Mindelheimer Zeitung

Was der Fall Epstein über Trump sagt

Sexskandal Die unglaublic­he Geschichte um den toten US-Millionär offenbart, wie geschickt sich ausgerechn­et Milliardär Donald Trump als aufrechter Kämpfer gegen böse Eliten geriert

- VON GREGOR PETER SCHMITZ

Der Fall Epstein ist ein Kriminalfa­ll, den als Drehbuch jedes Studio in Hollywood ablehnen würde, weil es einfach zu konstruier­t wirkt. Da ist in der Hauptrolle ein sehr reicher Mann mit zweifelhaf­ten Vermögensw­erten, aber einer unzweifelh­aften Vorliebe für sehr junge Gespielinn­en – und zweifelsfr­eien Verbindung­en zu einigen der berühmtest­en Menschen der Welt, darunter amtierende US-Präsidente­n (Donald Trump), ehemalige US-Präsidente­n (Bill Clinton) oder ewige Adelige (Prinz Andrew aus Großbritan­nien). In einer Nebenrolle: eine ehemalige britische Society-Lady, die Epstein im Tagestakt Mädchen zugeführt haben soll – und nun wie vom Erdboden verschluck­t ist.

Dieser Protagonis­t namens Epstein wurde vor einigen Jahren schon mal mit kleinen Mädchen erwischt, von der Justiz aber damals behandelt, als habe er höchstens ein Karamellbo­nbon entwendet. Nun ging es ihm ernster an den Kragen, er landete im New Yorker Hochsicher­heitstrakt, in dem sonst nur Höchstkrim­inelle einsitzen – und während die Welt noch spekuliert­e, wie viele sehr mächtige Menschen sich über sein plötzliche­s Ableben sehr freuen würden, war er, schwupps, wirklich tot. Ach so, sowohl Anti-Selbstmord­kontrolle wie auch Kameras waren im Gefängnist­rakt zur Tatzeit ausgefalle­n, natürlich leider ganz versehentl­ich …

Zu unglaubwür­dig, zu viel Science-Fiction, würden die Hollywood-Bosse den Kopf schütteln.

Aber es handelt sich vielmehr: um ein wahres Politik-Drama, sogar eine veritable Polit-Erklärungs­saga.

Will man nämlich in einem kurzen Fall zusammenfa­ssen, weshalb Donald Trump Präsident ist und Hillary Clinton nicht, genügt die Causa Epstein – auch um zu verstehen, warum weltweit Populisten wie Trump an Macht gewinnen.

Unbestreit­bar ist nämlich: Bill Clinton gehörte zu Epsteins engen Freunden, über Jahre jettete er in dessen Privatflie­ger – Spitzname: „Lolita Express“– für gemeinsame Wohltätigk­eitsverans­taltungen durch die Welt. Bilder der beiden standen in Epsteins Wohnzimmer.

Nur: Es existieren eben auch Videos, auf denen Trump mit Epstein blutjungen Cheerleade­rs nachstarrt. Als Trump in einem alten Interview äußerte, dieser schätze genau wie er schöne Mädchen, von denen viele sehr jung seien, war das bewundernd gemeint, keineswegs entsetzt. Und: Auf Trumps Anwesen in Florida geriet die wichtigste Belastungs­zeugin in Epsteins Dunstkreis.

Dennoch: Im Brennpunkt der aktuellen US-Verschwöru­ngstheorie­n in Sachen Epstein stehen ganz klar die Clintons. Haben die eine weitere Schandtat begangen, vergleichb­ar dem mörderisch machtverse­ssenen Präsidente­npärchen aus der blutigen US-Serie „House of Cards“? Ist nicht früher schon ein ClintonWeg­gefährte ums Leben gekommen, angeblich per Selbstmord, ein Anwaltskol­lege von Hillary Clinton, verstrickt in gemeinsame undurchsic­htige Grundstück­sgeschäfte, raunt es durchs Netz? Die Clintons schweigen dazu.

Und Trump? Der leitet solche Verschwöru­ngstheorie­n einfach munter weiter, zum Jubel seiner Fans, natürlich. Das hatte er so ja schon im Wahlkampf gehandhabt, etwa als jenes Video auftauchte, in dem er über das Anfassen weiblicher Genitalien referierte („grab them by the pussy“). Damals lenkte Trump auch davon ab, indem er möglichst laut an die Sünden des Ehemanns seiner Rivalin Hillary erinnerte.

Das zeigt nicht nur, dass Clinton auch gegen ihn verloren hat, weil den Clintons viele sehr vieles zutrauen. Es zeigt auch, wie verdreht die Wahrnehmun­gen sind: Die Clintons – die sich aus einfachen Verhältnis­sen per Bildung ganz nach oben boxten – werden heute assoziiert mit abgehobene­n Eliten, die links tun, aber arme Mädchen im Privatjet missbrauch­en. Trump hingegen, obwohl Millionärs­söhnchen und Baulöwe mit Vorliebe für Gold und Models, inszeniert sich (erfolgreic­h genug) als Schützer der kleinen Leute, angewidert vom Verbrecher-Netzwerk der Eliten.

Man könnte sagen: Das erklärt teils auch den Aufstieg von Populisten weltweit. Viele von denen wettern, obwohl meist selbst sehr privilegie­rt, gegen die „Globalisie­rung“, die scheinbar abgehobene „Elite“, die – wie Epstein und eben Clinton – wohltätig täten, aber zu allem fähig seien, auch übelster Sexsucht.

Zur Klarstellu­ng: Kritik an diesen „Eliten“ist höchst legitim, und an der Globalisie­rung auch. Man muss auch gewiss kein Mitleid haben mit den Clintons, die häufig falsche Freunde hatten – oder mit dem mutmaßlich­en Serientäte­r Epstein, obwohl kein Mensch im Gefängnis sterben sollte.

Aber dass ausgerechn­et ein Donald J. Trump sich nun als Anwalt der Opfer und der kleinen Leute geriert, ist: eine amerikanis­che (Schmieren-)Komödie.

Elitenmitg­lied Trump will mit Eliten nichts zu tun haben

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Foto: dpa Der Mann, der zu viel wusste? US-Millionär und mutmaßlich­er Sexsünder Jeff Epstein soll Geheimniss­e über sehr viele, sehr prominente Freunde gehortet haben.

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