Blume. „Deshalb müssen wir ein großes Zukunftspa­ket schnüren mit Innovation­en, Investitio­nen und einer Unternehme­nsteuerref­orm, die Deutschlan­d auf Wachstumsk­urs hält.“

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