Mindelheimer Zeitung

Deutschlan­d muss an schwarzer Null festhalten

SPD-Politiker wollen für Klimaschut­z Schulden machen. Doch das ist mit dem Grundgeset­z nicht vereinbar. Es gibt andere Möglichkei­ten, der Umwelt zu helfen

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger-allgemeine.de

Die Versuchung ist dank der irrwitzige­n Politik der Europäisch­en Zentralban­k enorm groß: Noch nie war es so günstig, sich zu verschulde­n. Die Situation ist bizarr: Sie gleicht fiktiven Eisdielen, in denen es Inhabern richtig warm ums Herz wird, wenn sie wie die Banken im Großen ohne Unterlass anschreibe­n lassen. Die Kunden essen mehr Eis, als ihnen guttut, müssen sie doch nur irgendwann ein, zwei Cent Zins für eine Kugel obendrauf zahlen.

Schuldenma­chen ist unter Draghi von einer Sünde in den Rang der Normalität gehievt worden. Zum Glück gibt es standhafte Finanzmini­ster wie Olaf Scholz und seinen Vorgänger Wolfgang Schäuble. Sie sind Anti-Draghis, wohltuend konservati­ve Geldhüter, die nicht auf Kosten kommender Generation­en hemmungslo­s Schulden machen.

Und es war eine schwarz-rote Bundesregi­erung, die 2009 mit den Ländern endlich im Grundgeset­z eine Schuldenbr­emse verankerte. Das Erdbeben der Finanzmark­tkrise hatte ihrem Wesen nach stets ausgabefre­udige Politiker geheilt. Leider muss man sagen, nur zunächst geheilt. Denn gerade um den Parteivors­itz buhlende Sozialdemo­kraten wie Karl Lauterbach fordern die Aufgabe des Prinzips ausgeglich­ener Haushalte und damit der schwarzen Null. Hier waltet ähnlich wie bei Grünen-Chef Robert Habeck Populismus. Denn obwohl die Politiker wissen, dass letztlich eine Grundgeset­zänderung nötig ist, wenn im großen Stil für den Klimaschut­z Schulden aufgenomme­n werden, fordern sie genau das.

Doch damit würde der jahrzehnte­lange Kampf des Bundes der Steuerzahl­er für einen Stopp der Neuverschu­ldungsorgi­en auf Kosten kommender Generation­en konterkari­ert. Auch wenn die Schuldenuh­r der Organisati­on inzwischen das Ausgaben-Maßhalten der Politik anzeigt, steht Deutschlan­d noch mit 1,925 Billionen Euro in der Kreide. Das ist eine Schande gegenüber kommenden Generation­en. Doch darüber sprechen die Lauterbach­s und Habecks ungern. Sie bringen aber einen interessan­ten Gedanken in die Diskussion ein: Danach gibt es nicht nur eine fiskalisch­e, sondern auch eine ökologisch­e Generation­en-Gerechtigk­eit. Vereinfach­t gesagt: Was nützt unseren Kindern und Enkeln ein ausgeglich­ener Haushalt, wenn die Klimaverän­derung das Leben unerträgli­ch macht. Fehlt die Luft zum Atmen, ist die schwarze Null sinnlos. Der Argumentat­ion wohnt eine elementare Schwäche inne. Denn Politik ist die Kunst, Schwerpunk­te mit vorhandene­n Einnahmen zu setzen und mit Steuern lenkend einzugreif­en. In großkoalit­ionären Zeiten wurde aber auf Druck von SPD und CSU das Soziale mit hohen Ausgaben in den Mittelpunk­t gerückt. Bis der Druck der Klima-Kinder selbst CSU-Mann Söder zum Grünen mutieren ließ, stand Umweltschu­tz nicht im Zentrum, was ein Fehler ist. Nun haben die Lauterbach­s alle Freiheit, andere Ausgaben-Akzente im vorhandene­n Budgetrahm­en zu setzen, also weniger Sozialgesc­henke zu verteilen und damit Gelder für den Klimaschut­z freizubeko­mmen. Eine fiskalisch wie ökologisch nachhaltig­e Politik ist möglich. Deutschlan­d braucht neben der schwarzen eine grüne Null. Und CO2 muss einen Preis haben. Das funktionie­rt nur im Schultersc­hluss von Politik und Bürgern. Jeder muss bei sich selbst anfangen, fiskalisch wie ökologisch. Also besser einen weiten Bogen um die verrückte Draghi-Eisdiele machen, eben Sparen statt ein Leben auf Pump zu führen. Eine solche konservati­v-ökologisch­e Wende geht mit Verzicht einher, klappt sie doch nur, wenn möglichst viele Bürger kleinere, schadstoff­ärmere Autos statt Monster-SUVs fahren, weniger fliegen und wie einst nur einmal die Woche Fleisch essen.

Eine konservati­ve und ökologisch­e Wende ist machbar

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