Süß oder salzig?
Kino? Das ist kein Zeitvertreib für nervenschwache Entscheidungsmeider. „Süß oder salzig?“, fragt der diensthabende Gymnasiast hinter der Kinokasse und greift halbmotiviert zur Popcornschaufel – und in diesem Moment steckt man schon mittendrin, auf halber Strecke in einer Kette von charakterdefinierenden Fragen, die über das Schicksal eines Abends entscheiden. Kino, das ist die Schule des Lebens im Zeitraffer. Die vielfache Qual der Wahl. Vor allem, wenn man zu zweit ins Kino geht.
Das Dilemma beginnt zuhause: Altstadt oder Multiplex? Skandinavisches Depressionsdrama oder französische Integrationskomödie? Vielleicht doch die fünfte Fortsetzung einer Reihe, die schon mit dem Trailer zum zweiten Film auserzählt war, und die man dennoch aus pflichtschuldigem Komplettierungswillen bis zum bitteren Ende verfolgen möchte? Beim Ticketkauf der Klassiker: Parkett oder Loge, Mitte oder Rand? Schließlich wird es territorial. Wer muss neben der raumgreifenden Person sitzen, die gleich zwei Armlehnen für sich beschlagnahmt? Die Fragen enden nicht, sobald das Licht gedimmt wird: Schweigen oder tuscheln? Den Mitgebrachten schnarchen lassen oder ihn kneifen, sobald sich seine Augen schließen?
Ob der Film nach Abspann noch durchdiskutiert werden sollte, auch das entscheidet über die zwischenmenschliche Wetterlage. Und soll einer dabei wirklich gestehen, dass er den Plot nur begrenzt nachvollziehen konnte? Am Ende steht nicht selten die Frage: Ist das die Person, mit der ich je noch einmal ins Kino gehen soll? So ein wortloser Abend zu zweit vor der Leinwand, er könnte schön sein. Stattdessen stellt er eine Charakterprüfung. Ein Buch ist schnell zugeklappt, ein Knopfdruck und der Fernsehsender ist gewechselt. Kino dagegen ist eine Entscheidung. Beziehungsweise: Nicht nur eine.